Das ultimative Kartell

Das ultimative Kartell
(Tageblatt/Yves Greis)

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Luxemburgs fehlende Kontrollen, wenn es um Unternehmenszusammenschlüsse geht, waren am Dienstag Thema bei einer Konferenz auf dem Kirchberg.

Bevor zwei Unternehmen fusionieren, wird in der Regel grünes Licht vonseiten der Behörden vorausgesetzt. Diese sollen prüfen, ob das neu entstehende Unternehmen nach der Fusion zu viel Marktmacht besitzt und ob so ein Nachteil für die Verbraucher entsteht. Alle Länder der EU haben solche Prüfungsverfahren. Alle außer Luxemburg.

Politisches Tabu hierzulande

Genau dies war Thema bei der „Journée luxembourgeoise du droit de la concurrence“, die gestern zum zweiten Mal in den Räumen der Handelskammer abgehalten wurde. Es habe bereits so ausgesehen, als würde man auf diesem Gebiet Fortschritte machen, berichtete Maître Gabriel Bleser. Er ist Rechtsanwalt und Präsident der „Association luxembourgeoise pour l’étude du droit de la concurrence“. Allerdings ohne großen Erfolg. Bleser spricht von einem „politischen Tabu“.

„Dürfen wir stolz auf diese Isolation sein?“, fragt Marc Jaeger, Richter am Gericht der Europäischen Union. „Geradeheraus: Ich denke nicht!“, gibt er sich die Antwort. Dieser Meinung ist auch Richard Whish. Der emeritierte Juraprofessor vom Londoner King’s College hält das luxemburgische Gesetz für unvollständig.

Whish erläutert: Das Wettbewerbsgesetz kennt drei Säulen. Ersten das Verbot von Kartellen. Zweitens das Verbot des Missbrauchs von Marktmacht. Drittens Fusionskontrollverfahren. Diese dritte Säule gibt es in Luxemburg, als einziges Land der EU, nicht. Freilich ist Luxemburg nicht der einzige Ort auf der Welt, in dem es sich so verhält. Andere Länder sind zum Beispiel: Bangladesch, die Dominikanische Republik, Guyana, Malaysia, Sri Lanka und Peru. Hongkong und Jamaika haben solche Kontrollen nur für einzelne Sektoren. Die Kanalinseln Jersey und Guernsey verfügen über solche Kontrollen.

Whish hat sich einige Argumente angesehen, die gegen ein solches Gesetz in Luxemburg sprechen. So werde zum Beispiel behauptet, dass solche Kontrollen teuer für ein kleines Land sind. Abgesehen davon, dass ein solches System seiner Meinung nach nicht sonderlich teuer sei, so Whish, habe er bei seinen Aufenthalten in Luxemburg noch nie feststellen können, dass Luxemburg ein sonderlich armes Land sei.

„Kleine offene Wirtschaft“ kein Argument

Ein anderes Argument sei, dass ein Gesetz eine unnütze Last für Unternehmen sei. Dies aber lasse sich verhindern, wenn das Gesetz intelligent gemacht sei.

Auch die Aussage, Luxemburg sei eine kleine offene Wirtschaft, ist für Whish kein gültiges Argument. Es sei zwar richtig, dass Luxemburger Konsumenten in vielen Fällen auf Anbieter im europäischen Ausland ausweichen können – ein dominantes Unternehmen in Luxemburg stelle also keinen Nachteil dar –, dies gelte aber nicht in allen Bereichen. Gegenbeispiele sind die Altenpflege oder öffentliche Verkehrsmittel.

Gegner des Gesetzes sagen auch, dass es ja ein solches Gesetz auf europäischer Ebene gebe, dieses greift aber wiederum nur, wenn der Handel zwischen Mitgliedstaaten betroffen ist.

Fusionen seien das „ultimative Kartell“, sagt Whish. Für ein Unternehmen, das den Strafen auf illegalen Absprachen mit seinen Konkurrenten aus dem Weg gehen will, sei es doch die perfekte Lösung, seinen Konkurrenten einfach – ohne Prüfverfahren der Behörden – aufzukaufen. Die Ex-post-Verfahren wegen Missbrauchs der Marktmacht – die es in Luxemburg gibt – seien teuer und langwierig, weiß der Jurist.

Kritikern bietet Whish zwei Methoden an, ein für Luxemburg passendes Fusionskontrollgesetz zu schreiben. Erstens könne es sehr restriktiv geschrieben sein, so dass es sich nur auf lokale Ereignisse bezieht und die Konkurrenzfähigkeit Luxemburgs nicht einschränkt.

Zweitens könne eine „freiwillige Meldepflicht“ für Fusionen eingeführt werden. Unternehmen, die sowieso mit dem grünen Licht der Behörden rechnen, müssen dann kein Prüfungsverfahren beantragen. Allerdings müssen sie über einen bestimmten Zeitraum damit rechnen, doch geprüft zu werden. Hier könnten spezielle Berater ihr Werk verrichten, meint Whish.