Es kann nur einen geben

Es kann nur einen geben

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

SCHIFFLINGEN – In der Gemeinde Schifflingen treten die beiden Brüder Carlo (LSAP) und Pierrot Feiereisen (CSV) als Spitzenkandidaten ihrer jeweiligen Parteien zu den Gemeindewahlen an. Eine außergewöhnliche Situation, denn laut Wahlgesetz kann nur einer von beiden in den Gemeinderat kommen.

Kein Streitgespräch sollte es werden. Sachlich wollten sie bleiben, die Brüder Carlo (39) und Pierrot Feiereisen (49), die beide die Nachfolge von LSAP-Bürgermeister Roland Schreiner in Schifflingen antreten wollen. Eine Freundin, deren Vater 1999 bei der LSAP für die Gemeindewahlen kandidierte, hatte Carlo Feiereisen damals mit zu einem Wahltreff der Partei genommen, wie er erzählt. Dort knüpfte er erste Kontakte zu den Sozialisten, die ihn anschließend einluden, bei ihnen in der Jugendsektion mitzumachen.

Zur gleichen Zeit begann auch Pierrot Feiereisen sich politisch zu engagieren. Er war schon vorher beim christlichen Gewerkschaftsbund LCGB aktiv gewesen, 1999 kam er dann zur CSV. Anders als sein fast zehn Jahre jüngerer Bruder war er damals aber schon aus dem Elternhaus ausgezogen. Das Mittelkind der Familie, die Schwester Diane, ist bei der Gemeinde Schifflingen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit angestellt.

Politik war kein Thema

„Keiner von uns beiden wusste damals vom politischen Engagement des anderen. Bei uns zu Hause war Politik kein Thema“, erklärt Carlo Feiereisen. „Erst als der Gemeinderat 1999 zum ersten Mal tagte und die Kommissionen zusammengesetzt wurden, kam heraus, dass wir beide bei unterschiedlichen Parteien aktiv waren.“

Für ihn sei es von Anfang an klar gewesen, dass er sich in der LSAP zu Hause fühlt, betont Carlo, der seit 2005 das Schöffenamt in Schifflingen bekleidet. Seit 2012 ist er Präsident der lokalen LSAP-Sektion und in diesem Jahr zum ersten Mal Spitzenkandidat auf der LSAP-Liste für die Gemeindewahlen.

Gemeinderatsmitglieder dürfen nicht verwandt sein

Auch Pierrot Feiereisen tritt zum ersten Mal als Spitzenkandidat an. Seit zwölf Jahren ist er Präsident der Schifflinger CSV-Sektion. Bei den Wahlen 2005 und 2011 landete er jedes Mal weit hinter seinem jüngeren Bruder. 2011 erhielt Pierrot zwar nach Marc Spautz die zweitmeisten Stimmen auf der CSV-Liste, doch weil sein Bruder Carlo als Zweitgewählter auf der LSAP-Liste über 800 Stimmen mehr bekommen hatte, musste Pierrot weichen. So schreibt es das Wahlgesetz vor. Mitglieder des Gemeinderats dürfen nicht direkt miteinander verwandt sein. Im Zweifelsfall hat der Kandidat mit den meisten Stimmen den Vortritt.

Traditionell ist die LSAP die stärkste Partei in der ehemaligen Arbeiterstadt Schifflingen. 2005 konnte sie mit Roland Schreiner die absolute Mehrheit im Gemeinderat erreichen. 2011 musste die LSAP zwar Federn lassen, erhielt aber immer noch mehr als doppelt so viele Listenstimmen wie die CSV, die die Sozialisten vor sechs Jahren als Juniorpartner mit ins Boot holte.

CSV wittert Morgenluft

Seit der langjährige Bürgermeister Roland Schreiner Mitte März dieses Jahres angekündigt hat, dass er nicht mehr bei den Gemeindewahlen kandidieren werde, wittert die CSV Morgenluft.
„Aufgrund meines Wahlresultats 2011 hat die Partei mich zum Spitzenkandidaten ernannt“, sagt Pierrot Feiereisen. Mit dem Ex-Minister, Abgeordneten und CSV-Präsidenten Marc Spautz und dem aktuellen Schöffen Paul Weimerskirch kann er auf prominente Unterstützer zählen, auch wenn Spautz selbst keine Ambitionen auf ein lokalpolitisches Mandat hat, wie Pierrot Feiereisen bestätigt. Als „starkes Team“ kämpft die CSV in Schifflingen vor allem um Listenstimmen.

Die LSAP hingegen muss am 8. Oktober nicht nur den Abschied von Roland Schreiner verkraften. Auch der im Juli 2016 verstorbene Gemeinderat Guy Fehr und Raymond Hopp, der 2011 den dritten Platz belegte, fehlen. Doch Carlo Feiereisen gibt sich kämpferisch: „Wir haben eine neue Mannschaft, aber wir treten sicherlich nicht an, um den anderen das Feld zu überlassen.“

Weiter mit der Koalition?

Auf Parteiebene können beide sich vorstellen, die aktuelle LSAP-CSV-Koalition weiterzuführen, auch wenn Carlo Feiereisen sich noch nicht definitiv festlegen will. „Schifflingen steht vor großen Herausforderungen, deshalb ist es wichtig, dass sich Leute zusammenfinden, die gut miteinander auskommen und zusammenhalten: Eine knappe Mehrheit ist nicht gut, um ernsthaft zu arbeiten. Wir brauchen eine starke Mannschaft, die die Gemeinde führt. Das ist kein Theater oder Cabaret hier“, sagt der 39-Jährige. Auch Pierrot findet, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen im Schöffenrat stimmen müssen.

Doch neben der „Chemie“ muss es bekanntlich auch programmatische Überschneidungen geben, damit eine Koalition funktionieren kann. Sobald es bei den Feiereisens nicht mehr um Personen, sondern um Inhalte geht, hört der Spaß jedoch auf. Insbesondere beim Thema Verkehr wird aus einer sachlichen Diskussion schnell ein leidenschaftliches Streitgespräch unter Stockschifflinger Brüdern, dem Außenstehende bisweilen nur noch schwer folgen können. Vergessen ist die Koalition, die LSAP und CSV in den vergangenen sechs Jahren in Schifflingen vereint hat. Wer das letzte Wort hat, gewinnt. Und bei den Feiereisens kann es dauern, bis endlich einer nachgibt.

„Sand in die Augen gestreut“

Während Carlo Feiereisen die Frage nach der Neugestaltung der Industriebrache Esch-Schifflingen als Chance für die beteiligten Gemeinden und eine engere Zusammenarbeit mit Esch/Alzette betrachtet, fordert Pierrot Feiereisen eine bessere Verkehrsanbindung für die Schifflinger Bürger. Die CSV habe bereits 2010 darauf hingewiesen, dass die Gemeinde eine neue Verbindungsstraße brauche, die von der Cité Leesbierg über die Brache direkt zur Autobahn A4 führt, damit die rue du Moulin nicht mehr als Schleichweg genutzt werde, meint Pierrot. Diese Verbindungsstraße sei für die CSV die Voraussetzung für die Schließung der drei Bahnübergänge.

Damit ist Carlo Feiereisen überhaupt nicht einverstanden: „Es ist einfach falsch zu behaupten, man könne die drei Bahnübergänge offen lassen, nachdem wir die Unterführung haben“, entrüstet sich der Erste Schöffe. Dazu muss man wissen, dass eine Unter- bzw. Überführung nach dem Wegfall der Bahnschranken die einzige Möglichkeit ist, die Gleise zu überqueren, die die Gemeinde Schifflingen quasi entzweien. „Der damalige Infrastrukturminister Wiseler hat uns in Anwesenheit von Marc Spautz gesagt, dass Schifflingen keine zweite Unterführung bekommen wird“, unterstreicht Carlo Feiereisen. Jetzt, nachdem ArcelorMittal sein Werk geschlossen hat, böten sich ganz neue Möglichkeiten. Auch die LSAP setze sich nun für den Bau der Verbindungsstraße ein, präzisiert Carlo.

„Aber ihr habt das erst nach der Infoversammlung im Hall polyvalent in euren Wahlflyer aufgenommen, weil die Leute sich beschwert haben“, erwidert Pierrot. „Ja, aber vorher war es nicht machbar, weil das Stahlwerk noch in Betrieb war. Jetzt ist die Situation eine andere“, entgegnet Carlo. Und weiter: „Ihr habt den Leuten nur Sand in die Augen gestreut. Mit der LSAP werden die Bahnschranken noch mindestens 15 Jahre in Betrieb bleiben. So lange wird es dauern, bis die Industriebrache urbanisiert ist.“

„Auf den Zug aufgesprungen“

Im Grunde genommen wollten LSAP und CSV das Gleiche, erklärt Pierrot. „Wir reden nur über den Zeitpunkt, wann diese drei Bahnschranken geschlossen werden. Wir plädieren schon seit 2010 dafür und ihr seid jetzt zu Recht auf den Zug aufgesprungen, das streite ich gar nicht ab…“, meint Pierrot. „Nein, nein“, unterbricht ihn Carlo, „wir sind auf den Zug aufgesprungen, aber wir haben nie behauptet, die dritte Unterführung werde gebaut, weil wir aus Gesprächen mit dem Ministerium und der Straßenbauverwaltung wussten, dass sie diese Unterführung nicht mittragen würden.“

Kein Streitgespräch sollte es werden. Und es wurde doch eins. Ab diesem Punkt konnten wir den beiden Brüdern erst einmal nicht mehr folgen, denn sie diskutierten nur noch unter sich, verwiesen, um sich zu orientieren, auf ihr Elternhaus, auf Orte und Namen, die vermutlich nur Stockschifflingern ein Begriff sind. Jeglicher Versuch, das Thema zu wechseln, scheiterte vorerst an der Unterführung.

Beide wollen Bürgerpartizipation

Bis das Gespräch auf einmal wieder sachlicher wurde. „Die CSV fordert ein Gesamtentwicklungskonzept“, sagt Pierrot. Carlo verweist auf den neuen Flächennutzungsplan, der die Stadtentwicklung regelt. Bürgerpartizipation wollen beide.

Schifflingen müsse auch in die Sportinfrastruktur investieren und brauche mehr kleine Geschäfte, damit die Bürger wieder im Dorfzentrum einkaufen können, sagt Carlo. Das reduziere auch den innerörtlichen Verkehr. Und mehr Schulraum, wegen des Wachstums. Auch in der Sozialpolitik übernehme die Gemeinde Verantwortung.

Pierrot stimmt ihm zu, doch bemängelt die Art und Weise, wie die Dinge umgesetzt werden. Schifflingen brauche eine Belebung der Geschäftswelt, meint auch der CSV-Spitzenkandidat. Neben dem Verkehr offenbar ein weiteres kontroverses Thema in Schifflingen, denn es entfachte ein weiteres Streitgespräch, diesmal über die „Maison Schou“, in dem die Ausdrücke „fünf vor zwölf“ und „ich verstehe die Welt nicht mehr“ eine wichtige Rolle spielen. Doch das würde jetzt definitiv zu weit führen.