Sonntag26. Oktober 2025

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Zeitarbeit: „Luxemburg ist nicht mehr so attraktiv“

Zeitarbeit: „Luxemburg ist nicht mehr so attraktiv“

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Zeitarbeit, Leiharbeit, Arbeitskräfteüberlassung, „Intérim“. Viele Begriffe, eine Bedeutung. EU-weit gibt es acht Millionen Zeitarbeiter. Leiharbeit reguliert vielerorts den Arbeitsmarkt – auch in Luxemburg.

Alexa Lepage
 

Leiharbeiter werden oft als Sklaven der Moderne verschrien. Sie werden für ein paar Stunden, Wochen oder Monate eingestellt, und wenn sie nicht mehr gebraucht werden, sitzen sie auf der Straße.

Von diesem Klischee will Fabrice Poncé nichts wissen: „Die Leiharbeit hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert“, sagt er. Poncé ist Präsident der Uledi. Der Dachverband vereint 23 luxemburgische Zeitarbeitsfirmen.

„Wir arbeiten stark mit der Regierung und der Adem zusammen und unsere Branche ist gesetzlich reguliert“, bekräftigt er. „Dass man Leiharbeiter benutzen würde, um etwa Atomzentralen zu säubern – wie das in der Vergangenheit passiert ist –, wäre heute undenkbar.“ Die Branche achte heute auf Sicherheit. Baustellen werden im Voraus von den Leiharbeitsfirmen geprüft; die Zeitarbeiter werden entsprechend geschult.
„Schulungen und Weiterbildungen gehören heute zu unserem Alltag“, so Poncé.

„Fonds de formation sectoriel pour l’intérim“

Aus diesem Grund hat die Luxemburger Teilzeitbranche im vergangenen Jahr einen Fonds ins Leben gerufen. Alle Teilzeitfirmen Luxemburgs müssen jährlich 0,6 Prozent der Lohnmasse aller Teilzeitfirmen in den „Fonds de formation sectoriel pour lintérim“ einbezahlen. Für 2010 verfügte er über ein Budget von 900.000 Euro. Damit werden Schulungen aller Art organisiert. „Wir bieten jetzt auch Schulungen an, bei denen am Ende ein Diplom wartet“, freut sich Poncé.

Die Branche reagiert damit auf die Anforderungen ihrer Kunden – die Unternehmen. Sie suchen zunehmend nach Fachpersonal. „Die Anforderungen sind in den vergangenen Jahren viel präziser geworden“, sagt Poncé. „Wir haben Schwierigkeiten, geeignete Kandidaten aufzutreiben.“

Und das trotz vielfältigerer Kandidaten: „Früher war der typische Leiharbeiter männlich, zwischen 28 und 40 Jahren alt und er arbeitete in der Industrie.“
Heute gibt es auch viele weibliche Kandidatinnen und viele arbeiten im Dienstleistungssektor. „Seit kurzem gibt es noch ein neues Phänomen: Rentner, die noch aktiv bleiben möchten.“

Poncé erklärt sich den Wandel durch ein verändertes Umfeld. Flexibilität ist das neue Schlagwort. Insbesondere in ungewissen Zeiten stellen Unternehmen nur ungern feste Mitarbeiter ein. Sie greifen auf Leiharbeiter zurück. Manche profitieren auch von Teilzeitfirmen, um geeignete Kandidaten zu finden, sie als Leiharbeiter zu testen und sie danach fest einzustellen. „Wir erleichtern ihnen damit das Leben“, erklärt Poncé. Das treffe insbesondere auf Dienstleistungsfirmen zu.

Bestandteil der Personalpolitik

Im Ausland sei Leiharbeit schon lange Bestandteil der Personalpolitik vieler Unternehmen. In Luxemburg sei das Phänomen noch neu. „Dieses Phänomen hat sich seit 2002 entwickelt“, so Poncé. „2002 und 2003 war das wirtschaftliche Umfeld schwierig.
Die Unternehmen haben nach flexiblen Lösungen gesucht und uns entdeckt“, erinnert sich Poncé. Seither habe sich nichts daran geändert. Die Zahlen sprechen für sich: Im Finanzwesen wurden vor dem Krisenjahr 2008 satte 55 Prozent Leiharbeiter danach fest eingestellt. In der Industrie waren es 30 Prozent.

Auch die Wachstumszahlen sprechen für sich: Zwischen 1996 und 2007 verbuchte die Branche in Luxemburg jährliche Wachstumsraten von 15 Prozent.
Dann kam die Krise: 2009 brachen die Umsätze um 35 Prozent ein. Im ersten Halbjahr 2009 lag der Rückgang gar bei 47 Prozent.
Die Leiharbeiter sind die Ersten, von denen Unternehmen sich verabschieden.

Auch diese Krise hat etwas verändert: „Wir haben Schwierigkeiten, verschiedene Grenzgänger zurück nach Luxemburg zu locken“, bedauert Poncé. Manche hätten eine Festanstellung in ihrer Heimat gefunden und seien bereit, ein geringeres Gehalt in Kauf zu nehmen. „Luxemburg ist nicht mehr so attraktiv“, stellt Poncé fest.

„Lebensqualität spielt heutzutage auch eine Rolle. Viele Menschen haben keine Lust mehr, täglich mehrere Stunden in einem Stau zu verbringen.“ Auch Freizeit und Urlaub spielten eine Rolle. In Frankreich etwa habe die 35-Stunden-Woche die Mentalitäten beeinflusst.

80 Prozent der Leiharbeiter sind Grenzgänger

Der Luxemburger Markt reagiert sensibel auf Veränderungen in den Nachbarländern: 80 Prozent der Leiharbeiter sind Grenzgänger. Für Poncé birgt diese Tatsache ein „kolossales Potenzial“: die Einwohner Luxemburgs. Er hofft, künftig mehr einheimische Kandidaten anzulocken.

„Das ist eine unserer großen Herausforderungen“, sagt er. Eine weitere Herausforderung sei die mangelnde Visibilität der Wirtschaft. Niemand wisse genau, wo die Reise hingehe. „Es geht dieses Jahr zwar wieder etwas bergauf“, sagt Poncé. Wenn auch nicht in allen Branchen: „Die Industrie und der Bausektor haben 2010 wieder stark zugelegt“, weiß er.
In der Finanzwelt ist das allerdings nicht der Fall. Diese macht jedoch den Großteil der Branche aus. Die Gewichtung der Leiharbeit in den verschiedenen Sektoren verfolgt dasselbe Schema wie jene der verschiedenen Sektoren in der Gesamtwirtschaft.