Kopf des TagesSiemens-Chefwechsel: Vom politischen Finanzer zum leiseren Techniker

Kopf des Tages / Siemens-Chefwechsel: Vom politischen Finanzer zum leiseren Techniker
Siemens-Chefwechsel: Joe Kaeser und sein Nachfolger Roland Busch Foto: dpa/Peter Kneffel

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Am heutigen Mittwoch bekommt Joe Kaeser, der Niederbayer, der vor mehr als 40 Jahren als Josef Käser zu Siemens kam, noch einmal die große Bühne. Auf der Siemens-Hauptversammlung verabschiedet sich der Mann, der in den letzten knapp acht Jahren den Konzern radikal umgebaut hat. Es ist ein ruhiger Wechsel. Seit gut einem Jahr hat sich Nachfolger Roland Busch mit dem neu geschaffenen Titel als stellvertretender Vorstandsvorsitzender dafür warmgelaufen. Und nicht nur der Wechsel ist ruhiger als Kaesers eigener Start an der Siemens-Spitze, als 2013 nach einer Reihe von Gewinnwarnungen Vorgänger Peter Löscher den Hut nehmen musste. Auch der Nachfolger wirkt ruhiger.

Bei Twitter lässt sich der Unterschied bestens beobachten. Wo Kaeser sich oft politisch positioniert, manchmal schneller kommuniziert als sein Kommunikationsteam folgen kann, wirkt Busch zurückhaltender und überlegter – auch ein Stück glatter. Wo Kaeser – nicht nur auf Twitter – gerne den Welterklärer gibt, beschränkt sich Busch bisher meist auf das Unternehmen, das er übernimmt.

„Ich werde mich äußern, wenn es um die geschäftlichen Interessen und Werte von Siemens geht“, sagt Busch selbst. „Ich nehme zum Beispiel mit großer Sorge wahr, dass Europa sich heute in der Welt unter Wert verkauft“, doch Kaeser, dem manche auch eine gewisse Neigung zur Selbstdarstellung attestieren, lehnte sich oft weiter aus dem Fenster. 2019 brachte ihm sein Engagement gegen Rechtsextremismus sogar eine Morddrohung ein.

Der Neue ist gar nicht so neu. Schließlich ist der in der Siemens-Stadt Erlangen geborene 56-jährige Busch seit 1994 im Unternehmen. Und er bekommt viele Vorschusslorbeeren: Pragmatisch sei er, lösungsorientiert. Viele im Unternehmen freuen sich auch, dass nach dem Finanzer Kaeser wieder ein Naturwissenschaftler übernimmt. Busch ist promovierter Physiker. Und auch auf der Arbeitnehmerseite spricht man positiv über ihn.

Radikale Veränderungen werden von Busch nicht erwartet – nicht nur, weil er den Kurs der vergangenen Jahre ja mitbestimmt hat und sich dank seiner starken Position im Unternehmen nicht mit Reformen beweisen muss. Die Ära des tiefgreifenden Umbaus bei Siemens ist vorbei. Das ehemalige Industriekonglomerat ist zerlegt. Kaeser hat diesen Weg, den schon seine Vorgänger begonnen hatten, mit den Abspaltungen von Healthineers und Energy vollendet.

Und zumindest die Börse gibt dem scheidenden Chef recht. Um die Energy-Abspaltung bereinigt, erreichte die Siemens-Aktie zuletzt Höchststände. Eine Tatsache, die Kaeser natürlich selbst auf Twitter betonte.

Busch erhält also ein gut bestelltes Unternehmen. Auch die Corona-Krise übersteht Siemens bisher gut, gerade erst hat das Unternehmen mit seinen vorläufigen Zahlen für das abgelaufene Quartal die Erwartungen übertroffen. Busch muss jetzt – so ist es von vielen Seiten zu hören – die Vision vom neuen Siemens vor allem mit Leben füllen und zum Erfolg führen. Auch er selbst sagt, der Umbau sei „nicht das Ende, sondern der Anfang der Transformation“. (dpa)