Der Präsident und der General

Der Präsident und der General

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der französische Präsident Emmanuel Macron baut den Staat um.

Stetigkeit soll Frankreich in der Zukunft auszeichnen. Zuverlässigkeit des Staates auch. Und: Vertrauen in das gegebene Wort. Alles Begriffe, die bisher den französischen Staat nicht auszeichneten. Um dahin zu kommen, muss Frankreichs Staatspräsident seinem Land beibringen, von Gewohnheiten und Gepflogenheiten Abschied zu nehmen.

„Ich lasse mich nicht noch einmal bescheißen“, sagte General Pierre de Villiers, Oberkommandierender der französischen Streitkräfte. De Villiers, General des Heeres, gilt als Mann klarer Worte. Diese klaren Worte fielen vor dem Verteidigungsausschuss bei der Beratung des Budgets, mithin im Parlament. Dort dürfen klare Worte gesprochen werden ohne dass sie an die Öffentlichkeit dringen.

Zwei Tage vor dem Nationalfeiertag gerieten die Wortes des Oberkommandierenden durch eine Indiskretion an die Öffentlichkeit. Staatspräsident Emmanuel Macron reagierte einen Tag später beim Empfang des Millitärs unmittelbar: „Ich bin Ihr Chef“, sagte er zu den Soldaten. „Ich lasse mir von Ihnen nicht sagen, was ich zu tun habe“! Das war mehr als ein diplomatischer Zwischenfall, das war die öffentliche Zurechtweisung eines Generals und wird seitdem in Frankreich als politischer Skandal betrachtet.

Worum ging es aber wirklich? Staatspräsident Emmanuel Macron hat entschieden, dass – anders als das bei Präsidentenwechseln bisher üblich war – das von Premierminister Valls unter Präsident Hollande erstellte Budget von 1,2 Billionen Euro nicht verändert wird. Allerdings: Der Rechnungshof erwartet Einsparungen von 8,5 Milliarden Euro, Macron hat 4,5 Milliarden als Ziel vorgegeben. Davon entfallen 850 Millionen auf den Verteidigungshaushalt. General de Villiers, dem nachgesagt wird, politisch zu handeln, platzte der Kragen im Verteidigungsausschuss.

„Ich bin der Chef“

Was in der Vergangenheit möglich war, ging nun nicht mehr. Unter Präsident Hollande, als der gesamte Generalstab wegen des Verteidigungshaushaltes drohte, zurückzutreten, knickten Präsident und Verteidigungsminister ein. Macron aber, der nette junge Mann, dem die gestandenen Politiker in Frankreich immer noch keine Kompetenz zugestehen wollen, machte klar, wer das Sagen hat: „Ich bin der Chef“, will sagen, es ist immer noch die Politik. Es sind immer noch die Zivilisten, die den Rahmen für das Handeln der Militärs setzen. Daran war Frankreich in dieser Deutlichkeit in der fünften Republik nicht mehr gewöhnt. General de Villiers zog die Konsequenzen und trat zurück. Seitdem stehen französische Politiker von links bis rechts gegen den Staatspräsidenten, werfen ihm vor, die Armee nicht zu schätzen.

Macron aber führt die Armee in ihren eigentlichen Rahmen zurück. Mit der Ministerin für die Armeen Florence Parly – die nicht mehr den Titel Verteidigungsministerin trägt, ist eine Haushaltsexpertin in das Ministerium eingezogen. Staatspräsident Macron gab die neue Richtung vor: Die Armee kümmert sich um die Strategie, das Ministerium um das Budget der Armee. Unter General de Villiers und seinen Vorgängern hatte der Generalstab sich nach und nach auch die Budgetplanung mit dem entsprechenden Lobbying angeeignet.

Was als Zwischenfall in die Geschichte der Amtszeit Macron eingehen wird, ist in wirklich die Klarstellung einer Politik. Die 850 Millionen waren quer durch alle Ministerien versteckt, weil das Verteidigungsministerium sein Budget wegen der Kriegseinsätze überzogen hatte. Üblicherweise tragen dann alle Ministerien die Budget-Überziehung. Das lässt Macron nicht mehr zu. Er will Klarheit. Die Armeen müssen diese Kosten selber tragen, was im laufenden Jahr zu Einsparungen führen muss. Vom kommenden Jahr an aber erlebt die französische Verteidigungspolitik, was für die Macron Politik typisch ist: Eine langfristige Perspektive bis zum Jahre 2025. Das Budget steigt auf 34,2 Milliarden Euro an und dann auf bis zu 40 Milliarden, um zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erreichen. Das Problem: Frankreich hat eine solche, mittel- und langfristig angelegte Politik nicht gekannt.

Kontinuität schaffen

Die Mittel- und Langfristigkeit, damit stetige Planungsgrundlage und Zuverlässigkeit, die der Staatspräsident anstrebt, zeigt sich auch in anderer Weise. Premierminister Edouard Philippe hat in seiner Regierungserklärung einen Fünf Jahresplan vorgestellt, in dem genau bezeichnet war, wann welche Reform erfolgen sollte. Im kommenden Jahr wird es Steuererleichterungen geben. Im kommenden Jahr wird es Versuche geben, die Einkommenssteuer als Quellensteuer von den Arbeitgebern direkt abführen zu lassen. Sollte es funktionieren, dürfte mit der Einführung 2019 zu rechnen sein. Die Zusammenführung der 37 verschiedenen Rentensysteme zu einem System soll in verschiedenen Arbeitsgruppen angegangen, das Rentensystem soll auf ein Punktesystem umgestellt werden.

Wichtig aber: In Steuerfragen will Macron Kontinuität schaffen. Die im Staatshaushalt festgelegten Steuersätze sollen gelten und nicht alle sechs Monate angepasst werden. Macron muss diesen Weg gehen, will er doch die Steuersätze für die Unternehmen von 33,3 Prozent auf 25 Prozent senken und sich darauf mit Deutschland einigen. Das heißt: strikte Haushaltsdisziplin in einer mittel- und langfristigen Planung. Daran ist Frankreich nun gar nicht gewöhnt. Das Vertrauen in französische Regierungen zu dieser über einen längeren Zeitraum geplanten Politik fehlt. Nicht gewöhnt ist Frankreich auch daran, dass Macron davon ausgeht; dass die Regierung fünf Jahre im Amt bleibt, Voraussetzung für eine mittelfristige Planung.

Mittel- und langfristige Planung ist ein Problem vor allem für die politischen Kommentatoren. Sie kennen das nicht, sie glauben aus der Erfahrung der Vergangenheit nicht daran. Macron muss außerdem mit der Leidenschaft der Presse für das Aufblasen von Themen leben. Die Spannungen zwischen dem General und dem Präsidenten beschäftigen Frankreichs Medien seit einer Woche und lassen den Eindruck aufkommen, dass Frankreichs Sicherheit nach dem Rücktritt von General de Villiers nun ernsthaft bedroht ist.

Am Donnerstag war Emmanuel Macron zu Gast auf der Luftwaffenbasis 125 in Istres. Es ist die wichtigste in Frankreich. Hier lagern die Atomsprengköpfe, deren Einsatz nur Macron befehlen kann. Der Staatspräsident lernte hier, was seine Soldaten erzürnt: Veraltete Transportflugzeuge oder auch Hubschrauber, die nicht einsatzfähig sind, Truppentransporter, die überholt und unsicher sind, gepanzerte Fahrzeuge die dem aktuellen Standard nicht mehr entsprechen. An der Seite des Präsidenten: Die Ministerin für die Armeen, die das Militärbudget verwaltet und lernt, wo der Schuh drückt. Und: Francois Lecointre, General der Marine Infanterie und neuer Oberkommandierender der französischen Streitkräfte, dessen Aufgabe darin besteht, bis Oktober ein strategische Konzept zu entwickeln.

► Lesen Sie auch:

Macrons höchster General tritt zurück

HHoffmann
22. Juli 2017 - 11.39

Kürzungen beim Kriegshaushalt wären immer gut. Doch das paßt nicht zu einer Steigerung auf 2% des BIPs. Welcher Anteil vom Staatshaushalt ist das? 25-30%? Für die Kosten ist allerdings die Politik mitverantwortlich. Diese könnte die Kriege in Mali, Niger usw beenden. btw Diese Hutschachteln auf dem Kopf haben mir noch nie gefallen ;)

H.Horst
22. Juli 2017 - 10.58

Nom Putsch vun der OAS hun déi franséisch Militairs näischt méi ze soën. Dat Franséischt Militair heescht nët ëmsoss "La Grande Muette".

Jean-pierre goelff
22. Juli 2017 - 9.17

Macron und seine Gefolgsleute haben noch sehr viel zu lernen,wenn nicht alles!

Rosch
21. Juli 2017 - 13.49

Fast wie Louis de Funes...................