Etwas Kraut … und viel Indie: Das ist das Line-up von Out of the Crowd 2019

Etwas Kraut … und viel Indie: Das ist das Line-up von Out of the Crowd 2019

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Das Out of the Crowd gilt seit jeher als Entdeckungsfestival: Die meisten Bands des Line-ups sind selbst Musikkennern nur selten ein Begriff und die Headliner des Festivals spielen, wenn überhaupt, auf den großen Rockfestivals auf kleinen Bühnen in der prallen Nachmittagssonne. Trotzdem – oder gerade deswegen – steht das OOTC für ausgezeichnete Livemusik. Wir leiten durch das diesjährige Line-up.

Das Out of the Crowd gilt seit Jahren als das luxemburgische Referenzfestival für alternative Klänge. Als eines der beständigsten Festivals der luxemburgischen Musiklandschaft – heute geht es in die 16. Runde – hat das vom „Schalltot Kollektiv“ organisierte Out of the Crowd das Kommen und Gehen vieler großer und kleinerer hiesiger Festivals beobachten können. Das Erfolgsrezept des OOTC besteht darin, mit den Fans von Noise-, Post- und Math-Rock eine vielleicht beschränkte, überschaubare Zielgruppe anzusprechen – diese dann aber stets mit den interessantesten Genre-Vertretern zu verwöhnen.

Weiterhin steht das Out of the Crowd für den Beginn der Festivalsaison: Mit seinem Datum Ende April kündigt es die ersten Tage entspannten Musikhörens an. Dabei setzt das Line-up dieses Jahr verstärkt auf trendige Indie-Rock-Bands – Math- und Post-Rock treten etwas in den Hintergrund. Dies liegt wohl einerseits daran, dass der gitarrenlastige Indie-Rock mittlerweile wieder fast als Nischengenre gilt – fern sind die Zeiten, in denen junge Bands mit kantigem Gitarrensound wie Franz Ferdinand, Bloc Party oder die Libertines die großen Bühnen bespielten –, erklärt sich aber wohl auch dadurch, dass die Organisatoren auf Vielfalt und stilistische Neugier bauen.

Neben den luxemburgischen Bands (The Choppy Bumpy Peaches und Klein), die wir hier nicht vorstellen, da sie (zumindest hier in Luxemburg) zu den bekannteren Acts des Line-ups gehören dürften, stellen wir in der Folge die Musik der neun ausländischen Bands, die heute auf der Bühne zu sehen sind, vor.

Nachdem die Choppy Bumpy Peaches die Hauptbühne eingeweiht haben, geht es gleich nebenan in den Rotondes Stages (die sich nicht in den Rotunden befinden, sondern im Saal gleich neben der großen Bühne) mit Dammit I’m Mad aus Schweden weiter, die auf ihrem selbstbetitelten Album zwar nicht sonderlich innovativen, dafür aber reichlich verspielten Math-Rock bieten – Liebhaber des Genres werden an Tracks wie „Hoofprints“, das sich durch schnelle Rhythmen und Riffs kennzeichnet, sicherlich Gefallen finden.

Nach den jazzigen Klängen von Klein treten Say Sue Me aus Südkorea auf. Auf ihrer Platte „We’ve Sobered Up“ dekliniert die Band in elf Variationen rauchigen Indie-Rock, der mit seinen reichlich psychedelischen Klängen und Surfer-Rock-Gitarren („Say Sue Me“) an die ersten Platten der Raveonettes erinnert. „I Know I’m Kind of Boring“ heißt der zweite Song der Platte. So ganz stimmt das zwar nicht, etwas abgedroschen klingt die Band zumindest auf Albumformat allerdings schon – auch wenn Balladen wie „Crying Episode“ für Abwechslung sorgen.

Qualitativ in Fahrt kommen dürfte das Festival dank Jay Jayle, die auf ihrer Platte „No Trail and Other Holy Paths“ an Nick Cave, 16 Horsepower oder auch Mark Lanegan erinnern. Wird auf dem eröffnenden „No Trail: Path One“ noch auf atmosphärische, instrumentale Kompositionen gesetzt, klingt Evan Pattersons Stimme auf „No Trail: Path Two“ stark nach Mark Lanegan, bis Emma Ruth Rundles Gesang den Song aus dem tiefen Baritongraben heraushebt. Songs wie „Ode to Betsy“ und „Accepting“ steigern anschließend das Tempo. Die Band wird all denen gefallen, die auch Nick Caves pechschwarzen Balladen etwas abgewinnen können.

Die Musik der Dänen von Town Portal widerspricht all denen, die finden, dass es dem Line-up des OOTC dieses Jahr an instrumentalem Post-Rock fehlt: Die dunklen Post-Rock-Songs mit Metal-Einschlag charakterisieren sich durch einen treibenden, meist verzerrten Bass, treibendes Schlagzeug und atmosphärische Gitarren, die oftmals eine unheilvolle Stimmung hinaufbeschwören.

The Murder Capital aus Irland haben bisher zwar nur zwei Tracks in Studioversion veröffentlicht, gelten aber in ihrem Land bereits als neue Indie-Rock-Sensation. „Feeling Fades“ und „Green & Blue“ sind in der Tat zwar ziemlich klassischer, doch äußerst hörenswerter Post-Punk, der sich (natürlich) vor Joy Division, aber mit dem dahingerotzten Gesang auch vor rezenteren Acts wie Protomartyr verbeugt. Auf ein längeres Set darf man demnach gespannt sein.

Lysistrata aus Frankreich sind nach der Titelfigur eines gleichnamigen Theaterstücks von Aristophanes benannt. Um den Frieden zu erzwingen, besetzen die Frauen unter der Führung von Lysistrata die Akropolis und verweigern sich ihren Gatten. Einen Keuschheitsgürtel trägt das französische (männliche) Trio allerdings nicht: Bezeichnet die Band sich auf ihrer Bandcamp-Seite stilistisch als „alles, was mit Post zu tun hat“, klingt sie auf ihrer Scheibe „The Thread“ sehr vielfältig: Das rotzige, freche, punkige „Asylum“ bringt einen unweigerlich dazu, das raue Tanzbein zu schwingen oder einen Moshpit eröffnen zu wollen. Andere Tracks wie „The Boy who Stood Above the Earth“ sind mit einer Spielzeit von 11 Minuten strukturell proggiger, die Post-Punk-Klänge erinnern mitunter an Cloud Nothings.

Built to Spill sind eine der beiden bekannteren Bands der diesjährigen Auflage. Die Band, die seit 1992 besteht, spielt äußerst charakteristischen amerikanischen Indie-Rock, der so sehr nach den 90ern klingt, dass man sich während des Hörens ihrer Alben wie auf einer Zeitreise fühlt. Sänger Doug Martsch könnte auch den Gesang bei Death Cab For Cutie übernehmen, ohne dass es irgendwem auffallen würde. Die Instrumentierung hingegen erinnert sehr stark an Dinosaur Jr. Ihr letztes Album „Untethered Moon“ erschien 2015, verweigerte sich mit Überzeugung allen zeitgenössischen musikalischen Trends – und setzte stattdessen auf überzeugendes Songwriting, wie man auf Tracks wie „Living Zoo“ unschwer überprüfen kann.

Peter Kernel sind ein Duo aus der Schweiz. Allerdings heißt keiner der beiden Musiker mit Vornamen Peter – Barbara Lehnhoff und Aris Bassetti nannten ihre Band anfangs El Toco, wurden dann aber stets als Salsa-Band angekündigt, was zu angenehmen Verwechslungen für die Band und das Publikum führte. Ob der jetzige Bandname, der auf Singer-Songwriter-Tracks schließen lässt, die bessere Wahl ist, sei dahingestellt: Das Duo spielt auf seiner vierten Platte schönen Indie-Rock, der mit Synthies angereichert wird und der sich durch Lehnhoffs Gesang, der manchmal an Kim Gordon von Sonic Youth erinnert, charakterisiert.

Beak›, die Headliner dieses Jahres, sind wohl hauptsächlich dafür bekannt, dass Geoff Barlow, der Schlagzeuger von Portishead, einer der Bandgründer ist. Barlow, der außerdem Produzent und DJ ist, schafft auch mit Beak› betörende Klänge. Im Gegensatz zum in den Anfangstagen ziemlich unterkühlten Trip-Hop von Portishead spielen Beak› aber Krautrock, den Radiohead, wenn Thom Yorke weniger verkopft wäre und weniger Aphex Twin gehörte, auch in ihrer Spätphase hätten schreiben können. Auf ihrer dritten Platte, die nach › und ›› dann konsequenterweise ››› betitelt ist (das Symbol › stellt den namensgebenden Schnabel dar), spielen Beak weiterhin sowohl entspannten als auch anspruchsvollen und verdammt eingängigen Krautrock.