Mittwoch5. November 2025

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EuropaDie Zeit der Negativzinsen geht ihrem Ende entgegen

Europa / Die Zeit der Negativzinsen geht ihrem Ende entgegen
Die ausufernde Inflation zwingt die EZB zu einer unerwartet kräftigen Zinserhöhung Foto: AFP/Daniel Roland

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Historische Zäsur bei der Europäischen Zentralbank: Die EZB stemmt sich mit der ersten Zinserhöhung seit elf Jahren gegen eine immer stärker ausufernde Inflation. Die Bank zeigt, dass sie ihrer Rolle als Hüterin der Preisstabilität gerecht werden will. Das ist vor allem für Sparer eine gute Nachricht.

Dabei gingen die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde kräftiger vor, als sie bislang in Aussicht gestellt hatten. Sie beschlossen am Donnerstag, den Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 0,50 Prozent zu erhöhen. Auch der Einlagensatz wurde in gleichem Umfang angehoben – und zwar auf 0,00 Prozent. Banken müssen somit nicht mehr draufzahlen, wenn sie überschüssiges Geld bei der EZB parken.

Mit dem Schritt leitet die Euro-Notenbank eine umfassende Wende in ihrer Geldpolitik ein. Letztmalig hatten die Euro-Wächter im Juli 2011 die Zinsen angehoben. „Diese Kursänderung ist letztlich nicht überraschend“, sagt William Telkes, Chefvolkswirt bei der BCEE. Das Ziel bestehe „darin, der seit einigen Monaten beobachteten galoppierenden Inflation entgegenzuwirken“.

„Der EZB-Rat gelangte zu der Einschätzung, dass im Zuge seiner Leitzinsnormalisierung ein größerer erster Schritt angemessen ist als auf seiner letzten Sitzung signalisiert“, erklärte die Euro-Notenbank. Auch stellte sie weitere Zinsschritte in Aussicht: Auf den nächsten Zinssitzungen werde eine weitere Normalisierung der Geldpolitik angemessen sein, erklärte sie. Durch das Vorziehen des Ausstiegs aus den Negativzinsen könnten die Währungshüter zudem dazu übergehen, dass Zinsbeschlüsse von Sitzung zu Sitzung gefasst würden. Der künftige Leitzinspfad des EZB-Rats werde weiterhin von der Datenlage abhängen.

Damit beendet Europas Zentralbank nach acht Jahren die Phase der Negativzinspolitik. Bankkunden dürfen wieder auf Sparzinsen hoffen und damit rechnen, dass Geldhäuser sie nicht mehr mit Minuszinsen bestrafen, wenn sie hohe Summen auf dem Konto haben. In Luxemburg lag der durchschnittliche Zinssatz, den die Banken in Luxemburg ihren Kunden auf Einlagen („dépôts à terme“ von bis zu einem Jahr) anboten, im Mai bei 0,1 Prozent. Im Januar waren es minus 0,16 Prozent, im Februar minus 0,39 Protzent.

Weitere Zinsanhebungen in Aussicht

Erstmals ins Minus gerutscht waren die durchschnittlichen Sparzinsen für Privatpersonen hierzulande im Dezember 2020. Bei „Unternehmen und Nicht-Finanzgesellschaften“ war der Zinssatz auf Sparguthaben im Mai mit minus 0,24 Prozent immer noch negativ. In Luxemburg zahlen sie, im Schnitt, bereits seit August 2015 auf Spareinlagen Strafzinsen.

Für Kreditnehmer ist die Lage eine andere. Sofern sie keine Darlehen zu einem festen Zinssatz haben, werden ihre monatlichen Rückzahlungskosten nun steigen. Bei neuen Immobilienkrediten mit festem Zinssatz sind die Zinssätze in den letzten Monaten bereits deutlich gestiegen.

Weitere Zinsschritte werden auch von Marktbeobachtern erwartet. „Es ist gut, dass sich die EZB heute zu einem großen Zinsschritt von einem halben Prozentpunkt durchgerungen hat“, so Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Aber das kann nur ein Anfang sein.“ Der Euroraum mit seinem tiefgreifenden Inflationsproblem brauche eine Serie großer Zinsschritte. Bastian Hepperle von Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank sagte: „Letztlich war der Inflationsdruck doch zu groß und die Inflationsaussichten zu schlecht, sodass sich der EZB-Rat zu einem großen Leitzinsschritt durchgerungen hat.“

Die Inflation im Euroraum war im Juni, angetrieben von den hochschießenden Energiepreisen im Zuge des Ukraine-Kriegs, auf ein neues Rekordniveau von 8,6 Prozent geklettert. Die Teuerung ist bereits seit Monaten auf dem Vormarsch und die EZB war kritisiert worden, sie habe den anhaltenden Inflationsanstieg zu spät erkannt. Unter den großen Notenbanken zählt die Euro-Notenbank zu den geldpolitischen Nachzüglern. Seit Juli 2021 haben laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) mehr als 70 Notenbanken ihre Leitzinsen erhöht. Manche sind zum Teil sehr aggressiv gegen den Inflationsanstieg vorgegangen. Die US-Notenbank Federal Reserve erhöhte im Juni ihre Leitzinsen sogar um 0,75 Prozent – das war der größte Zinsschritt seit 1994.

Konjunkturausblick eingetrübt

Die EZB ist mit einer schwierigen konjunkturellen Situation konfrontiert. Denn der Kampf gegen den anhaltenden Inflationsschub könnte die durch die Folgen des Ukraine-Kriegs und die gestiegenen Rohstoffpreise langsamer wachsende Wirtschaft weiter bremsen. Manche Volkswirte halten es für möglich, dass die Eurozone sogar in eine Rezession abgleiten könnte. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sieht die Konjunktur im Euroraum eingetrübt. Die Wirtschaftsaktivität schwäche sich ab, sagte Lagarde am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach der Zinssitzung. Der Ausblick auf das zweite Halbjahr und darüber hinaus sei eingetrübt. Doch werde zumindest der Tourismus-Sektor die Konjunktur im dritten Quartal stützen.

EZB-Vize Luis de Guindos hatte Anfang Juli gewarnt, die hohen Energiekosten, sich verschlechternde Handelsbedingungen und die Einkommensbelastungen durch die hohe Inflation gefährdeten den mittelfristigen Wachstumsausblick. Die Stimmung der Verbraucher in der Eurozone hat sich im Juli weiter eingetrübt. Inzwischen ist sie schlechter als beim Ausbruch der Corona-Pandemie. Jüngst hatte die EU-Kommission wegen des Ukraine-Kriegs ihre Wachstumsprognose für die EU gesenkt. Sie erwartet für dieses Jahr jetzt nur noch einen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,6 Prozent. Bislang wurden 2,7 Prozent prognostiziert. Für das Großherzogtum wird ein Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent erwartet. Bei einer akuten Gaskrise droht der Kommission zufolge in der zweiten Jahreshälfte eine Rezession.

Neues Kriseninstrument TPI

Die Zinswende ergänzend, verständigten sich die Währungshüter auf ein neues Krisenprogramm, mit dem die EZB stark verschuldeten Staaten wie Italien bei Turbulenzen am Anleihenmarkt zu Hilfe eilen kann. Das neue Werkzeug (Transmission Protection Instrument – TPI) soll dabei helfen, dass die Geldpolitik gleichmäßig im Euroraum wirken kann und es nicht zu einem Auseinanderlaufen der Finanzierungskosten der einzelnen Eurostaaten kommt. Das TPI soll sicherstellen, dass der geldpolitische Kurs in allen Ländern des Euroraums reibungslos ankommt. „Die Einheitlichkeit der Geldpolitik des EZB-Rats ist eine Voraussetzung dafür, dass die EZB ihr Preisstabilitätsmandat erfüllen kann“, erklärte die Notenbank. Der Umfang der Anleihenankäufe im Rahmen des TPI hänge von der Schwere der Gefahren ab, erklärte die EZB. Die Ankäufe sind den Währungshütern zufolge „nicht von vornherein beschränkt“.

Der Euro, der in den letzten Monaten deutlich an Wert gegenüber dem US-Dollar verloren hat, legte nach Bekanntwerden der Entscheidung erst etwas zu, lag dann gegen 16 Uhr jedoch fast stabil bei 1,0199 Dollar für einen Euro. Vor etwa zehn Tagen war der Kurs der Gemeinschaftswährung erstmals seit 2002 auf bzw. unter den Kurs des Dollar gefallen. 

Jill
23. Juli 2022 - 9.47

Und es geht weiter… Italien darf weiter billige Schulden machen, die EZB wird weiter Staatsanleihen kaufen und die Politik wird weiter schweigen.

Nonkomformist
22. Juli 2022 - 14.37

Der Untergang des Euro ist nicht zu stoppen! Europa ist ein Auslaufmodell da es an der richtigen Führung fehlt. Die Fähigen treten zurück. Bald werden wir an die Ukraine annektiert mit seinem kleinen Schauspieler President.