Bürgerinitiative sammelt Schlafsäcke: Bis zu 200 Menschen in Luxemburg leben dauerhaft auf der Straße

Bürgerinitiative sammelt Schlafsäcke: Bis zu 200 Menschen in Luxemburg leben  dauerhaft auf der Straße
Während seines Jobs bei der „Wanteraktioun“ kam Jean Krier mit der Problematik der Obdachlosigkeit in Berührung

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Seit Wohnen zur Handelsware geworden ist, gibt es das Problem der Obdachlosigkeit. Selbst in einem der reichsten Länder Europas müssen Menschen draußen schlafen. Damit vor allem im Herbst und Frühjahr niemand erfriert, sammelt eine Bürgerinitiative Schlafsäcke für die Obdachlosen in der Hauptstadt.

Verlässliche Zahlen oder Studien gibt es nicht, doch Schätzungen von Sozialverbänden zufolge leben in Luxemburg 1.500 bis 2.000 Menschen in einer prekären Wohnsituation. 150 bis 200 Menschen leben dauerhaft auf der Straße. Trotz sinkender Arbeitslosenquote steigt das Armutsrisiko, wie aus einem kürzlich veröffentlichten Statec-Bericht hervorgeht. Das liegt auch daran, dass immer mehr Beschäftigte auf der Grundlage von Teilzeit- oder Leiharbeitsverträgen angestellt sind, wodurch ihr Einkommen nicht langfristig abgesichert ist. Auch Beschäftigte aus dem Niedriglohnsektor sind dem Armutsrisiko ausgesetzt.

Wegen der hohen Immobilienpreise und dem Mangel an Sozialwohnungen können sich viele Menschen keine Unterkunft mehr leisten und landen im schlimmsten Fall auf der Straße. Das Übernachten im Freien ist besonders im Winter hart und kann bei Temperaturen um den Gefrierpunkt lebensbedrohlich werden.

Wohin nach dem Ende der Winteraktion?

Seit 17 Jahren gibt es dafür in Luxemburg die „Wanteraktioun“, die seit 2012 vom Familienministerium koordiniert wird und 200 Betten in einer Notunterkunft auf Findel bereitstellt. Die Zahl der Besucher steigt kontinuierlich. Bislang läuft die Winteraktion aber lediglich vom 1. Dezember bis 31. März. In der Nähe des „Centre de rétention“ wird zurzeit ein neues Gebäude errichtet, das auch außerhalb dieses Zeitraums Menschen aufnehmen können soll. Über die definitive Nutzung dieses Hauses hat die Regierung aber noch nicht entschieden. Mit der Fertigstellung dieses Baus ist frühestens in einem Jahr zu rechnen.

Bis dahin stehen den Obdachlosen zwischen dem 1. April und dem 31. November keine Notunterkünfte für die Übernachtung zur Verfügung (außer den sehr begrenzten Schlafplätzen im „Foyer Ulysse“ und im Escher Abrisud). Besonders in den beiden Monaten vor und nach der Winteraktion ist es nachts häufig noch zu kalt, um draußen zu schlafen. Zudem wollen oder können manche Menschen aus unterschiedlichsten Gründen nicht in den Räumen der Winteraktion übernachten.

Schon während seines Studiums der Sozialwissenschaften, Politik und Philosophie in Leipzig hatte Jean Krier sich mit sozialer Unsicherheit beschäftigt. Sein erster Job bei der „Wanteraktioun“ war für ihn aber ein einschneidendes Erlebnis: „Dort lernt man noch einmal eine ganz andere Dimension kennen. Und zwar die, dass es mitten im Bankenplatz Luxemburg Menschen gibt, die offensichtlich abends kein Bett zum Schlafen haben. Außer wenn Winteraktion ist. Doch es gibt auch eine Zeit nach der Winteraktion“, erzählt der 31-Jährige.

Damit Obdachlose auch außerhalb der Winteraktion nicht frieren müssen, hat er mit fünf anderen die Initiative „200 Schlofsäck fir de Wanter“ gegründet. Die meisten von ihnen sind Sozialarbeiter, die sich ehrenamtlich engagieren. Ihr Ziel ist es, wie der Name schon sagt, mindestens 200 Schlafsäcke zu sammeln.

Jeder kann sich beteiligen. Entweder durch eine Sach- oder eine Geldspende. Der Einkaufspreis für einen Schlafsack liegt bei 45 Euro. Die Initiative holt die Schlafsäcke gerne zu Hause ab. Alternativ kann man sie bei „Nei Aarbecht“ in Helmdingen oder im Friseursalon Angie in Wiltz abgeben. Die Schlafsäcke werden dann zum „Premier Appel“ von „Inter-Actions“ nach Bonneweg gebracht und über den „Service Streetwork“ der Stadt Luxemburg verteilt. Die Verteilung erfolgt aufgrund einer Namensliste, damit sichergestellt werden kann, dass die Spenden bei denen ankommen, die sie benötigen.

Im vergangenen Jahr hat die Initiative erstmals aktives „Campaigning“ über Facebook betrieben. 220 Schlafsäcke kamen 2017 zusammen. In diesem Jahr wurde die Kampagne noch verbessert. Auch eine Schulklasse hilft jetzt mit. Eine Postkartenaktion der Designerin Joëlle Linden soll dazu führen, dass mehr über Armut und Obdachlosigkeit geredet wird. Das Set von vier Karten kostet 6 Euro und sei im „passiv-aggressiven“ Stil gehalten, erklärt Jean Krier: „Während wir uns darüber aufregen, dass wir Weihnachten feiern müssen, gibt es Menschen, die ganz andere Probleme haben.“ Mit zehn verkauften Sets wird ein Schlafsack finanziert. Erwerben kann man die Sets im „Venga“ in Roeser oder im „Akabo-Buttek“, im Bioladen „Mullebutz“ und im Restaurant „Flowers Kitchen“ in der Hauptstadt.
In den vergangenen Wochen hat die Initiative schon Geld für über 50 Schlafsäcke gesammelt. 100 Stück hatten die Mitglieder mit ihrem eigenen Geld vorfinanziert. Diese werden jetzt mit Fundraising abbezahlt. Danach werden 100 weitere bestellt.


Auch in Esch

Auch in Esch/Alzette, der zweitgrößten Stadt des Landes, hat die Sozialschöffin Mandy Ragni einen Spendenaufruf für Schlafsäcke über Facebook gestartet. Da der Aufbau des „Service Streetwork“ in Esch noch auf sich warten lässt, engagiere sie sich persönlich dafür, dass die Obdachlosen im Winter nicht erfrieren, sagte Ragni gestern auf Nachfrage. Die Notunterkunft „Abrisud“, die über 18 Schlafplätze verfügt, soll im Winter noch vier zusätzliche Feldbetten bekommen. Bei den Verhandlungen zum Neubau des „Abrisud“ stehe man kurz vor dem Durchbruch, so Ragni. Bis Ende des Jahres könnte ein Abkommen stehen.

roger wohlfart
8. November 2018 - 19.28

Eine Schande für Luxemburg und unsere Hauptstadt. Dass in diesem Fall, nicht die Gemeinde hilft, sondern eine Bürgerinitiative aktiv wird und eingreift, ist ein Armutszeugnis erster Güte für die gesamte Politik. Laird Glenmore trifft den Nagel auf den Kopf! Die Politiker sollten sich sowas von schämen! Aber heutzutage ist Scham anscheinend, auf allen Gebieten, ein unbekannter Begriff, genau wie Mitgefühl. Wir leben in einer herzlosen Gesellschaft in der Geld, Erfolg und Macht scheinbar die einzigen Werte darstellen. Umso grösser der Wohlstand, umso ausgeprägter der Egoismus und die Habgier!

Laird Glenmore
8. November 2018 - 8.39

vollkommen Richtig ein Armutszeugnis, aber es ist ja besser von Seiten der Politik National wie Kommunal Steuergelder für Sachen aus zugeben die kein Mensch braucht, in Esch/Lallange wollte man ein Sportmuseum bauen, jetzt ist der neue Bürgermeister auch noch in der Chambre des Députés, man regt sich über den Vandalismus auf aber die kaputten Lampen werden immer noch nicht ersetzt und das sogar direkt Gemeindehaus vom Dreck und anderen Unrat wollen wir gar nicht Reden dazu reicht der Platz hier nicht. Leer stehende Häuser werden zum Spekulationsobjekt statt sie zu renovieren und dann zu adäquaten Preisen zu vermieten dann bräuchten unsere Landsleute nicht ins benachbarte Ausland ziehen weil sie hier die Mieten nicht zahlen können, wie schon oben erwähnt EIN ARMUTSZEUGNIS ERSTER KLASSE.

n der Parad
7. November 2018 - 18.41

Ein Armutszeugnis erster Klasse für Luxemburg!