Kritik und „Asselborn-Faktor“

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STEINFORT – Jahrzehntelang galt Steinfort als Hochburg der LSAP. Aber 2011 musste Bürgermeister Guy Pettinger (57) aus dem sozialistischen Lager den Gemeindechefposten abgeben.

2011 war es nur knapp daneben. 180 Stimmen gaben damals bei den Gemeindewahlen den Ausschlag dafür, dass die LSAP die absolute Mehrheit verlor. 46,15 Prozent der Wähler sprachen der Partei ihr Vertrauen aus, die CSV kam nur auf 39,13 Prozent, das sind knapp sieben Prozent Unterschied. Pettinger konnte sogar die meisten Stimmen auf sich vereinigen. „Das ist Demokratie“, sagt Guy Pettinger, „dann kommt aber die Mathematik ins Spiel.“ Ein rechnerischer „Restsitz“ wurde der CSV zugeteilt.

Im Ergebnis standen fünf Sitze im Gemeinderat für die CSV, fünf für die LSAP, einer für die DP. Bereits am Montagabend nach der Wahl stand die CSV-DP-Koalition samt Vertrag. „Das ging ganz schnell“, sagt der ehemalige Bürgermeister nicht ohne Ironie, der seitdem die Oppositionsbank drückt. „Auch das ist eine wichtige Aufgabe.“ 2005 hatte die LSAP noch sechs Sitze im Gemeinderat, eine stabile Mehrheit.

Wenn es seit der letzten Wahl ein Symbol für den veränderten Regierungsstil gibt, dann sind es die neuen Clubsessel im Sitzungssaal der Gemeinde neben Fernseher und Ausrüstung für Übertragungen der Ratssitzungen via Internet. Dazu gekommen ist es bis jetzt nicht. „Auf unseren alten Stühlen haben wir genauso gut Politik gemacht“, sagt Pettinger, der schon seit 1997 die Politik in Steinfort in unterschiedlichen Positionen mitgestaltet. Das sind die äußeren Symbole, aber es gibt auch inhaltliche Kritik.

Reibungspunkt: das Thema Sport

Ein Reibungspunkt ist das Thema Sport. Lange hatte sich die Gemeinde unter seiner Führung darum bemüht, die Anwohner des Fußballplatzes und des damit verbundenen Lärms zu entlasten. Er liegt mitten im Ort. Außerdem sollte das in die Jahre gekommene Schwimmbad samt Sporthalle renoviert werden, aber nach den Plänen der LSAP neben Schule und „Maison relais“ belassen werden, da die Einrichtungen hauptsächlich dem Schulsport vorbehalten sind.

Die Gemeinde ergriff die Chance, ein Gelände am Eingang des Ortes zu kaufen. Das „Lärmproblem“ hätte gelöst werden können, die nächsten Anwohner sind 300 bis 400 Meter entfernt. Dazu kam es nicht. Noch vor der Umklassierung tauschte der neue CSV-Gemeindechef das erworbene Gelände mit einem Landwirt gegen ein Gelände an der Eisch, wo rundherum neben neuem Schwimmbad und neuer Sporthalle sowie dem Fußballplatz auch Wohnraum entstehen sollte. Passiert ist bis jetzt noch nichts. Umweltstudien, Hochwasserauflagen usw. müssen erfüllt werden.

30 Millionen Euro

„Wir reden hier über ein ‚avant-projet‘ von 30 Millionen Euro für eine kleine Gemeinde“, sagt Pettinger. Ärgerlich. Zumal die Gemeinde im Ankauf von Gelände begrenzt ist. „Wir haben im Rücken die belgische Grenze“, sagt der ehemalige Bürgermeister, geografisch sind also jedem die Hände gebunden. Deshalb ist seine Partei nach wie vor dafür, das neue Schwimmbad und eine renovierte Sporthalle an der Schule zu belassen. Das Problem des Fußballplatzes steht auch dann nach wie vor im Raum, nachdem die einmalige Chance, ihn auszulagern, vergeben ist.

Mangelnde Bürgernähe der aktuellen Koalition ist ein weiterer Kritikpunkt. Unter der LSAP gab es samstagmorgens eine Bürgersprechstunde, bei der die Einwohner ihre Anliegen vorbringen konnten. Das gibt es in dem Umfang nicht mehr. Außerdem ist die Pro-Kopf-Verschuldung von 600 Euro auf 3.500 gestiegen. Das in den Augen von Pettinger unkontrollierte Wachstum über die vielen PAPs, die aktuell auf dem Instanzenweg sind, ist ein weiterer Stein des Anstoßes. „Wir wollen wachsen“, sagt er auch im Hinblick darauf, dass die Gemeinde eine der ersten war, die den ‚Pacte de logement‘ unterschrieben hat, „aber mit Maß und nicht explosionsartig“.

Der berühmteste Sohn der Stadt

Pettinger ist, was den nächsten Sonntag angeht, optimistisch. Für seine Liste hat er vier Frauen rekrutieren können, sie ist ein Mix aus erfahrenen Lokalpolitikern und Neulingen, das Durchschnittsalter liegt bei 48 Jahren, das jüngste Listenmitglied ist 22, das älteste 64 Jahre alt. Über der Gemeinde schwebt eine „graue“ Eminenz.

Der wohl berühmteste Sohn der Stadt, wie es bei Wikipedia an dieser Stelle gerne heißt, ist der dienstälteste und international hoch angesehene Außenminister der Welt Jean Asselborn – selbst LSAP-Mitglied. Der „Asselborn-Faktor“ hat Gewicht. Angesichts seiner ungebrochenen Beliebtheit vielleicht sogar mehr denn je, auch wenn die politische Sachlage komplizierter geworden ist. „Die Karten werden am Sonntag neu gemischt“, sagt Pettinger in Anspielung darauf, dass es zum ersten Mal auch eine grüne Liste gibt. Aber: Er hat ein gutes Gefühl, vor allem weil in der Gemeinde viel „panaschiert“ wird, Namen und die Personen dahinter also eine Rolle spielen – trotz Proporz.