ADRRichtungsstreit führt zu Unruhen und Austritten

ADR / Richtungsstreit führt zu Unruhen und Austritten
Sylvie Mischel mit dem neuen Hoffnungsträger der ADR, Fred Keup, der sich bislang nicht zum Richtungsstreit geäußert hat. Foto: Editpress/Claude Lenert

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In der ADR gibt es seit einigen Wochen einen Richtungsstreit. Diese interne Auseinandersetzung, die teilweise öffentlich ausgetragen wurde, könnte die ADR weiter an den rechten politischen Rand führen. Mehrere Mitglieder haben der Partei in dieser Woche den Rücken gekehrt. Ehrenpräsident Robert Mehlen hat „keine Lust“, seine Meinung zu äußern, um nicht noch mehr Unruhe zu stiften, plädiert aber dafür, die Flüchtlingsfrage erst einmal aus der Diskussion auszuklammern.

Ausgelöst wurde die Auseinandersetzung über die Richtung der Partei von Sylvie Mischel, Vorsitzende der „ADR-Fraen“ und Lebensgefährtin von Fernand Kartheiser. Anfang Dezember 2019 hatte sie nach einem umstrittenen Facebook-Post über die Asylpolitik der Regierung ihre Ämter niedergelegt. In einer Mitteilung begründete die Partei den Rücktritt damit, dass weder Mischel persönlich noch die ADR als Plattform für niedere Gefühle missbraucht werden könnten.

Kurz nach Mischels Rücktritt warfen aber die „ADR-Fraen“, mit tatkräftiger Unterstützung des Abgeordneten Kartheiser, Parteipräsident Jean Schoos und Generalsekretär Alex Penning plötzlich „erpresserische Methoden“ vor und forderten personelle Konsequenzen, weil der Parteivorsitzende und der Generalsekretär mit ihrer öffentlichen Kritik an ihrem Facebook-Post Sylvie Mischel quasi zum Rücktritt gezwungen hätten.

Der umstrittene Facebook-Post zeigt ein Foto des Luxemburger Außenministers Jean Asselborn (LSAP) mit Flüchtlingen aus dem Niger. Sylvie Mischel hatte das Bild mit dem Spruch „Der LSAP hiert éicht Walplakat fir 2023“ versehen und die Regierung dazu aufgefordert, sich wieder mehr um die Luxemburger zu kümmern. Dieser Post ist symptomatisch für die Richtung, die die ADR spätestens seit den Parlamentswahlen 2018 eingeschlagen hat. Der Fokus der Partei wird zusehends auf die Themen Migration und nationale Identität gerichtet. Dieser Rechtsdrall hatte sich in den vergangenen zehn Jahren schon angedeutet. Mehrere eher linksliberal eingestellte Mitglieder und frühere Abgeordnete wie Jacques-Yves Henckes und Jean Colombera traten 2012 aus der Partei aus. Der rechtskonservative Fernand Kartheiser, der der ADR 2008 beigetreten war und 2009 erstmals ins Parlament kam, wurde immer mächtiger. 2018 öffnete die ADR ihre Listen für die Mitglieder der Organisation Nee 2015/Wee 2050, die vor dem Referendum von 2015 vor allem Stimmung gegen das Wahlrecht für Nicht-Luxemburger gemacht hatte. Damit rückte die Partei weiter an den rechten Rand. Sylvie Mischel und Fernand Kartheiser scheinen diese Entwicklung nun zu Ende führen zu wollen.

Nachdem sie am vergangenen Montag auf einem Kongress als Präsidentin der „ADR-Fraen“ wiedergewählt wurde und damit auch wieder Mitglied des Nationalvorstands und der Exekutive ist, forderte Mischel am Donnerstag in einem Interview auf Radio 100,7 die Erneuerung der Parteispitze. Ihr Facebook-Post sei auf einer Linie mit der Migrationspolitik der ADR gewesen, meinte Mischel. Im Anschluss an den Kongress hatten vier ADR-Frauen ihren Rücktritt eingereicht: die frühere Gemeinderätin der Stadt Luxemburg Marceline Goergen, Nicky Stoffel, die die ADR im Staatsrat vertritt, sowie die Ehefrauen des Präsidenten Jean Schoos und des Generalsekretärs Alex Penning, Karin Schoos-Justen und Jelena Marinkovic. Alex Penning kündigte seinerseits gegenüber Radio 100,7 an, dass er bis 2022 Generalsekretär bleiben wolle. Schoos hat sich bislang nicht öffentlich geäußert.

Mehlen: „Gut aufpassen, wie man sich äußert“

Laut Tageblatt-Informationen sind in den vergangenen Wochen wegen der Affäre Mischel/Kartheiser gegen Schoos/Penning noch andere Mitglieder aus der Partei ausgetreten. Wie viele genau, ist nicht bekannt. Die von Sylvie Mischel geforderte Erneuerung der Parteispitze soll auch einen Generationswechsel ermöglichen, wie sie gegenüber Radio 100,7 betonte. Junge Mitglieder hat die ADR durchaus. Die prominentesten sind wohl Fred Keup (39) vom Wee 2050, der Gast Gibéryen künftig in der Abgeordnetenkammer ersetzen soll, und Michel Lemaire (31), Vorsitzender der Jugendorganisation ADRenalin und Zweitgewählter auf der Nordliste bei den Parlamentswahlen 2018. Weder Keup noch Lemaire waren gestern für eine Stellungnahme zu erreichen.

Ehrenpräsident Robert Mehlen (r., mit Gast Gibéryen) plädiert dafür, die Flüchtlingsfrage erst einmal auszuklammern
Ehrenpräsident Robert Mehlen (r., mit Gast Gibéryen) plädiert dafür, die Flüchtlingsfrage erst einmal auszuklammern Foto: Editpress/Julien Garroy

Der frühere ADR-Abgeordnete Robert Mehlen sprach sich gestern auf Nachfrage dafür aus, dass sich die Beteiligten in kleinem Kreis zusammensetzen sollten, um ihre Streitigkeiten beizulegen. „Ich glaube nicht, dass die Ansichten letzten Endes so weit auseinanderliegen. Es geht eher um Differenzen in der Art und Weise, wie nach außen kommuniziert wird“, sagte der 70-jährige Ehrenpräsident. Partei ergreifen wollte Mehlen nicht. Er habe zwar eine Meinung zu der Auseinandersetzung, doch er habe „keine Lust“, sie zu äußern, weil er nicht noch mehr Unruhe stiften wolle. In den vergangenen Jahren seien neue Leute zur Partei gestoßen, die andere Prioritäten setzen. Robert Mehlen plädierte aber dafür, die Flüchtlingsfrage erst einmal auszuklammern. Er nehme zur Kenntnis, dass es wohl Probleme mit „bestimmten Kategorien von Leuten“ in Luxemburg gebe, was den einen oder anderen animiere, sich dazu zu äußern. „Man muss aber immer sehr gut aufpassen, wie man das tut“, mahnte Mehlen.

spëtzbouf
13. Januar 2020 - 13.01

Das Foto wurde vorher gemacht oder die beiden machen sich über ihre Gefolgschaft resp. Wähler lustig. :)

philosoph
12. Januar 2020 - 10.20

wou kann een nach sou blöd laachen, wann een sou e chaos national verusaacht huet?

J.C.Kemp
11. Januar 2020 - 18.07

@Jacques Zeyen: Aber jetzt wissen wir wenigstens, wo die sich rumtreiben.

spëtzbouf
11. Januar 2020 - 17.06

Das schönste Politpärchen! :)

Paula
11. Januar 2020 - 16.45

Vielleicht muss die Partei gespalten werden, die Dame könnte ja alle Mitglieder mitnehmen, die auf der Autobahn nur den rechten Winker benutzen.

Jacques Zeyen
11. Januar 2020 - 11.13

"Robert Mehlen hat „keine Lust“, seine Meinung zu äußern, um nicht noch mehr Unruhe zu stiften.." Dann kann man sich ja ausdenken wie es um den Gesinnungszustand dieses frommen Kirchgängers bestellt ist.Wer als Gastredner in der Manternacher Kirche antritt und in der Öffentlichkeit seine Meinung nicht äussern will um Unruhen zu vermeiden hat eine spezielle Vorstellung von christlicher Nächstenliebe.Aber christliche Nächstenliebe war ja schon immer etwas Besonderes. Am besten wäre alle Mitglieder würden morgen austreten,dann wären wir diese Gurkentruppe los.