Polen: Staatspräsident unterschreibt umstrittene Gesetzesnovelle

Polen: Staatspräsident unterschreibt umstrittene Gesetzesnovelle

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Polens Staatspräsident Duda hat eine umstrittene Novelle zum Obersten Gericht unterschrieben. Nun hat die Regierungspartei PiS freie Bahn, ihre konservative Revolution umzusetzen. Dabei hilft ihr das Desinteresse der eigenen Mittelschicht.

Von unserem Korrespondenten Jens Mattern

Polens Staatspräsident hat die Gesetzesnovelle unterschrieben – nun kann der Umbau der Gewaltenteilung weiter fortschreiten. Durch die Absegnung von Andrzej Duda wird das Oberste Gericht bald einen neuen Vorsitzenden Richter bekommen, welcher der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) genehm ist.

Ende Juli 2017 war die Lage noch anders. Damals beugte sich der Staatspräsident den Massenprotesten, die gegen die Reformen des Gerichtswesens auf die Straße gingen, und legte ein Veto ein. Doch das anhaltende Gezerre um die Justizreform, gegen welche die EU-Kommission mit mehreren Vertragsverletzungsverfahren gegenhält, die theoretisch zum Stimmverlust im Europäischen Rat führen, ermüdet die Bevölkerung. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und Premierminister Mateusz Morawiecki planen eine Art konservativer Revolution und haben bislang die gesamte Gerichtsbarkeit bis auf das Oberste Gericht auf Linie gebracht.

Die oppositionell eingestellte Zeitung Gazeta Wyborcza hält tapfer gegen den Trend: „Ganz Polen verteidigt die freien Gerichte“, heißt es in einem Bericht am gestrigen Freitag. Ein Wolkenkuckucksheim, allein wenn man die Fotos der Zeitung betrachtet, welche die Proteste in größeren Städten zeigen – es sind nur ein paar Grüppchen. Auch in Warschau waren und sind vor dem Präsidentenpalast die üblichen Verdächtigen zu sehen. Die Generation 60 plus, Pensionäre, zumeist Akademiker, die als Studenten in den 80er-Jahren schon für die Gewerkschaft Solidarnosc protestierten und nun eine immer ruppigere Polizei erleben.

Regierungspartei hat viel Zustimmung

Es sind Altersgenossen der 65-jährigen Juristin Malgorzota Gersdorf, die weiter an ihrem Vorsitz im Obersten Gericht festhält, der ihr von der Verfassung bis 2020 garantiert wird. Zwar wollen einige der Juristen des Obersten Gerichts, die durch eine neue Regelung aus Altersgründen zwangspensioniert wurden, dies vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten. Doch die Frage ist, ob dies die nationalkonservative Regierung noch beeindruckt. Dabei helfen ihr der Rückhalt der Bevölkerung vor allem auf dem Land – in Umfragen liegt die PiS bei 40 Prozent – und Teilnahmslosigkeit vieler Polen in den Städten. Die Warschauer Mittelschicht interessiert sich mehr für Straßencafés als für zweistündige Demonstrationen vor dem Präsidentenpalast.

Um ohne Widerstände zu regieren, muss sich die PiS nun noch das Amt des Ombudsmannes für Menschenrechte vornehmen. Der derzeitige Amtsträger Adam Bodnar erlaubt sich noch kritische Töne. Hinzu kommen die privaten Medien. „Eine Dekonzentration der Medien“ ist seit langem in der Mache, bei der vor allem Ringier Axel Springer, der Bauer Media Group sowie der Passauer Verlagsgruppe Zwangsverkäufe drohen, da sie das Gros der lokalen und regionalen Zeitungstitel halten.

Auch das zunehmende Desinteresse in Brüssel sowie in den Hauptstädten des westlichen Europas an den polnischen Querelen wird die PiS forscher agieren lassen. Für Berlin mag es mit der Zurückhaltung bald vorbei sein, denn Warschau setzt gerade das Thema Reparationen wieder auf die politische Agenda. Das polnische Verfassungsgericht soll prüfen, ob einzelne polnische Bürger den deutschen Staat verklagen können. Die Institution wird bereits von regierungsnahen Richtern dominiert, das Ergebnis wird somit kaum überraschen.

GuyT
4. August 2018 - 13.19

"der ihr von der Verfassung bis 2020 garantiert wird" laut polnischen Zeitungen stimmt das so nicht. Ich hatte zweifel und habe wikipedia bemüht und sie da: Art.180 Der pol. Verfassung Absatz 4. besagt tatsächlich "Das Gesetz bestimmt die Altersgrenze, bei deren Erreichung die Richter in den Ruhestand treten." Fazit: politisch eingefärbter Artikel.

Ee vun 20%
2. August 2018 - 7.38

Die Linke in Europa täte gut daran, sich der Tatsache zu erinnern, dass das sowjetische Imperium von Polen aus uerstört wurde. Mit tatkräftiger Hilfe unserer amerikanischen Freunde. Jetzt vergreift Polen sich an unseren liberalen Werten und ein abgehalfteter nordamerikanischer Präsidentenberater plant eine Stiftung zur Re-konservatisierung Europas. Derweil verzettelt unsere Linke sich in der Umweltthematik. Das wird ein böses Erwachen.

Grober J-P.
29. Juli 2018 - 11.53

Zurück in die Vergangenheit. Schade.