Kaeser baut den Konzern komplett um

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Nach nur neun Monaten im Amt baut Siemens-Chef Joe Kaeser den größten deutschen Industriekonzern kräftig um.

Die von seinem Vorgänger Peter Löscher eingeführten vier Geschäftsbereiche Energie, Infrastruktur und Städte, Industrie und Gesundheitswesen werden aufgelöst, wie Siemens mitteilte. Der Konzern soll sich künftig entlang der drei Bereiche Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung aufstellen. Die Organisation soll insgesamt flacher und kundenorientierter werden.

Nach der Sitzung des Aufsichtsrates am Dienstagabend kündigte das Unternehmen die „Siemens Vision 2020“ an. Dazu gehört, dass der umsatzstärkste Bereich, das Energiegeschäft, künftig vom Wachstumsmarkt USA aus geführt wird. Ab August leitet die US-Managerin Lisa Davis den Bereich, derzeit Strategiechefin beim Ölkonzern Shell. Der bisherige Energie-Vorstand, Michael Süß, scheide mit sofortiger Wirkung aus.

Dem Rivalen Paroli bieten

Beobachter gehen davon aus, dass Siemens mit der Personalie dem US-Rivalen General Electric stärker Paroli bieten will. Derzeit befinden sich die beiden Unternehmen in einem Bieterkampf um die Energiesparte des französischen Industriekonzerns Alstom.

Im Bereich Elektrifizierung habe Siemens in vielen Märkten schon eine führende Stellung, erklärte der Konzern. Zu den Wachstumsfeldern gehörten Märkte für kleine Gasturbinen. Siemens kauft daher das Energiegasturbinen- und Kompressorengeschäft von Rolls-Royce für 950 Millionen Euro.

Joint Venture

Das Geschäft mit Anlagen, Produkten und Dienstleistungen für die Eisen-, Stahl- und Aluminiumindustrie betreibt Siemens künftig zusammen mit einem Partner, Mitsubishi Heavy Industries aus Japan. Beide Unternehmen bilden ein Joint Venture für die Metallindustrie, kündigte Siemens am Mittwoch an.

Der Bereich Gesundheitswesen solle künftig eigenständig geführt werden und damit flexibler reagieren können. Im Zuge der Neuaufstellung bereitet Siemens den Börsengang seiner Hörgerätesparte vor.

Neben diesem eigenständigen Bereich werde das Geschäft nun in neun Divisionen gebündelt, teilte Siemens mit. Bisher gab es davon 16, sie waren in der Hierarchieebene unter den Vorständen angesiedelt.

Zentralisierung

Querschnittsfunktionen wie das Personalwesen und die Kommunikation sollen künftig zentral geführt werden. Neuer Arbeitsdirektor wird ab Oktober Siegfried Russwurm, bislang zuständig für den Bereich Industrie. Siemens hofft „in Summe“ auf eine zusätzliche Produktivität von einer Milliarde Euro, und zwar bis Ende des Geschäftsjahrs 2016.

Zu möglichen Stellenstreichungen äußerte Siemens sich nicht. Die IG Metall in Berlin, mit 12.000 Arbeitsplätzen der weltweit wichtigste Produktionsstandort, forderte eine „sichere Zukunft“ für die Siemens-Betriebe in der Hauptstadt. Der Neuorganisation stehe die Gewerkschaft „grundsätzlich aufgeschlossen“ gegenüber. Das Vorhaben dürfe aber nicht dazu missbraucht werden, „ideenlos Kosten zu senken und Arbeitsplätze abzubauen“.

„Durchwachsenes“ zweites Quartal

Das zweite Quartal des Geschäftsjahres nannte der Konzern „durchwachsen“. Der Gewinn stieg zwar im Vorjahresvergleich um zwölf Prozent auf 1,15 Milliarden Euro, der Umsatz hingegen sank wegen des starken Euro um zwei Prozent auf 17,45 Milliarden Euro. Die Auftragseingänge sanken sogar um 13 Prozent. Das Quartal habe gezeigt, „dass wir in der Verbesserung der operativen Performance noch viel zu tun haben“, erklärte Kaeser. Dennoch sei Siemens „auf Kurs“, um seine Ziele für das laufende Geschäftsjahr zu erreichen.

Zum Poker um Alstom sagte Kaeser, Siemens werde erst nach Prüfung der Geschäftszahlen über ein Angebot entscheiden. Siemens sei da sehr gelassen. Die Unterstützung der französischen Regierung begrüße er.