VelodromVor 100 Jahren wurde die Radbahn in Belair eingeweiht: „Ein Wunder an Arbeitsleistung in kurzer Zeit“

Velodrom / Vor 100 Jahren wurde die Radbahn in Belair eingeweiht: „Ein Wunder an Arbeitsleistung in kurzer Zeit“
Das Velodrom von Belair. Im Bild oben das Stadion an der Arloner Straße. Foto: Sammlung Gilles Bosseler

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Vor ziemlich genau 100 Jahren wurde das Velodrom in Belair eingeweiht. Hier und auf der 1935 eröffneten Bahn von Niederkorn schlug das Radsportherz Luxemburgs. 1952 begann der Abriss, während Niederkorn bis 1966 „überlebte“. Seitdem gibt es im Großherzogtum keine Radbahn mehr, und auch der beschlossene Bau in Bad Mondorf verzögert sich weiter. 

1896 wurde im Stadtpark eine 300-Meter-Bahn mit Beleuchtung eingeweiht. Das erste Rennen fand am 15. April statt. Dabei traten sogar Frauen an, was zu diesen Zeiten ziemlich außergewöhnlich war. Jedenfalls verlieh das Velodrom dem Luxemburger Radsport einen großen Aufschwung. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde der Komplex verkauft und die Piste abgerissen, um Platz für eine Schule zu machen. 

Auf Privatinitiative der „Société du Parc des Sports“ mit seinem Sekretär, dem Luxemburger Sportjournalisten Pierre Kellner (1900-1977), entstand in Belair, damals Bel’Air geschrieben, ein Velodrom, das Zweite im Land nach dem „Vélodrome de la Sûre“ in Diekirch. Der Standort war hinter den Häusern in der rue Belair (heute Avenue Gaston Diederich). Baubeginn war 1920, die Einweihung fand am 28. August 1921 statt. Prinz Felix war vor Ort, genau wie die Botschafter aus Frankreich, Italien und Belgien. Höhepunkt war die Ankunft des Grand Prix François Faber. 

„Ein Wunder“

Zeitungsanzeige aus der Anfangszeit
Zeitungsanzeige aus der Anfangszeit Quelle: Sammlung Gilles Bosseler

Am 1. September schrieb das Tageblatt: „Auf der Höhe der Straße nach Arlon liegt jetzt das Velodrom, dieses von den Fahrern mit äußerster menschlicher Anstrengung erstrebte Ziel, vor unseren Blicken. Wir rollen noch ein paar Minuten und unser Wagen hält vor dem festlich geschmückten, in seiner Einfachheit doch monumental wirkenden Eingangstor mit seinem modernen Aufsatz. Zaungäste stehen zu Hauf hier draußen und lauern auf die Ankunft der Rennfahrer. Die Namen Rasqui, Frantz, Clausse wandern von Mund zu Mund. Die Spannung ist auf ihrem höchsten Punkt. Wir treten ein und stehen überrascht und mit einem Anflug von allerdings unberechtigtem Stolz vor dem großartigen Bilde, das sich urplötzlich und unvermittelt vor uns auftut. Wir müssen zugestehen, daß hier in kurzer Zeit ein Wunder an Arbeitsleistung geschehen ist. Schon ist vieles getan und manches bleibt noch zu tun, aber der eiserne, rücksichtslose Wille, der hier herrscht, sagt uns, daß nicht geruht wird, bis das Ganze vollendet ist. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem der „Parc des Sports Bel’air“ uns in den Augen der Fremden in ein höheres Niveau versetzen und alle Luxemburger mit einem nationalen Stolz erfüllen wird.“  Übrigens gewann der Belgier Maurice Depauw die erste Auflage des „Grand Prix François Faber“.

3.500 bis 4.000 Zuschauer sollen zu diesem Zeitpunkt im Velodrom gewesen sein. Die Piste aus Beton hatte eine Länge von 333,33 Metern. Die Haupttribüne war mit einem Dach und auch mit Sanitäranlagen ausgestattet. Da es sich zu dieser Zeit um das einzige Stadion des Landes handelte, wurden auf dem Rasen in der Mitte der Bahn auch Fußballspiele ausgetragen. Vor der Fusion mit dem Sporting trug hier der Racing Club Luxemburg seine Spiele aus, obwohl das Feld nicht die geforderten Dimensionen aufwies, weil es zu klein war. Auch Motorradrennen, Leichtathletik-Wettbewerbe, Turngalas sowie Boxkämpfe wurden dort organisiert, genau wie Konzerte und Ausstellungen. 

Finanzielle Probleme

Finanziell stand das Velodrom allerdings auf wackligen Beinen. Die Ausgaben übertrafen die Einnahmen, sodass die „Société du Parc des Sports“ 1925 liquidiert wurde. Trotz allen Bemühungen des eigens gegründeten „Comité d’initiative François Faber“ und des nationalen Olympischen Komitees (damals COL) zur Übernahme durch den Staat oder die Gemeinde kaufte die belgische Immobilienfirma „Bernheim et Cie.“ den 3,5 ha großen Komplex auf. 1926 und 1927 fand dort noch die „Fête Olympique“ statt, doch anschließend wurde das Velodrom stillgelegt.

Viel los: Ankündigungsplakat für ein Bahnmeeting in den 1920ern  
Viel los: Ankündigungsplakat für ein Bahnmeeting in den 1920ern   Quelle: Sammlung Gilles Bosseler

Die Deutsche Zivilverwaltung beschloss 1941, das Velodrom instand zu setzen, es kam zu einer zweiten Einweihung 1942. Trotz Weltkrieg wurden weiter Rennen gefahren, vor bis zu 10.000 Zuschauern. Lull Gillen bestritt seine ersten Trainingsrunden und Rennen auf dem Belairer Veledrom. Christophe Didier. die Brüder Mett und Pier Clemens, Josi Kraus, Jean Majerus, Fränz Neuens, die Warnier-Brüder und viele andere Fahrer waren die Zugpferde der damaligen Zeit. Nach der Befreiung diente das Velodrom den Amerikanern bis zum Herbst 1945 als Sammellager für deutsche Gefangene. Erst Anfang 1949 wurden wieder Radrennen ausgetragen. Zuvor war aber bereits die 3. Etappe der Tour de France 1947 im Velodrom angekommen. Den 314 km langen Abschnitt von Brüssel nach Luxemburg gewann am 27. Juni der Italiener Aldo Ronconi. Die Lokalmatadoren Jeng Kirchen, Bim Diederich und Jang Goldschmit belegten die Plätze 14, 15 und 17.

Am 8. August 1950 fand das letzte Bahn-Meeting statt. 1952 rückten die Bulldozer an und zerstörten Teile des Velodroms, um Platz zu machen für eine neue Straße (rue Jean-Baptiste Esch) und neue Einfamilienhäuser. Der Abriss der Piste zog sich bis 1958 hin, ehe auch der letzte Teil verschwunden war.  

Im Zeitraffer

– 1888
Auf dem Glacis wird 1888 erstmals für ein Rennen eine ovale Piste aufgebaut. Auf Limpertsberg gibt es zudem ein kleines Velodrom in privater Hand.

– 1894
Das „Vélodrome de la Sûre“ wird in Diekirch eingeweiht.

– 1896
Im Stadtpark in der Hauptstadt entsteht in unmittelbarer Nähe zur Villa Louvigny eine 250 Meter lange Piste. Die Tribüne bietet 250 Zuschauern Platz. 1913 wird die Bahn verkauft und auf dem Gelände eine Haushaltsschule gebaut.

– 1921
Am 28. August eröffnet das Velodrom in Belair mit einer Zuschauerkapazität von 8.000-10.000. 1932 findet das vorläufig letzte Rennen statt, ehe die Nazis das Velodrom Anfang der 1940er Jahre renovieren. 1950 findet das letzte Bahn-Meeting vor dem Abriss statt, der sich über sechs Jahre hinzieht.

– 1935
Einweihung der Bahn in Niederkorn mit einer überdachten Tribüne und Gradins. In der Mitte befindet sich ein kleines Schwimmbecken. 1937 besuchen 7.000 Zuschauer ein Bahn-Meeting. Radsportstars wie Gino Bartali (1938, 1948) und Fausto Coppi (1951) gehen in Niederkorn an den Start. Zwischen 1953 und 1963 finden keine Rennen statt.

– 1966
Das letzte Meeting vor dem Abriss wird am 15. August 1966 ausgetragen. Es ist das bisher allerletzte Rennen in einem Velodrom auf Luxemburger Boden.

– 1974
Erste Pläne der Regierung tauchen auf, auf dem Kirchberg einen Sportkomplex mit olympischem Schwimmbad, Sporthalle und Velodrom zu bauen.

– 1992
Sportminister Johny Lahure (LSAP) spricht von der Wichtigkeit eines Velodroms. Doch fällt die Bahn beim Bau der Coque auf Kirchberg dem Rotstift zum Opfer.

– 1997
Manternach kommt als Standort für ein Velodrom infrage.

– 2001
Serge Kollwelter präsentiert mit einigen Mitstreitern das Projekt „Kockelarena“.

– 2002
Im achten Fünfjahresplan für Sportinfrastrukturen des Staats ist der Bau einer „nationalen Radinfrastruktur“ vorgesehen.

– 2004
Der Bau eines Velodroms in Beles wird diskutiert.

– 2006
Premierminister Jean-Claude Juncker (CSV) redet erstmals davon, ein neues Velodrom in Luxemburg bauen zu wollen.

– 2007
Am Cessinger Stade Boy Konen soll eine Bahn mit Zeltdach entstehen. Sportminister Jeannot Krecké (LSAP) sieht keinen alternativen Standort. Das Vorprojekt wird vorgestellt. Gleichzeitig kommt Diekirch als alternativer Standort ins Gespräch. 2008 wird die Zeltdachkonstruktion für Cessingen verworfen. Für ein komplett geschlossenes Velodrom müsste die Bahn aber verschoben werden. Neue Bodenanalysen werden nötig. Das Velodrom soll eigentlich bis 2012 bezugsfertig sein. Doch die neuen Bodenanalysen fallen kritisch aus und das Projekt verzögert sich weiter.

– 2010
Jean-Claude Juncker legt das Projekt aufgrund der schwierigen finanziellen Situation des Landes bis 2013 auf Eis. Im selben Jahr zeigt die Bürgermeisterin von Mondorf, Maggy Nagel (DP), Interesse an der Radrennbahn.

– 2016
Hesperingen und Mamer sind als neue Standorte im Gespräch. Ende des Jahres erklärt Sportminister Romain Schneider (LSAP), ein Velodrom in das Projekt zum Bau des Gymnasiums in Mondorf einfließen lassen zu wollen.

– 2018
Im April wird das Projekt des Velodroms in Mondorf vorgestellt. Im September wird der Gewinner des Architektenwettbewerbs bekannt gegeben, die Pläne werden präsentiert. Seitdem ist Warten angesagt, wissend, dass die Bauzeit zwischen dreieinhalb und vier Jahren beträgt.

Quelle: Privatarchiv Gilles Bosseler


Weitere Texte zum Velodrom:

– Keine zweite Coque: Das Sportministerium überdenkt die Finanzierung des Velodroms
– Schul- und Velodrom-Projekt am Standort „Gréimelter“ sind etwas ins Stocken geraten
– Ein historisches Projekt: Pläne für Velodrom in Mondorf vorgestellt