Bommeleeër-Prozess: Der Blick zurück

Bommeleeër-Prozess: Der Blick zurück
9 November 1985: Anschlag auf die Radaranlage auf Findel

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Von Laurent Graaff

Am 25. Februar 2013 begann der bislang größte Prozess der luxemburgischen Kriminalgeschichte. Wir blicken auf den Jahrestag zurück. 20 Attentate, mindestens vier Täter, jede Menge Mitwisser, mehr als 30 Jahre Ermittlungen, 177 Prozesstage. Und seit dem 2. Juli 2014 liegt der Prozess auf Eis. Seitdem hat die Staatsanwaltschaft an den Untersuchungsrichter den Antrag gestellt, gegen fünf hohe ehemalige Gendarmerie-Offiziere und ein früheres Mitglied der „Brigade mobile“ Anklage zu erheben.


„Et ass jo nach ëmmer do“

Jos Wilmes

Dass die Wahrheit rauskommt: Das war beim Prozessauftakt der größte Wunsch von Marc Scheer, einem der beiden Angeklagten. Fünf Jahre danach herrscht Missmut bei dem 63-Jährigen. Wie ihm angesichts des Jahrestages zumute sei? Marc Scheer wiegt den Kopf hin und her auf die Frage. „Wie soll mir zumute sein? Es geht einem jeden Tag durch den Kopf. Und nachts wache ich regelmäßig auf und kann dann nicht mehr einschlafen“, so Scheer weiter. „Et ass jo nach ëmmer do an et belaascht mech ganz staark.“

Auf „Cinquième“ hatte er einst beschlossen, zur Armee zu gehen. Er wollte Förster werden. Da die Aussichten auf eine Stelle aber nicht die besten waren, beschloss er, Gendarm zu werden. Das war 1972. Von Ben Geiben wurde er 1979 für die „Brigade mobile de la Gendarmerie Grand-Ducale“ rekrutiert. Dort lernte er auch Jos Wilmes kennen, der zwei Jahre jünger ist. Seitdem sind die beiden Freunde.

Marc Scheer

„Wenn Jos und ich uns treffen, gibt es nur ein Thema.“ Es drehe sich immer alles um den Prozess. Jos Wilmes, der zweite Angeklagte, wollte sich indes nicht groß zum Jahrestag äußern. „Ich habe damit abgeschlossen und versuche mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Das können Sie schreiben. Mehr will ich an dieser Stelle nicht sagen.“ Was Scheer sich erhofft, wenn der Prozess irgendwann wieder aufgenommen werden sollte?

„Einen Freispruch. Nicht mehr und nicht weniger. Auch wenn dann der ganzen Stress wieder von vorne anfängt.“ Von Beginn an habe er viel Unterstützung von den Menschen gekriegt. Auch von Leuten, die er nie zuvor in seinem Leben gesehen hat. „Weder ich noch Jos Wilmes haben etwas mit dem ‚Bommeleeër‘ zu tun. Für all die anderen lege ich aber keine Hand ins Feuer“, so Scheer unmissverständlich.



Sechs im Visier

Gegen diese sechs Personen hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen beantragt. Deshalb wurde der Prozess am 2. Juli 2014 auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Aloyse Harpes, Pierre Reuland, Guy Stebens, Marcel Weydert, Armand Schockweiler, Charles Bourg

Aloyse Harpes

(Jahrgang 1928) war vom 2. Oktober 1985 bis zum 16. Oktober 1988 Kommandant der Gendarmerie. Zuvor stand er an der Spitze der Polizei.

Pierre Reuland

Der zweite Generaldirektor der „Police Grand-Ducale“ wurde im Januar 2008 im Zuge der Ermittlungen in der Affäre „Bommeleeër“ infolge des ihn schwer belastenden Brandbriefs von Staatsanwalt Robert Biever an den ehemaligen Justizminister Luc Frieden (CSV) seines Amtes enthoben. Reuland, Jahrgang 1957, war zur Zeit der Attentate Kommandant der „Brigade mobile“ und somit Nachfolger von Ben Geiben. Seit dem 1. Oktober 2014 ist er in Rente.

Guy Stebens

Der ehemalige Generalsekretär der „Police Grand-Ducale“ wurde im Januar 2008 im Rahmen der Ermittlungen in der Bombenleger-Affäre und infolge des Brandbriefs von Staatsanwalt Robert Biever an Luc Frieden seines Amtes enthoben. Zuletzt war er beim „Haut-Commissariat à la Protection nationale“ (HCPN) beschäftigt. Auch er hat mittlerweile seine Pensionsansprüche geltend gemacht.

Marcel Weydert

Weydert war Mitglied der ersten Stunde der „Brigade mobile“. Seine Laufbahn bei der Gendarmerie begann am 31. Oktober 1977. Weydert war zuletzt „Commissaire en chef“ bei der „Police judiciaire“.

Armand Schockweiler

Schockweiler war einst Direktor der „Sûreté“, der heutigen „Police judiciaire“. Seine Karriere bei der Polizei beendete er als „Premier commissaire divisionnaire“ bei der „Inspection générale de la Police“.

Charles Bourg

Der Bruder des 2003 verstorbenen Abgeordneten Willy Bourg (CSV) war zunächst Bezirkskommandant in Luxemburg-Stadt und anschließend in der Gendarmerie Operationsleiter und Stellvertreter von Aloyse Harpes. Nach dessen Pensionierung avancierte er zum Chef der Gendarmerie. Bourg war erster Generaldirektor der „Police Grand-Ducale“, nachdem Polizei und Gendarmerie am 1. Januar 2000 fusioniert hatten.


 


„Neugierde und Erinnerung“

Henri Kettels aus Colmar-Berg, in Fußballerkreisen kein Unbekannter, verpasste
nur eine Handvoll der 177 Sitzungen. Auch zum Auftakt war er mit von der Partie.

Henri Kettels

Welche Erinnerungen haben Sie an den 25. Februar 2013?

Es schneite an dem Tag und es war bitterkalt. Und ich war bereits gegen 12 Uhr vor Ort und war längst nicht der Erste, der anstand, um Einlass zu bekommen und einen der Plätze im Sitzungssaal zu ergattern. Die waren heiß begehrt und obendrein limitiert. Der Andrang war enorm. Auch der der Medien. Die Stimmung war unbeschreiblich. Und dann begann das Defilee all jener, die als Zeugen aussagen mussten. Später dann verfolgte ich den Prozess im Nebensaal. Das hatte den Vorteil, dass nicht nur die Akustik besser war, sondern man auch die Mimik der Befragten im Zeugenstand mitbekam. Viele standen gehörig unter Druck und kamen regelrecht ins Schwitzen. Und es wurde mehr als einmal hochnotpeinlich.

Was hat Sie bewogen, dem Prozess regelmäßig als Zuschauer beizuwohnen?

Als ich in den 80er Jahren Trainer in Hollerich war, fand das Attentat auf das Gaswerk statt. Das war direkt in der Nachbarschaft und damals ein großes Thema innerhalb der Mannschaft und des Vereins. Einerseits waren es also diese konkreten Erinnerungen und anderseits natürlich auch die Neugierde. Ich wollte dabei sein und sehen, wie sich diese Riege an Zeugen aus der Affäre ziehen würde. Allen voran natürlich Jacques Santer, Jean-Claude Juncker, die beiden Prinzen Guillaume und Jean sowie all die hohen Beamten aus der Polizei.

Wie sehen Sie den Prozess im Nachhinein?

Es ist ein Trauerspiel, dass nach den 177 Sitzungen keine Klarheit herrscht. Der „Bommeleeër“ ist ohne Zweifel eine komplexe Angelegenheit. Ich hoffe, dass unsere Justiz dabei ist, weiter zu ermitteln und der Prozess irgendwann wieder aufgenommen wird. Es ist wichtig, dass die Wahrheit rauskommt.


 

Schuller piir
23. Februar 2018 - 15.12

Me VOGEL hat in seinem rezenten Leserbrief alles zu diesem traurigen Beispiel luxemburger Justiz hervorgebracht!!!