„Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ – die ANEIL wird 60

„Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ – die ANEIL wird 60

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Als Ingenieur muss man sich in Luxemburg keine Gedanken machen. Zumindest nicht, was die Jobsuche betrifft. Das bestätigt der Präsident der „Association nationale des étudiants ingénieurs luxembourgeois“ (ANEIL), Michel Reisch. Studenten mit einem Abschluss in diesem Fachbereich werden händeringend gesucht.

Michel Reisch (28) hatte seinen Job schon, als die Masterarbeit im Fach Maschinenbau noch nicht trocken, gebunden und vor allem abgegeben war. Bei einer Betriebsbesichtigung, die die Studentenvereinigung seiner Fachrichtung, die ANEIL, organisiert hat, lernte er seinen späteren Arbeitgeber kennen. Die offizielle Bewerbung war anschließend nur noch Formsache. Der Arbeitsbeginn ist frisch. Seit zwei Wochen erst arbeitet er im Auftrag eines luxemburgischen Busunternehmens an Konzepten zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren. „Innovative Mobilitätslösungen“ nennt er das.

Ob er Ingenieur wird, steht nicht von vornherein fest. Aber wie er seine Entscheidung trifft, die Berufswahl anzugehen, zeichnet ihn als einen aus. „Logisch, systematisch und strukturiert“ sind die Eigenschaften, die er sich und seiner Zunft attestiert. Nach logischen Kriterien beerdigt er auch seinen ursprünglichen Berufswunsch: Pilot. Er macht just während der Finanzkrise Abitur, Piloten haben zu der Zeit schlechte bis gar keine Einstellungschancen. Systematisch verfolgt er dann die Alternative, ein Studium des Ingenieurwesens an einer Bildungsstätte mit gutem Ruf. Seine Wahl fällt auf die renommierte Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) in Aachen.

Strukturiert geht er danach seinen Überzeugungen nach. „Ich wollte nach dem Studium immer nach Luxemburg zurück“, sagt er, „und ich wollte etwas tun, von dem ich später sagen kann: Daran habe ich mitgearbeitet.“ Das tut er jetzt mit einer konzeptionellen Tätigkeit auf einem über alle Maßen „hippen“ Feld. „Die Elektromobilität ist gerade im Kommen und es ist sehr spannend, von Anfang an dabei zu sein“, sagt er.

„Tüftler“, Banker oder doch Ingenieur?

Dem Bild des „Tüftlers“ entspricht er nicht. Das 1,93 Meter große Ex-Mitglied des Basketkaders Mamer ginge in seinem Anzug auch leicht als Banker durch. „Das ist in meinem Job so“, meint Reisch mit einem Lachen. Er ist Assistent des Vorstandes. Seinen Hang zur Tüftelei lebt er in der Freizeit aus. Die Inspiration dafür rührt von zu Hause. Der Vater ist gelernter Elektriker. „Wenn bei uns zu Hause etwas kaputt ging, wurde es repariert, heute schmeißt man es weg“, sagt er. Er selbst hegt und pflegt einen Oldtimer.

Seine Vespa, Modell „50 Spezial“, ist Baujahr 1980. Auch die Liebe zur Luftfahrt ist geblieben. „Den Schein zum Privatpiloten würde ich schon irgendwann gerne noch machen“, sagt er. Jetzt stehen in seinem Leben aber erst mal Beruf und ehrenamtliches Engagement an vorderster Stelle. Reisch ist Präsident der ANEIL, der Studentenvereinigung für die Ingenieure. Er selbst verdankt der Mitgliedschaft viel. „Das Ingenieurstudium an Universitäten ist oft sehr theoretisch und trocken“, sagt er, „da hat mir die ANEIL geholfen, dabeizubleiben.“

Luxemburgische Ingenieure sehr gesucht

Über das Jahr hinweg organisiert die Studentenvereinigung, die alle luxemburgischen Ingenieurstudenten vertritt, unabhängig davon, wo sie studieren, Betriebsbesichtigungen. „Da sieht man, was als Ingenieur möglich ist, und ist wieder motiviert“, sagt Reisch. „Diese Besichtigungen sind sehr wichtig, um die Studenten bei der Stange zu halten.“ Nicht nur er hat Durchhänger. Die Abbrecherquoten sind nicht zu vernachlässigen – auch wenn offizielle Zahlen für Luxemburg fehlen. Eine Tageblatt-Anfrage bei der Uni.lu bestätigt das.

Ein weiterer fester Punkt auf der Agenda der Studentenvereinigung: die alljährliche „table ronde“ am Karfreitag. Dann begegnen sich Unternehmen und Studenten im direkten Gespräch. Reisch findet bei dieser Gelegenheit sein viermonatiges Praktikum bei Goodyear und arbeitet in der Abteilung, die die zwei Meter großen Reifen für Baumaschinen entwickelt, mit.

So schwer das Studium ist, so leicht ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt. „Luxemburgische Absolventen sind gesucht, weil sie vier Sprachen sprechen“, sagt Reisch. Die Lage auf dem heimischen Arbeitsmarkt spielt dem zusätzlich in die Hand. Ingenieure sind gefragt. „Momentan genießen die Studenten fast die freie Wahl, wo sie anschließend arbeiten wollen“, sagt Reisch. Vielleicht liegt das an ihrem Ruf. Ingenieuren wird nachgesagt, dass sie so lange eine Lösung für ein Problem suchen, bis eine gefunden ist. Frei nach dem Motto: „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ – auch wenn Entenhausen nicht in Luxemburg liegt.


Lage auf dem Arbeitsmarkt

Am 31. Juli 2018 waren bei der ADEM insgesamt 1.200 offene Stellen in Berufsfeldern gemeldet, in denen Ingenieure beschäftigt werden. Demgegenüber waren zum gleichen Zeitpunkt 282 Personen für die gleichen Berufsfelder bei der ADEM arbeitsuchend gemeldet. Insbesondere Ingenieure im IT-Bereich (IT-Entwickler und Management von IT-Systemen) sind gesucht. Nach Angaben der ADEM finden zwei von drei Arbeitsuchenden in den Berufsfeldern innerhalb eines Jahres eine Beschäftigung.

„Aufgrund der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung, die alle Sektoren der luxemburgischen Wirtschaft (Industrie, Handwerk und Dienstleistungen) gleichermaßen betrifft, ist davon auszugehen, dass Ingenieure auch in Zukunft sehr gesucht sein werden“, schreibt die ADEM auf Anfrage des Tageblatt und verweist in dem Zusammenhang auf die Studie „Arbeiten 4.0 – Chancen und Herausforderungen für Luxemburg“. Sie wurde kürzlich im Auftrag des Arbeitsministeriums, der Handelskammer und der Arbeitnehmerkammer Luxemburg durchgeführt, im Mai 2018 vorgestellt und ist auf der Seite gouvernement.lu abrufbar.