Bitterer Sieg für Sozialisten: Auch Neuwahl bringt keine klare Mehrheit in Spanien

Bitterer Sieg für Sozialisten: Auch Neuwahl bringt keine klare Mehrheit in Spanien
Pedro Sánchez, spanischer Premierminister und Parteivorsitzender der sozialistischen Partei, applaudiert nach den Parlamentswahlen vor dem Parteizentrum. (Foto: Bernat Armangue/AP/dpa)

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Ein Sieg, aber wieder keine klare Mehrheit: Auch die Neuwahl am 10.11. brachte Spaniens bisherigem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez nicht den erhofften Durchbruch. Er lag zwar vor seinem Rivalen, dem konservativen Oppositionsführer Pablo Casado. Doch reichte dieses Resultat nicht, um eine stabile Regierung bilden zu können. Damit droht die politische Hängepartie, die Spanien bereits seit Monaten lähmt, weiterzugehen.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze, Madrid

Es war ein bitterer Sieg für die Sozialisten. Entsprechend gab es am Sonntagabend in der Madrider Zentrale lange Gesichter, denn die Partei hat mit dieser Wahlwiederholung ihre Position nicht verbessern können. Eher im Gegenteil: Sie verlor wenigstens drei Abgeordnete und blieb mit 28,1 Prozent leicht unter dem Ergebnis von April 2019; damals holten die Sozialisten 28,7 Prozent. Die Feier im Sozialisten-Hauptquartier fiel deswegen aus.

Der 47-jährige Sánchez, der seit April nur noch geschäftsführend im Amt ist, muss sich also wieder links oder auch rechts seiner sozialdemokratisch ausgerichteten Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) Unterstützung suchen. Er braucht im Parlament eine Mehrheit, die eine Minderheits- oder eine Koalitionsregierung absegnen muss. Einen entsprechenden parlamentarischen Pakt hatte er bereits nach den Wahlen im April angestrebt – aber ohne Erfolg. Deswegen musste nun die Parlamentswahl wiederholt werden.

Rechtspopulisten auf Platz drei

Zum heimlichen Gewinner der Wahl wurde die rechtspopulistische Partei Vox, die vor dem Madrider Parteisitz von Tausenden Anhängern bejubelt wurde. Die europa- und fremdenfeindlichen Rechtspopulisten stiegen zur drittstärksten Kraft im spanischen Parlament auf. Vox konnte die Zahl der Parlamentssitze von bisher 24 auf 52 steigern. Dies entspricht 15,1 Prozent der Stimmen (April 2019: 10,3). Die Rechtsaußenpartei plädiert für ein hartes Durchgreifen im Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien und will die katalanischen Separatistenparteien verbieten lassen. Marine Le Pen, Vorsitzende der französischen Schwesterpartei „Rassemblement national“, gratulierte noch in der Nacht den spanischen Rechtspopulisten zum „blitzartigen Aufstieg“.

Im linken Spektrum herrschte derweil Katerstimmung: Die Partei Podemos (Wir können), potenzieller Bündnispartner der Sozialisten, erlitt leichte Einbußen und landete bei 12,8 Prozent (April 2019: 14,3). Hinzu kommt im linken Spektrum die kleine Podemos-Abspaltung Más País (Mehr Land), die ebenfalls mit den Sozialisten kooperieren will und mit wenigstens zwei Abgeordneten erstmals ins Parlament einzog.

Ende der politischen Lähmung nicht in Sicht

Den progressiven Parteien steht ein nahezu gleich starkes konservatives Dreierbündnis gegenüber, das von der konservativen Volkspartei (PP) angeführt wird. Die PP steigerte sich auf 20,8 Prozent. Damit könnte sich die Volkspartei unter ihrem jungen Vorsitzenden, dem 38-jährigen Pablo Casado, wieder etwas erholen. Im April 2019 hatte die PP mit 16,7 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren.

PP, die rechtspopulistische Vox und die bürgerlich-liberale Partei Ciudadanos (Bürger) sind im Prinzip bereit, gemeinsam zu regieren – so wie sie es bereits in drei spanischen Regionen machen. Allerdings kommen sie zusammengerechnet ebenfalls nicht auf eine ausreichende Mehrheit im nationalen Parlament. PP und Vox erstarkten zwar, aber Ciudadanos stürzte auf 6,8 Prozent (April 2019: 15,9).

Katalonienkrise und Separatisten

Das Zünglein an der Waage in der sich abzeichnenden Pattsituation im neuen spanischen Parlament werden erneut die katalanischen Separatisten sein. Sie wollen sich aber teuer verkaufen. Sie würden zweifellos eher eine sozialistische als eine konservative Regierung unterstützen, fordern aber Zugeständnisse auf dem Weg zur katalanischen Unabhängigkeit.

Die Wahlbeteiligung lag mit 69,9 Prozent geringfügig unter jener der vergangenen Wahl im April, als 71,8 Prozent der Berechtigten abstimmten. Soziologen hatten davor gewarnt, dass mit der Wahlwiederholung die Zahl der Stimmverweigerer wachsen könnte.

Es war die vierte Parlamentswahl in den letzten vier Jahren. Seit Ende 2015 wird Spanien von wackeligen Minderheitskabinetten regiert. Bis Mai 2018 war die Volkspartei am Ruder. Dann kam per Misstrauensvotum der Sozialist Sánchez an die Macht.

Sánchez für mäßigenden Kurs 

Der Wahlkampf war völlig von der Katalonienkrise bestimmt worden. Sozialisten und Konservative warfen sich gegenseitig vor, bei der Lösung des Unabhängigkeitskonflikts versagt zu haben. Die Debatte um die Zukunft Kataloniens war durch die Verurteilung von mehreren Separatistenführern zu hohen Gefängnisstrafen angefacht worden. Daraufhin kam es zu Massenprotesten in Barcelona, die von schweren Krawallen überschattet worden waren.

Sánchez tritt in Sachen Katalonien für einen mäßigenden Kurs ein und will den Konflikt mit dem Angebot einer größeren regionalen Selbstverwaltung lösen. Der konservative Oppositionschef Casado lehnt derweil jegliche Gespräche mit der katalanischen Separatistenführung ab.

http://www.tageblatt.lu/headlines/kopf-des-tages-spaniens-regierungschef-pedro-sanchez-ist-ein-meister-des-comebacks/