Europäische Offensive

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Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat zum Ende des Sommers
eine europäische Offensive verordnet. Arbeitsbesuch in Österreich mit Treffen der Regierungschefs der Tschechischen Republik, Bulgariens, Rumäniens und der Slowakei. Dann einige Tage Ruhe zu Hause in Le Touquet. Schließlich Besuch in Luxemburg mit Empfang bei Großherzog Henri und Arbeitsgesprächen mit Xavier Bettel und dem belgischen Premierminister Charles Michel. Am Montagnachmittag hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bereits mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, den spanischen und italienischen Premierministern sowie den Regierungschefs aus Tschad, Niger und Libyen eine Konferenz zu Flüchtlingsfragen abgehalten.

Bevor Macron mit seiner Frau nach Luxemburg fliegt, unterhält er sich noch mit dem Gouverneur der französischen Zentralbank und seinem Außenminister. Es sieht derzeit so aus, als ob sich der französische Staatspräsident ein riesiges Arbeitsprogramm auferlegt hätte. An dem ist er allerdings nicht ganz schuldlos. Es sind die Themen der Entsendearbeiter, einer europäischen Steuerharmonisierung und der Flüchtlingswellen über das Mittelmeer, die der französische Staatspräsident gleichzeitig bearbeiten muss. Das Thema der Entsendearbeiter hat er sich selbst eingebrockt.

Binnenmarkt oder soziale Union?

Im Juni bei der Konferenz der Arbeitsminister lag ein Kompromissvorschlag auf dem Tisch, den Frankreich ablehnte. Emmanuel Macron will eine Lösung, die seine Handschrift trägt. Entsendearbeiter in Frankreich sollen nach französischen Maßstäben bezahlt, in Frankreich sozial abgesichert, auf Kosten des Unternehmens untergebracht und verpflegt werden. Dabei lernt er allerdings gerade, dass es nicht so einfach ist, alle europäischen Länder auf eine Linie einzuschwören, die die französische ist.

Die Idee der Europäischen Union ist eine, die es den Menschen erlauben soll, sich ihren Arbeitsplatz in der ganzen Union zu suchen. Das Problem: Die Direktive, die das regelt, wurde ins Leben gerufen, als es nur 15 Länder gab und die Ex-Ostblock-Länder noch nicht Mitglied der Union waren. Diese zentraleuropäischen Länder aber brachten ein soziales Ungleichgewicht in die Union, das es so vorher nicht gegeben hatte.

Also fahren heutzutage polnische Lastwagenfahrer durch Europa, die mit einem nach westlichen Vorstellungen Hungerlohn abgespeist werden. Auf den westeuropäischen Baustellen ist jeder dritte Arbeiter Mitglied eines zentraleuropäischen Staates, wird regelrecht ausgebeutet, arbeitet zum Teil für null Euro, weil man ihm von seinem nach polnischen Verhältnissen eh schon kargen Lohn noch Unterkunftskosten und Verpflegung abzieht.

Die Linkspopulisten in Frankreich wollen deswegen gar keinen Entsendearbeiter. Die Rechtspopulisten wollen die Grenze schließen. Der Grund ist in beiden Fällen derselbe: Französische Firmen können unter diesen Umständen nicht mithalten. Andererseits: Als Deutschland polnische Transportfirmen verpflichtete, für die Zeit des Transits in Deutschland deutsche Löhne zu zahlen, drohte die EU-Kommission mit einem Verfahren gegen Deutschland.

Erfolgreiche und weniger erfolgreiche Besuche

Der französische Staatspräsident, der auch dann noch lächelt, wenn er unbequeme Wahrheiten erzählt, und stur sein kann, wenn es darum geht, seine Positionen durchzusetzen, zwang sich selbst, auf eine Überzeugungs-Tour zu gehen. Mit der tschechischen Regierung und mit der Slowakei fand er zumindest den Status, dass sie verstanden, was Frankreich will. Beide Staaten zeigten sich aufgeschlossen.

Der Besuch bei dem rumänischen Staatspräsidenten Iohannis war weniger erfolgreich. Der Rumäne legte sich nicht fest. Er weiß nämlich, dass Rumänien Facharbeiter nach Frankreich schickt, die dort auch gebraucht werden. Wie etwa Schweißer, die an dem Atomreaktor EPR in der Normandie anerkannt gute Arbeit leisten. Denen will er den französischen Arbeitsmarkt nicht verschließen.

Erstaunlich ist, dass Macron sich nicht nur mit zentraleuropäischen Politikern unterhält. Deutschlands Außenminister Gabriel erscheint morgen im Elysée-Palast, der Niederländer Mark Rutte am Donnerstag, mit dem Belgier Charles Michel spricht Macron in Luxemburg.
Schaut man auf die Statistik, dann findet sich hier der Gotha der Länder wieder, die zu den größten Beschäftigungsnationen und auch Entsendeländern in der Europäischen Union gehören. Macron sucht Unterstützung, wird sie von allen Ländern – auch Luxemburg – erhalten. Jedes Land aber, das ihn öffentlich unterstützt, ist ein innenpolitischer Pluspunkt für ihn. Denn Macron weiß ja, warum er nicht nach Warschau und nach Budapest gefahren ist. Dort sitzen die Regierungen, die ihn nicht unterstützen, deren Stimme er für die Veränderung der Entsenderichtlinie nicht bekommen wird.

Macron wäre aber nicht Macron, wenn er dann nicht auf Konfrontationskurs ginge. Aber selbst der verbale Angriff ist noch ein Pluspunkt. Denn wenn er scheitert, weiß ganz Frankreich, wer der Nation die Solidarität verweigert hat.

Macron geht auf Konfrontationskurs

Der Besuch in Luxemburg hat noch andere Gründe. Macron hat mit Deutschland bereits eine Grundsatzvereinbarung, dass beide Staaten langfristig ihre Unternehmenssteuern harmonisieren werden. Luxemburg wird von den Linkspopulisten immer noch als Finanzparadies geschmäht, wie am vergangenen Sonntag, als Luxemburg in Marseille auf einer Kundgebung verteufelt wurde.

Macron hat in Steuerfragen einen Trumpf in seiner Regierung. Bruno Le Maire spricht perfekt deutsch, verfügt in Deutschland über ein politisches und wirtschaftliches Netzwerk. Le Maire hat gerade mit Deutschland Grundsatzgespräche über die Besteuerung der Internetkonzerne in Europa geführt und eine Diskussionsbasis gefunden.

Macron weiß aber, dass es hier ohne Luxemburg nicht geht. Die digitale Wirtschaft ist mit Tausenden von Arbeitsplätzen in Luxemburg längst zur realen Wirtschaft geworden. Der französische Staatspräsident muss also, will er zu einer europäischen Übereinkunft zur Besteuerung der digitalen Konzerne kommen, Luxemburg überzeugen und die luxemburgischen Interessen berücksichtigen. Denn in Steuerfragen braucht die Union Einstimmigkeit, wie bei der Entsenderichtlinie.

Hier aber stößt der Präsident auf technische Schwierigkeiten. In Frankreich liegt die Unternehmensbesteuerung bei 33 Prozent. In Luxemburg derzeit bei 19, im kommenden Jahr bei 18 Prozent. Nimmt man die lokalen Steuern hinzu, kommt Luxemburg je nach Dorf und Stadt auf 22 bis 23 Prozent. Europäische Vorstellungen liegen bei im Durchschnitt 25 Prozent. Von Einheitlichkeit bei den Steuersätzen ist man weit entfernt.

Die Krux mit dem Steuersatz

Würde man sich in der Union darauf einigen, dass jedes Land die eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten besteuert, wäre Luxemburg in der Tat wieder ein Paradies, stünden doch 22 Prozent Steuern in Luxemburg gegen 33 Prozent Steuern in Frankreich. In Frankreich aber wird jeder, der preiswerter als die Franzosen arbeitet oder weniger Steuern verlangt, als ein Illoyaler betrachtet.

Emmanuel Macron wird heute nicht zum letzten Mal in Luxemburg sein. „Seine“ 45.000 Franzosen erwarten, ihn zu sehen und zu hören. Und dann gibt es da noch die gut 90.000 Franzosen aus Lothringen, die täglich zwei Stunden im 20 Kilometer langen Stau auf der französischen Autobahn stehen.

Maxime
29. August 2017 - 12.13

Ein zu schnelles Erweitern der EU hat also "gehirnlos" unueberlegt stattgefunden? Wir sollen uns also alle trauen die richtigen Fragen auch bei der Fluechtlingskrise zu stellen. Denn nachher ist man immer schlauer, dann ist es oft leider schon viel zu spaet.