„Haus vun der Natur“ feiert 25. Geburtstag: 150.000 Besucher pro Jahr

„Haus vun der Natur“ feiert 25. Geburtstag: 150.000 Besucher pro Jahr

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

1824 errichtet ein gewisser François Schummer auf Kockelscheuer, an der Straße zwischen Gasperich und Bettemburg, den „Kräizhaff“. Die zweite Besitzerin, die Witwe Folschette, vergrößerte 1869 den Hof. Seit 25 Jahren befindet sich in den Gemäuern des einstigen Hofes, im Volksmund auch noch „Schnappshaff“ genannt, das „Haus vun der Natur“. Mit einer Geburtstagstorte und einem Fest wurde am Wochenende das Vierteljahrhundert gefeiert. Bei dieser Gelegenheit unterhielt sich das Tageblatt mit Lea Bonblet, Koordinatorin von Natur & Ëmwelt, über das „Haus vun der Natur“.

Von André Feller

Tageblatt: Frau Bonblet, wie kam es zur Gründung des „Haus vun der Natur“?

Léa Bonblet: Die Idee eines Zentrums für die Natur geht aufs Jahr 1984 zurück. Acht Naturschutzverbände wollten sich an einem Ort zusammenfinden, um ihre Arbeiten zugunsten von Natur, Fauna und Flora zeitgemäßer verrichten zu können.
Es waren dies die Stiftung „Hëllef fir d’Natur“, die „Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga“ und deren Sektion Luxemburg, die „Amis du Musée d’Histoire naturelle“, Natura – „Ligue luxembourgeoise pour la protection de la nature“, die AAT – „Amis des aquario- et terrariophiles“, die „Société des naturalistes luxembourgeois“ sowie „Jeunes et Patrimoine“. Nach einigen Verhandlungen mit den Autoritäten, u.a. der Stadt Luxemburg, schälte sich der „Kräizhaff“ auf Kockelscheuer als möglicher Standort heraus. Um dieser Einrichtung eine gesetzliche Basis zu verleihen, wurde am 29. September 1986 die Vereinigung ohne Gewinnzweck (Asbl) „d’Haus vun der Natur“ gegründet.

Von den Gesprächen bis zum Einzug der Naturschutzverbände vergingen noch etliche Jahre …

In der Tat. 1987 – wir schrieben das Europäische Umweltjahr – fielen die Würfel in der Stadt Luxemburg zu unseren Gunsten. Der Posten zur Renovierung des geschichtsträchtigen Hofes wurde erstmals ins Budget aufgenommen. Am 1. Oktober 1992 unterschrieb die Asbl „Haus vun der Natur“ eine Konvention mit dem Umweltministerium zwecks einer Naturschutzberatung. Im gleichen Jahr liefen auch die Renovierungsarbeiten an, 1994 konnten wir die Räumlichkeiten beziehen. Bei der Gestaltung der Außenanlage, einem ehemaligen rund drei Hektar großen Ackerland, legten wir Wert auf das Anlegen einer typischen Kulturlandschaft.

Welches sind die Missionen des „Haus vun der Natur“?

Einerseits dient das Zentrum als Unterkunft für die Naturschutzvereine, sprich Büro-, Versammlungs- und Lagerräume. Andererseits, und das ist die wichtigste Aufgabe, sind wir ein Informationszentrum für die breite Öffentlichkeit und Schulungszentrum für die Grundschulkinder der Stadt Luxemburg. Heute bieten wir eine Vielzahl an Vorträgen und Workshops an, dies immer im Bezug zum Natur- und Umweltschutz. In unseren Ateliers und in der Außenanlage lernen die Besuchergruppen und Schulkinder den Natur- und Umweltschutz auf praktische Art und Weise kennen. Außerdem verfügen wir über eine spezialisierte Fachbibliothek und -mediathek. Diese ist ins Netz der luxemburgischen Bibliotheken eingebunden, der gesamte Katalog steht unter a-z.lu online. Eine weitere Mission ist die Ausarbeitung von konkreten Naturschutzprojekten, gemeinsam mit Verwaltungen, Kommunen und anderen Vereinigungen.

Das „Haus vun der Natur“ arbeitet sehr eng mit der Stadt Luxemburg zusammen, unter anderem was den Personalbestand betrifft. Wie kam es dazu?

Schon kurz nach der Eröffnung entschied sich die Stadtverwaltung zur Schaffung einer Naturschule für ihre Schulklassen. Dazu wurde 1995 ein Lehrer freigestellt, später ein Gärtner zum Unterhalt der Außenanlagen. Heute besuchen täglich drei bis vier Schulklassen die Naturschule. Die Stadt Luxemburg beschäftigt mittlerweile zehn Personen im „Haus vun der Natur“. Die Kinder lernen hier, wie man einen Garten bewirtschaftet, und kommen dank der Mini-Farm mit der Tierwelt in Kontakt. In Workshops bauen die Kinder unter anderem Vogelnistkästen oder Bienenhotels. Das Schulungsangebot ist sehr breit gefächert und eine einzigartige Bereicherung für Grundschulkinder und Jugendliche. Nicht nur die Schulklassen der Stadt Luxemburg kommen zu uns; regelmäßig sind Grundschulkinder aus dem ganzen Land und der Regulus Junior Club zu Gast.

Vor dem Einzug der Naturschutzverbände befand sich hier Ackerland. In der Zwischenzeit ist viel geschehen. Welche Projekte konnten Sie in den letzten 25 Jahren vorweisen?

Es war und ist eine sehr dynamische und schrittweise Entwicklung. Wir begannen mit dem Anlegen einer Streuobstwiese, ein zugeschütteter Teich wurde wieder ausgehoben und renaturiert. Es folgten Gärten, Schulgärten, ein Mini-Bauernhof, Blumenwiesen, der Aufbau von Bienenstöcken und Insektenhotels, der Anbau von Werkstätten und Schuppen. Unser jüngstes Projekt in Zusammenarbeit mit IBLA und Colabor ist das 2.000-Quadratmeter-Projekt.

Was hat es damit auf sich?

Weltweit stehen uns durchschnittlich 2.000 m2 für unsere Ernährung zur Verfügung – theoretisch zumindest. Aufgrund des Imports aus Übersee, etwa von Soja, Bananen oder Reis und der Einfuhr von Genussmitteln wie Kaffee, Kakao oder Tabak sowie Pflanzen zur Energiegewinnung ist der Pro-Kopf-Flächenbedarf deutlich höher. Die Übernutzung der Agrarflächen ist mitverantwortlich für den rasanten Artenrückgang, die Bodenerosion, die Wasserverschmutzung und den Klimawandel. Am 2.000-Quadratmeter-Projekt weisen wir mit unseren Partnern auf die Zusammenhänge zwischen unseren Ernährungsgewohnheiten, landwirtschaftlicher Fläche und Umweltschutz hin. Diese Parzelle soll zeigen, dass eine nachhaltige Ernährung auf Basis unserer natürlichen Ressourcen möglich ist. Auch die Tierhaltung ist symbolisch mit in dieses Projekt eingebunden. Praktisch ließe sich die Tierhaltung hier nicht durchführen, der Pro-Kopf-Bedarf an einer Kuh liegt bei 1/8 Tier je Einwohner.

Ziel dieses Projekts ist es, das Bewusstsein für die Anbauflächen zu schaffen, die für die Produktion von Nahrungsmitteln zur Verfügung stehen. Wir wollen die Menschen zum Nachdenken über die eigenen Ernährungs- und Konsumgewohnheiten anregen und über regionale, nachhaltige Landwirtschaft informieren.

Haben die Gründungsmitglieder je mit dem riesigen Erfolg des Hauses der Natur gerechnet? Immerhin kommen rund 15.000 Besucher jährlich nach Kockelscheuer.

Geträumt schon, gerechnet nicht. Niemand konnte erahnen, wie sich das Projekt entwickelt. Vor allem musste die Finanzierung sichergestellt werden. Dies ist uns auch gelungen, einerseits durch Konventionen mit dem Umweltministerium und der Stadt Luxemburg, andererseits aufgrund von Spenden und Erbnachlässen. Zudem beziehen wir EU-Fördergelder, etwa aus Life-Projekten und aus der Ausarbeitung von nationalen Projekten.

Wie sehen die kommenden 25 Jahre aus?

Wir werden unsere Missionen fortsetzen, die Einrichtungen und Angebote an die Entwicklung anpassen. Im Mittelpunkt wird weiterhin die Sensibilisierung für den Naturschutz stehen sowie unsere pädagogischen Aktivitäten und Beratungen. Neue Vorhaben werden in der gleichen Dynamik entstehen, wie das bisher der Fall war. Das Jahr 2020 wird ein besonderes Jahr für uns. Dann feiern wir das 100. Gründungsjubiläum der „Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga“. Es ist dies einer der Gründungsvereine unseres Hauses. Auch in Zukunft werden wir den Naturschutzvereinigungen in Luxemburg, unseren 30 Mitgliedervereinen und 40 Partnervereinen auf Kockelscheuer ein Zuhause sein und alle Akteure logistisch und tatkräftig unterstützen, dies unter dem Motto „Zesumme fir d’Natur!“


Großes Fest

Am Wochenende lud das „Haus vun der Natur“ in Zusammenarbeit mit der Abteilung „Activités-nature“ der Stadt Luxemburg zum „Kockeldiko“-Fest ein. Zahlreiche Besucher, Groß und Klein, fanden den Weg ins Naturschutzzentrum. Geboten wurden Workshops, Stände und Spiele rund um die Themen Wald, Garten, Wasser, Bauernhof, Bienen, Vögel sowie nachhaltige Entwicklung. Dabei ging es nicht nur um passive Teilnahme, besonders die Kinder konnten eine Hand mit anpacken, etwa beim Bau von Nistkästen oder Insektenhotels. Außerdem gab es eine Pferdekutschenfahrt durch den Wald, Speisen wurden wie früher am Feuer gekocht und auch die Kunst kam mit der Herstellung von Kunstwerken aus natürlichen Materialien nicht zu kurz. Nicht fehlen durfte die traditionelle Geburtstagstorte. Kurzum, eine vergnügliche Weise, die Natur neu zu entdecken.