„Die CSV hat sich bewegt“: Für Alex Bodry ist die Verfassungsreform „verzögert, aber weiter aktuell“

„Die CSV hat sich bewegt“: Für Alex Bodry ist die Verfassungsreform „verzögert, aber weiter aktuell“

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Seit annähernd 15 Jahren arbeitet das Parlament an der Reform des Luxemburger Grundgesetzes. Konsens herrscht zwar darüber, dass die Verfassung aus dem Jahr 1868 trotz zahlreicher Änderungen, mit denen sie während der letzten 150 Jahre immer wieder angepasst wurde, nicht mehr zeitgemäß ist. Die Tatsache, dass eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit für konstitutionelle Änderungen notwendig ist, zwingt die Initiatoren der Reform allerdings immer wieder zu Kompromissen.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Robert Schneider. 

Bereits vor den letzten Wahlen hatte die zuständige Institutionskommission der „Chamber“ ein Konsenspapier ausgearbeitet. Das Parlament sollte die Bürger im Herbst dieses Jahres im Rahmen einer umfangreichen Informations- und Sensibilisierungskampagne informieren und auf eine Volksbefragung zum Thema vorbereiten. Dann plötzlich legte sich die CSV, die den ausgearbeiteten Text bislang mitgetragen hatte und sogar unter der Präsidentschaft der Kommission ihres Verfassungsspezialisten Paul-Henri Meyers daran beteiligt gewesen war, unerwartet quer.

Während einer Pressekonferenz hatte ihr neuer Präsident Frank Engel plötzlich erklärt, die Partei verlange eine Volksbefragung noch vor den Parlamentsdebatten, ansonsten werde die CSV die notwendige Mehrheit nicht liefern.

Für den aktuellen Präsidenten der Kommission, den LSAP-Fraktionschef Alex Bodry, ein klarer Vertrauensbruch. Dennoch bleibt der Politiker optimistisch, was die Umsetzung der Reformpläne betrifft: „Mittlerweile hat sich die CSV bewegt“, so Bodry, der unterstellt, ohnehin habe Engels Vorstoß nicht die Unterstützung aller christlich-sozialen Parlamentarier gehabt.

Verfassungsfragen in erstem Referendum

Bodry erinnert an die lange Vorgeschichte des Projektes. Neben zahlreichen Kommissionssitzungen wurden ein erstes Referendum mit verfassungsrelevanten Fragen sowie ein Hearing im Parlament durchgeführt, das einige Änderungen am Text bedingte, welcher zudem von der Uni Luxemburg „getestet“ worden war.

Anhand einer Auswahl von Bürgern wurde das Verständnis des Textes untersucht. Schließlich wurde ein breiter partizipativer Prozess gestartet, bei dem die Bevölkerung neue Vorschläge oder Alternativen einbringen konnte, die wiederum zum Teil in das Reformpapier einflossen. Doch irgendwann müssen Entscheidungen fallen, so Bodry, der Juni 2018 als diesen Zeitpunkt bezeichnet.

Kurz vor den Wahlen also herrschte noch Konsens zwischen CSV, LSAP. DP und Grünen über den Text, der unter anderem von der „Commission de Venise“, einer internationalen juristischen Beratungsstelle, untersucht und auch nach dieser Analyse punktuell geändert worden war.

Der Text, der dem Staatsrat vorliegt, sollte also im Herbst im Rahmen einer breit angelegten Kampagne des Parlamentes (nicht etwa der Regierung, die mit ihrem entsprechenden Referendum eher schlechte Erfahrungen machte) dem Volk präsentiert werden.

Der plötzliche Meinungsumschwung der CSV machte diese Absicht nun zunichte. „Ich habe immer gesagt, dass es ohne Einigkeit zwischen den Parteien keine Kampagne geben kann“, sagt Bodry hierzu. Der Kommissionspräsident ist seit dem „CSV-Ultimatum“ aber nicht untätig geblieben, sondierte weiter in der Kommission und im kleineren Kreis und hat mittlerweile das Gefühl, die CSV wolle nicht schuld am Scheitern der Reform sein.
Ohnehin sei er der Meinung gewesen, dass die CSV sich neuerdings nicht nur an der Prozedur störte, sondern auch inhaltliche Probleme gesehen habe.

Problematische Themen vorerst ausgeklammert

Die problematischen Bereiche, also das Wahlrecht und der Mandatskumul, wurden deshalb vorerst wieder ausgeklammert. Man werde sehen, wie sich die Gespräche entwickeln, und diese Themen eventuell wieder in den Text aufnehmen können, ansonsten könnte dies auch später in der Verfassung angepasst werden. Ein Grundgesetz sei ein dynamischer Text, der immer wieder angepasst werde, so Bodry, der sowohl der CSV als auch den anderen Parteien weiter die Möglichkeit einräumte, punktuelle Veränderungen am Text vorzuschlagen: Mehrheitssuche „oblige“ …

Die CSV hat sich also bewegt und ist offensichtlich von der Forderung nach einer konsultativen Volksbefragung zu einigen konkreten Fragen abgerückt.
Die Reform werde nur glücken, so Bodry, wenn nicht wieder parteipolitisches Kalkül mitspielen werde. Nur mit einer guten Vertrauensbasis sei die Verfassungsreform umzusetzen.

Hierzu gehöre auch, dass er neuerdings strittige Punkte nicht öffentlich benennen oder gar kommentieren möchte; dies haben die Parteivertreter in der Kommission untereinander ausgemacht, um das Projekt nicht zu gefährden.

„Weitere Einzelgänge wie jenen der CSV verträgt die Reform nicht“, so der Politiker, der zur Not auch einen Plan B bereit hat. Alle unstrittigen Punkte, immerhin gut 20 an der Zahl, könnten als Änderung der aktuellen Verfassung umgesetzt werden, eine allerdings wenig zufriedenstellende Alternative zu der Reform eines mehr als 150 Jahre alten Textes.
Sollte hingegen – wovon Bodry ausgeht – ein gemeinsamer Text angenommen werden könne, so rechnet er für kommendes Frühjahr mit der vorgesehenen Informationskampagne, Ende 2020 könnte dann eventuell die erste Abstimmung im Parlament über die Bühne gehen und 2021 wäre ein möglicher Termin für das Referendum, mit dem die Reform dann endlich legislative Realität würde.


Die neue Verfassung: Inhaltliches

In den letzten Tagen wurde erneut klar, dass die Trennung der Gewalten schärfer definiert werden muss. Dies ist ein Aspekt der neuen Verfassung, die unter anderem die Aufgaben des Großherzogs und seine Befugnisse näher definieren soll, als dies bislang der Fall ist. Auch die Gelder, die dem Großherzog aus der Staatskasse zu Verfügung gestellt werden, sollen genauer definiert werden. So wird künftig vorgesehen sein, dass nur drei Mitglieder der Familie Recht auf Bezahlung für ihre Dienste für den Staat bekommen: der Großherzog, der Erbgroßherzog und der frühere Großherzog.

Ein Spezialgesetz soll künftig die entsprechenden Summen regeln und so mehr Transparenz in die Gelder für den Hof bringen. Der Aufgabenbereich des Großherzogs sei heute eher ein symbolischer; hierüber habe es allerdings bei der Weigerung von Henri, das Euthanasie-Gesetz zu unterzeichnen, Interpretationsdivergenzen gegeben, so Alex Bodry, der erklärt, in der neuen Verfassung sei der Großherzog als Mitglied der Exekutive, also der Regierung, definiert.
Darüber hinaus werde die Rolle des Premierministers, der in der Verfassung von 1868 überhaupt nicht vorkommt, werde definiert. Mehr Rechte wird er allerdings nicht bekommen: Er bleibt Primus inter pares (Erster unter Gleichen).

Sozialdialog und Recht auf Wohnung

Weitere Aspekte des neuen Grundgesetzes betreffen die Sprachen und insbesondere das Luxemburgische. Auch Neuerungen zum Staatsziel wird es geben; so werden der Sozialdialog, ein Recht auf ein würdiges Leben sowie auf eine Wohnung für die Bürger in die Verfassung eingeschrieben.

Eine sogenannte „clause transversale“ soll definieren, wieweit die unantastbaren Rechte geschützt werden können, eine art „garde-fou“ nach Vorbild der europäischen Menschenrechtserklärung.

Des Weiteren wird den Bürgern ein Initiativrecht für Gesetze zugestanden (insgesamt 12.500 Unterschriften sind hierfür nötig), ein „Conseil national de la justice“ wird geschaffen, die Vertrauensfrage für die Regierung wird eingeführt und näher definiert …

 

en Aarbechter
12. November 2019 - 9.35

Eine kolossale Feststellung! Herrn Bodry entgeht aber auch nichts.

Jugel
5. November 2019 - 16.01

„Die CSV hat sich bewegt“ Da hunn se jo am Beamtemikado verluer.

en ale Sozi
2. November 2019 - 18.11

Hat die LSAP Auch noch eine andere Stimme?

Wester Gust
2. November 2019 - 6.54

Was nützt eine Verfassung, wenn Abgeordnete und Magistraten per aufgeblasenem feierlichen Eid geschworen haben die Verfassung zu achten; dann aber Gesetze erlassen oder anwenden die deutlich die Verfassung missachteten: So das Adoptionsgesetz von 1959 das dem Artikel 89 unserer Verfassung nicht entsprach, (die Begründung aller Urteile) und das Enteignungsgesetz von 1979 das nicht konform zu Artikel 16. Dieses Gesetz sah eine Bezahlung nach den calendes grecques vor, die Verfassung aber eine Bezahlung vor der Aneignung.