Hype vorbei?Wie E-Sport-Teams mit der Rezession umgehen

Hype vorbei? / Wie E-Sport-Teams mit der Rezession umgehen
Der sogenannte E-Sport hat sich längst zu einem Massenphänomen entwickelt Foto: Christoph Soeder/dpa

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Die wirtschaftliche Lage macht der Branche zu schaffen. Nach wie vor ist sie vor allem auf Sponsoring angewiesen, um Umsatz zu machen. Doch manche Organisationen trotzen dem „E-Sport-Winter“.

Vor wenigen Jahren noch war dem E-Sport eine grandiose Zukunft vorausgesagt worden, mit Umsatzwachstumsraten im zweistelligen Bereich. Es wurde kräftig investiert in den „Wettkampf der digitalen Generation“, der sich längst von einem Nischen- zu einem Massenphänomen entwickelt hat. Und als während der Corona-Pandemie andere Bereiche in Sport und Unterhaltung komplett pausieren mussten, lief der sportliche Wettkampf mit Computer- und Videospielen mehr oder weniger weiter. Doch die aktuelle gesamtwirtschaftliche Lage stellt die Branche vor Herausforderungen: Neue Sponsoren sind schwerer zu finden und Investorengeld versiegt.

„Wir sprechen alle vom E-Sport-Winter“, sagt Alexander Müller, Geschäftsführer der E-Sport-Organisation SK Gaming aus Köln. Die Formulierung geht mit zurück auf den Vorstandschef eines international tätigen E-Sport-Unternehmens, Arnold Hur von Gen.G. „Ich habe gesagt, dass der E-Sport-Winter naht, aber selbst ich hätte nicht gedacht, dass es so kalt sein würde. Ich denke, dass es mehr als 30 Prozent der E-Sport-Teams weltweit in den nächsten zwei Jahren nicht schaffen werden“, schrieb Hur im Januar auf Reddit.

Tatsächlich ist seitdem einiges passiert. So hat etwa das US-Team FaZe Clan – eine der Szenegrößen – einen Verlust von 14 Millionen US-Dollar für das erste Quartal 2023 berichtet. Einem Bericht von digiday.com zufolge will das Unternehmen 40 Prozent seiner Angestellten entlassen. 2022 war FaZe noch mit einer Bewertung von 725 Millionen US-Dollar an die Börse gegangen – die Aktie liegt nun bei einem Wert von unter einem Dollar. Medienberichten zufolge haben auch die E-Sport-Organisationen 100 Thieves, Optic Gaming und The Guard Beschäftigte entlassen oder suchen nach einem Käufer.

Auf Sponsoring angewiesen

Ein Problem: E-Sport zieht einen großen Teil seiner Umsätze aus Sponsoring, vor allem über eigene Content-Produktion in sozialen Medien. Einer Studie des Beratungsunternehmens Deloitte zufolge zogen europäische E-Sport-Organisationen 2022 rund 37 Prozent und damit den größten Teil ihrer Umsätze aus Sponsoring-Verkäufen.

„Es ist nicht ganz so einfach in diesem Jahr, neue Partnerschaften zu finden“, sagt Victor Goossens, Co-Chef und Gründer von Team Liquid, einem international tätigen E-Sport-Team aus Amsterdam. „In einer Rezession denken große Unternehmen als Erstes darüber nach, vielleicht nicht so viel für Marketing auszugeben. Das bekommen wir natürlich zu spüren.“ Daneben seien Medienrechte, digitales Merchandise und Beteiligungen an Ligen wichtige Umsatzquellen.

Viel im E-Sport ist außerdem auf Investorengeld gebaut. In der Rezession forderten Investoren nun schneller eine Tragfähigkeit der Organisationen als eigentlich geplant war. „Viele Unternehmen im E-Sport stecken in diesem Moment fest“, sagt Goossens. „Das Geschäft hätte auf lange Sicht durchaus Sinn ergeben können, ihnen wurde Kapital zum Investieren gegeben, und der Break-even-Moment kommt für sie zu früh.“ Auch der richtige Umgang mit den Geldern ist eine Herausforderung. „Ein großer Fehler war, dass Viele Geld genommen haben aus dem Investitionsmarkt und dieses Geld in Spielergehälter investiert haben“, sagt etwa SK-Chef Müller.

E-Sport ist nicht gleich E-Sport

Große E-Sport-Unternehmen diversifizieren ihre Umsätze. Aber E-Sport ist nicht gleich E-Sport. Disziplinen wie „League of Legends“, „Counter-Strike: Global Offensive“, „FIFA 23“, „Valorant“ oder „Sim-Racing“ müssen jeweils für sich betrachtet werden. Jede Disziplin hat eigene Fans, Regeln, Turnierstrukturen und Umsatzbeteiligungen. Profitable Abteilungen gleichen so aber Verluste anderer Teams aus. Außerdem expandieren große E-Sport-Unternehmen in weitere Branchen – bis hin zu Überlegungen für Fashion-Marken. Große Firmen sehen sich daher nicht so sehr im „E-Sport-Winter“ und betonen, dass sie zwar auf die Rezession reagieren mussten, aber insgesamt gut dastünden.

Kann E-Sport als alleiniges Geschäftsmodell funktionieren? „Es existiert und kann existieren, aber nur für einige wenige“, sagt der Finanzchef von G2 Esports, Philippe Adam. Einerseits gebe es kleine Teams, die sich beispielsweise auf ein Spiel konzentrieren und eine starke lokale Fangruppe haben. Andererseits große, internationale Unternehmen, die sich diversifizieren. Und eine kleine Mittelklasse.