Brüssel erhält Zugriff auf nationale Haushaltsdaten

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Um Haushaltstricksereien wie im Falle Griechenlands zu stoppen, erhält die EU-Kommission direkten Zugriff auf die nationalen Daten. Die EU-Finanzminister einigten sich am Dienstag in Luxemburg auf weitreichende Befugnisse des EU-Statistikamtes Eurostat.

EU-Finanzkommissar Olli Rehn kündigte umgehend an, ein erstes Team nach Bulgarien zu schicken, um die Zahlen aus Sofia unter die Lupe zu nehmen. Bevor es dazu kommt, muss aber noch das EU-Parlament angehört werden. Danach kann der Rat die neuen Befugnisse abschließend billigen, womit noch im Juni gerechnet wird.
Griechenland hatte jahrelang frisierte Statistiken nach Brüssel gemeldet. Als das wahre Ausmaß seiner Staatsverschuldung im Herbst bekanntwurde, stürzte der Euro in seine bislang größte Krise. Er sei besorgt über die offiziellen bulgarischen Zahlen, sagte Rehn zum Abschluss des Finanzministertreffens.

Ursprünglich wollte das Land in diesem Jahr seine Bewerbung um die Euro-Mitgliedschaft starten, legte dies aber auf Eis, nachdem die Defizitzahlen für 2009 im Frühjahr deutlich nach oben korrigiert werden mussten. Die Möglichkeit für die Kommission, die Daten nun vor Ort zu überprüfen, sei ein entscheidender Schritt, sagte Rehn. „Eine größere Verlässlichkeit der Statistiken steht im Kern des Stabilitätspaktes.“

Auch mit frühzeitigen Sanktionen gegen Schuldensünder soll der Euro wieder hart gemacht werden. Defizitverfahren können bislang erst eingeleitet werden, wenn die Euro-Staaten die Obergrenze von drei Prozent Neuverschuldung reißen. Künftig müsse nicht erst beim Überfahren einer roten Ampel, sondern schon bei der Missachtung von Gelbsignalen gegengesteuert werden, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Die Kommission wurde beauftragt, einen Stufenplan für Sanktionen zu erarbeiten.

„Europäisches Semester“ für abgestimmte Budgetpolitik

Um das Abdriften von Euro-Mitgliedern künftig rechtzeitig zu stoppen, soll Brüssel überdies ein Haushaltskontrollrecht erhalten. In jedem Frühjahr, einem sogenannten Europäischen Semester, sollten die Regierungen die wichtigsten Rahmendaten ihrer Budgetplanung in Brüssel einreichen, die dann von der Kommission und den anderen Euro-Partnern geprüft würden, erklärte der EU-Ratspräsident. Dafür habe es in der Taskforce weitgehende Zustimmung gegeben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unterstützt das Vorhaben.

Großbritannien kündigte energischen Widerstand an. „Es steht außerfrage, dass unser Parlament als erstes den Haushalt sieht“, sagte der Londoner Finanzchef Mark Hoban. Nicht nur Haushaltsschieflagen und Tricksereien sollen verhindert werden, auch gegen mangelnde Wettbewerbsfähigkeit will die Eurogruppe vorgehen. Der Beitritt zur Einheitswährung habe für manche Staaten wie eine Schlaftablette gewirkt, sagte Van Rompuy.

Anhand eines Indikatorenkataloges müsse künftig die Konkurrenzfähigkeit überwacht werden – bei zu wenig Ehrgeiz seien „korrektive Maßnahmen“ erforderlich. Die Vorschläge für einen neuen Stabilitätspakt will der Taskforce-Chef in der kommenden Woche den Staats- und Regierungschefs vorlegen.
Bereits am Montagabend hatten die EU-Finanzminister den 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm für die Währungsunion wasserdicht gemacht. Sie gründeten eine Zweckgesellschaft, die die Notkredite für Pleitestaaten von bis zu 440 Milliarden Euro bereitstellen soll.

AP