„Es ist Zeit zu handeln“: Ein Hügel aus Schutt, Hausmüll und radioaktivem Abfall wird zum Problem

„Es ist Zeit zu handeln“: Ein Hügel aus Schutt, Hausmüll und radioaktivem Abfall wird zum Problem

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Der Hügel, der sich zwischen der Gemeinde Monnerich und dem Gewerbegebiet „um Monkeler“ auftürmt, hat seine Unschuld längst verloren. Grün und mit vielen Büschen bewachsen sieht er aus wie andere natürliche Erhebungen auch. Der einzige Unterschied: Jahrzehntelang abgelagerter Bauschutt, Hausmüll und kontaminierte Erde schrauben sich hier in die Höhe und kommen schon mal ins Rutschen. Die Gemeinde will eine Lösung.

Erdrutsche, Probleme bei der Wasserqualität und provisorische Notlösungen: Wenn der Monnericher Bürgermeister Jeannot Fürpass (CSV) über den 23 Hektar großen „Crassier“ spricht, benutzt er gerne ein Bild. „Das ist ein Geschwür“, sagt er. „Darüber wird man noch in 100 Jahren sprechen und es muss ständig beobachtet werden.“ Mehr als 100 Jahre lang hat es auch gedauert, bis der „Crassier“ – oder „Tipp“, wie der Berg im Volksmund genannt wird – zu dem geworden ist, was er heute ist. Topografische Karten von 1778, die die Gemeinde archiviert hat, zeigen ein flaches Gebiet mit Bächen und kleinen Weihern.

Erst 1907 ist auf ebendiesen Karten von „Crassier“ die Rede, 1939 ist das Gebiet sogar als solches eingezeichnet. Die Schlacke der umliegenden Hochöfen musste irgendwohin, das brachliegende Gelände bot sich an. Bis 1979 ist der „Plateweier“ noch eingezeichnet. Spätestens ab 1994 lagert der Besitzer des Geländes, damals die Arbed, dort Schlacke ab. In dem Jahr gibt das damalige „ministère du Travail et de l’Emploi“ das Gelände dafür frei.

Ein „hohler Zahn“

Das entsprechende Dokument liegt der Tageblatt-Redaktion vor. Später gesellen sich auch giftige Schlämme und sonstiger Abfall dazu. Sogar radioaktiver Abfall findet sich darunter. Eine Studie deutscher Experten, die im Juli 2018 abgeschlossen wurde, bestätigt das. Für jüngere Generationen gehört der grüne Hügel zum Bild der Gemeinde. „Wenn man so alt ist wie ich, kennt man das Gelände gar nicht anders“, sagt Estelle Rotondano. Die 29-jährige Geografin ist in der Gemeinde Monnerich für Umweltschutz zuständig.

Ein paar Jahre lang erlebt der „Berg“ auch umgekehrte Bewegungen. Die eingelagerte Schlacke wird abgebaut und im Straßenbau und bei der Eisenbahn eingesetzt. „Das war wie bei einem Zahn“, sagt Bürgermeister Fürpass. „Das Gelände wurde innen ausgehöhlt.“ Die Wände des Berges blieben stehen. In einem Land, wo Gelände knapp ist und viel gebaut wird und wurde, lag danach eine Nutzung des „hohlen“ Zahns als Bauschuttdeponie nahe. Sieben Jahre dauert es, bis das Gelände schließlich so genutzt wurde. Gemeinde und der damalige LSAP-Umweltminister Lucien Lux erteilten die Genehmigungen dafür, dass ab 2007 eine Firma Bauschutt dort einlagern durfte – zum Leidwesen der Anwohner.

Der Kiemelbach 2019: Die Verschmutzungen sind deutlich zu erkennen

„Die Lkw standen manchmal kilometerweit auf der Straße an, um abzuladen“, sagt Fürpass. In die Gemeindekasse flossen 50 Cent pro Tonne Bauschutt, bis das Gelände nach einem regenreichen Winter im März 2014 ins Rutschen kam und den CR106, die Verbindung zwischen Esch und Monnerich unpassierbar machte. Im August desselben Jahres untersuchten Experten der „Division de la radioprotection“ des Gesundheitsministeriums das Gelände und stellten „keine Anomalien“ bei ihren Messungen fest. Das Ergebnis ist auf der Seite des Ministeriums veröffentlicht.

Es dauert mehr als drei Jahre, bis die Straße im Oktober 2017 wieder eröffnet werden kann. Kostenpunkt: 2,5 Millionen, die der Staat trägt. Abgelagert oder abgebaut wird seitdem nichts mehr. Fürpass schätzt, dass zum Zeitpunkt des Rutsches die Lagerkapazität, die in den offiziellen Genehmigungen mit 6,5 Millionen Kubikmeter beziffert ist, fast erreicht war. Passieren tut dort aber nichts in Richtung einer endgültigen Lösung des „Problems“. Schon die Kommodo-Genehmigung zur Ablagerung des Bauschutts von 2007 enthält laut Gemeinde die Verpflichtung, das Gelände mit einer zwei Meter dicken Lehmschicht abzudecken. Das soll verhindern, dass das Regenwasser weiterhin von oben eindringt und giftige Ablagerungen transportiert oder das Gelände rutscht wie zuletzt wieder im Januar 2018.

Neue Gemeindeateliers

Neben dem „Crassier“ in Höhe der Cité Edward Steichen entstehen ab Herbst die neuen Ateliers des „Service technique“ der Gemeinde für rund 18 Millionen Euro. Auf rund 5.000 Quadratmetern sind Büros, Werkstätten, Fahrzeughallen und Lager für 42 Beschäftigte untergebracht. Der Bau soll 2021 fertiggestellt sein.

Den umliegenden Bächen ist die Nachbarschaft zum „Crassier“ anzusehen. „Praktisch tot“, sagt Fürpass über die Wasserqualität und Umweltbeauftragte Rotondano zeigt ein von ihr jüngst aufgenommenes Foto des Kiemelbaches, das nicht gerade einladend ist. Das ist umso frustrierender, weil die Gemeinde bereit ist, in Renaturierungsprojekte zu investieren. „Das betrifft auch die Alzette, sagt Rotondano. „Die Bäche münden irgendwann hinein.“ Allein für den „Kazebaach“ gibt es einen Kostenvoranschlag von 109.000 Euro. Die Sanierung von Mess und „Kiemelbaach“ stehen ebenfalls auf der Agenda. Einen „Deckel“ für das Gelände gibt es bis heute nicht.

„Es ist Zeit zu handeln“

Über die Gründe des Rutsches wurde viel spekuliert. Untersuchungen belegen, dass durch den Regen des vorherigen Winters der Grundwasserspiegel angestiegen war. Das Wasser gelangte deshalb in eine Schicht des „Crassier“, die dem Gips ähnliche Fähigkeiten hat. Gips reagiert bei Nässe wie ein Schwamm, der Druck des darüberliegenden Geländes tat das Übrige. Das Gelände gab dem Druck nach und brach ab. Seitdem verhindert zwar
ein Entwässerungsgraben der Straßenbauverwaltung das Schlimmste, bleibt aber eine Notlösung. Vor dem Hintergrund zunehmender Starkregentage im Zuge des Klimawandels sagt Fürpass: „Es ist Zeit zu handeln.“ Nur eine Tiefendrainage in vier bis fünf Metern Tiefe würde helfen, das Wasser Richtung Foetz abzuleiten, und das Gelände stabilisieren. Die Drainage bedingt ein Auffangbecken in Foetz.

Karte von 1964 mit Feuchtgebiet

 

Karte bzw. Luftaufnahme von 2017: Im roten Bereich sind giftige Ablagerungen festgestellt worden

Seit seinem Amtsantritt im Herbst 2017 bemüht sich der Bürgermeister um eine Lösung des, wie er betont, „komplexen Dossiers“. Dann wird der Berg wieder Bewegungen erleben. „Da müssen alle Beteiligten ihren Teil beitragen“, sagt er. Das sind die Gemeinde Monnerich, Geländebesitzer ArcelorMittal, der Bauschuttentsorger Cloos und der Staat. Am 16. Januar 2019 war es dann so weit. Nach einem 12-stündigen Verhandlungsmarathon gibt es einen „Accord“, in dem sich alle zu einem Maßnahmenpaket für den „Crassier“ verpflichten. Das Paket beinhaltet die Tiefendrainage, das Auffangbecken in Foetz, die „Deckelung“ des Gebietes mit einer Lehmschicht und eine Dauermessstelle für die Wasserqualität der umliegenden Bäche. Die Kosten dafür bewegen sich im „unteren zweistelligen“ Millionenbereich, wie der Bürgermeister es ausdrückt. Festlegen will er sich nicht, noch sind nicht alle Kosten zusammen und es sollen noch Bohrungen gemacht werden. 1,25 Millionen Tonne Erde müssen nach Gemeindeangaben dann erneut bewegt werden. Lkw-Warteschlangen wie zu Zeiten der Einlagerungen soll es aber nicht mehr geben. „200 Lkws täglich werden es sein, das bedeutet 10-15 Lkws pro Stunde“, sagt Fürpass.

Die Zukunft: Solarpark

Danach soll der“Crassier“ einer anderen Zukunft entgegengehen. In dem Anfang dieses Jahres vereinbarten Maßnahmenpaket will die Gemeinde ein 25- bis 30-jähriges Nutzungsrecht festschreiben lassen, um auf 8 bis 10 der 23 ehemaligen „Crassier“-Hektar einen Solarpark zu errichten. „Damit kann die ganze Gemeinde mit Strom versorgt werden“, sagt Fürpass.

Das Das ist eine Ferraris-Karte von 1778, das Gelände ist damals flach und grün.
Die Stelle, an der später abgelagert wird, ist nachträglich eingezeichnet.

Genehmigt und unterschrieben ist knapp neun Monate später allerdings nichts. Im September soll es ein erneutes Treffen geben. Alle außer den Ministerien haben zugesagt. „Wir wollen das Beste daraus machen“, sagt der Bürgermeister, dessen Geduldsfaden noch hält. Wenn er etwas vermeiden will, dann einen Gerichtsprozess. „Dann sind wir für zehn Jahre blockiert“, sagt er, „daran ist niemandem gelegen.“

de Prolet
30. August 2019 - 19.38

Dat nennt een, den Dreck ënnert den Teppech kieren, oder?!

spëtzbouf
29. August 2019 - 16.08

Eng Goldgrouf fir " Bares für Rares " oder ëmgedréit! :)

jeff
29. August 2019 - 12.53

do laien nach aal "Uelzechtgold" Be'er-Fläschen dran.Eng Goldgrouf fir Sammler.

Pierre Schmit
29. August 2019 - 6.54

Genau esou wei op villen anneren Platzen am Minett och.

minikeks
28. August 2019 - 20.09

Beem planzen…. an den Dreck an d'gëfteg Substanzen bleiwen am Buedem, oder wéi ?

Jang
28. August 2019 - 18.01

Déi rieseg Kéip Wouren an den Geschäfter missten och nëtt sinn,dann wär och manner Dreck wann den Konsument och méi bewosst giff kaafen, all Duerf huet geschwënn sei Supermarché,alles iwerdriwen,nëmmen den Leit d'Geld aus der Tesch huelen,do könnt och mol ferm gebremst ginn. Fréiher wor daat nëtt,ëtt ass ower keen erhingert.

Nomi
28. August 2019 - 16.51

Ennert dem Bauschutt, ass een Hiwel vun engem Monolith vun Heichuewenschlaack. Dei' Heichuwenschlaack leist keen Wasser durch, an dat Wasser get eng Gleitschicht fir den Bauschutt ! Eng Rendfei'echkeet fir Bauschutt iwert een Schlaackentipp ze tippen !

Erny
28. August 2019 - 12.32

D'ganz Land as voll mat aalen Deponie. Ech hun schons méi wéi eng Kéier Autostécker aus de 50er-70er aus dem Buedem lusse gesinn.

Pierre Schmit
28. August 2019 - 12.14

Einfach Beem mat deiwen Wurzelen drop plantzen, dann rutscht et och net mei.

Nomi
28. August 2019 - 11.47

Mir brauchen fir den Norden (Nordstaadt) eng nei Sidor ! Dann kennen och si aal Hausmuelldeponi'en lues an lues sanei'ert ginn !

de Schmatt
28. August 2019 - 10.33

Letzte Frage, lieber @Jacques Zeyen, stelle ich mir jedesmal! Ausserdem, auch gebildete, intelligente Menschen sind Konsumenten. Das eine schliesst das andere nicht aus. Es gibt durchaus Intelligente, die den Verstand beim Einkaufen ausgeschalten.

Jacques Zeyen
28. August 2019 - 9.56

"Was braucht die Konsumgesellschaft? Braucht sie gebildete,intelligente Menschen? Nein. Sie braucht Konsumenten! Und da kann ein gebührendes Maß an Dummheit doch nur förderlich sein." (Lothar Dombrowski alias G.Schramm) Kaufen wir nur was wir brauchen? Nein. Wir konsumieren Sachen von denen wir gar nichts wussten als wir zuhause abgefahren sind. Haben sie sich nicht schon einmal im Supermarkt gefragt: "Wer kauft all diesen Schrott?" Nein?

Laird Glenmore
28. August 2019 - 9.46

Abbauen, Reinigen bzw. Dekontaminieren lassen und wieder als Auffüllmaterial benutzen, dafür ist aber nicht die Gemeinde Monnerich zuständig, die haben nur das Grundstück für kleines Geld zur Verfügung gestellt, sondern der Betreiber der Deponie ich denke das es die Firma Cloos ist, die haben ja genug bei der vorherigen Entsorgung verdient dann können sie jetzt auch einen Beitrag für die Umwelt leisten.

de Schmatt
28. August 2019 - 8.21

Das ist eine echte Herausforderung und ein gewaltiges Problem: der Müll. Wohin mit dem Abfall unserer Konsumgesellschaft und der Industrie? Eine z.t giftige Schutthalde wie in Monnerich kann doch nicht die Lösung sein. Hier muss schleunigst gehandelt werden. Mit einem Appell an die Vernunft der Menschen, Konsumenten wie Produzenten, ist es nicht getan. Es besteht dringen Handlungsbedarf!