Corona-KriseVirtuelle Tests sind für die Dopingjäger der ALAD „keineswegs eine Alternative“

Corona-Krise / Virtuelle Tests sind für die Dopingjäger der ALAD „keineswegs eine Alternative“
Nicht jeder Experte ist der Meinung, dass die Tür in der Corona-Pause für Doper weit offen stehe  Symbolfoto: Michele Limina/AFP

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Die Dopingtests sind weltweit weitestgehend gestoppt. Die Corona-Pandemie macht es den Anti-Doping-Agenturen schier unmöglich, ihre Arbeit durchzuführen – doch die Usada wird kreativ: In den Vereinigten Staaten wurden virtuelle Dopingtests eingeführt. Für dieses Verfahren erntet die Anti-Doping-Agentur viel Kritik. In Luxemburg sei dieses Verfahren „keineswegs eine Alternative“, sagt Dr. Anik Sax, Generalsekretärin der ALAD.

Die Dopingkontrollen sind zurzeit weltweit stark eingeschränkt. Auf Nachfrage der ARD-Dopingredaktion gaben Vertreter der zuständigen nationalen Anti-Doping-Organisationen folgende Antworten: „Die Kontrollen sind sehr stark reduziert“ (Österreich), „Das Dopingkontrollsystem ist gen null gefahren“ (Deutschland), „Bei uns herrscht fast totaler Stillstand“ (Kenia), „Wir sind im Lockdown“ (Südafrika) oder „Wir testen gerade nicht“ (Russland). Auch die luxemburgische Anti-Doping-Organisation ALAD befindet sich im Ausnahmezustand. Dr. Anik Sax, die Generalsekretärin der Agence luxembourgeoise antidopage, sagt: „Bei uns ist es nicht anders als in den meisten anderen Ländernwir testen nicht.“ Sax betont, dass es zurzeit um ein „übergeordnetes Interesse, und zwar die Gesundheit der Bevölkerung und damit auch der Sportler“ gehe. 

Dennoch gibt es Länder, die keinen absoluten Stillstand bezüglich Dopingtests verzeichnen. Durch Norwegen tourt ein steril präparierter Campingbus, der die Sportler zu Hause besucht. Auch der ALAD steht ein solcher Bus zur Verfügung, der zurzeit allerdings nicht benutzt wird. „Es heißt nicht, dass wir nicht arbeiten, nur weil wir keine Tests durchführen“, sagt Dr. Sax. „Wir bereiten uns auf den Tag vor, an dem es wieder losgehen wird.“ Bis zu diesem Punkt wird es, so sagt Dr. Sax, darum gehen, sich auf besondere Sicherheitsmaßnahmen vorzubereiten. „Wir werden Masken und Handschuhe brauchen und beispielsweise schauen müssen, ob der Sportler in Quarantäne ist oder war. Es werden einige Regelungen auf uns zukommen.“

Usada steckt Kritik ein 

In den USA ist man hingegen innovativ unterwegs: Die Vereinigten Staaten führten vor kurzem virtuelle Dopingtests durch. 15 freiwillige Sportler haben sich für die Tests gemeldet, darunter die Olympiasiegerin im Schwimmen, Katie Ledecky, oder der Weltmeister über 200 Meter, Noah Lyles. Die Sportler erhalten ein von der Usada zugesandtes Entnahme-Set und verbinden sich mit der jeweiligen Videokonferenzanwendung, bei der am anderen Ende der Leitung ein Kontrolleur wartet. Der Athlet muss das Innere des Badezimmers oder der Toilette zeigen, bevor er das Smartphone oder die Webcam während der Urinabgabe außerhalb des Raumes platziert, um seine Privatsphäre zu schützen – der Athlet kann also die Tür schließen. Was genau im Badezimmer passiert, wird nicht eingesehen. Dies unterscheidet sich von Routineuntersuchungen, bei denen der Probennehmer den Athleten bei der Herstellung der Probe beobachten muss, um jegliches Risiko einer Manipulation zu vermeiden. Nach der Entnahme der Urinprobe taucht der Athlet mit der Kamera einen Streifen in den Urin, um sicherzustellen, dass die Probe frisch ist. Der Behälter wird dann per Kamera mit einem manipulationssicheren Deckel verschlossen. Die Usada hat für dieses Verfahren schon einiges an Kritik einstecken müssen und auch in Luxemburg geht man eher kritisch mit dem virtuellen Verfahren um. „Ich habe das Gefühl, dass sie sich sagen: Wir können hier nicht sitzen und nichts machen – also machen wir irgendwas“, sagt Dr. Sax.  „Es fängt ja schon damit an, dass es 15 freiwillige Sportler sind. Das läuft nicht nach dem System der Out-of-Competition-Kontrollen, was bedeutet, unangemeldet zu testen. Ich habe eine ganz klare Meinung zu diesem Vorgang und sage, dass diese Art von Tests in Luxemburg keine Alternative ist. Man kann doch nicht so naiv sein, dass man sagt, diese Tests können nicht manipuliert werden!“

Man kann doch nicht so naiv sein, dass man sagt, diese Tests können nicht manipuliert werden!

Dr. Anik Sax, Generalsekretärin der ALAD

Abhilfe könnte ein Untersuchungsverfahren schaffen, das von der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) zurzeit in einem Pilotprojekt getestet wird. Die sogenannte „Dried Blood Spot“-Methode (DBS) ist seit langem bekannt und wird zum Beispiel beim Neugeborenen-Screening eingesetzt. Den Babys wird kurz nach der Geburt, meist aus der Ferse, ein Blutstropfen entnommen, der untersucht und konserviert wird. „Vorteile hierbei sind der minimal invasive Eingriff und die verhältnismäßig geringen Volumina (Blutstropfen), die für eine Analyse notwendig sind“, teilte die NADA mit. Das Analyselabor an der Deutschen Sporthochschule in Köln verfüge über die notwendige technische Ausstattung, um die in einem Blutstropfen enthaltenen Substanzen mit hochempfindlichen chromatografischen, massenspektrometrischen Verfahren zu detektieren. „Leider ist diese Variante noch nicht von der WADA (World Anti Doping Agency) bestätigt worden, aber es wird seit einigen Jahren entwickelt“, sagt Sax. „Es ist ein sehr interessantes Verfahren und wird in Zukunft wohl vermehrt eingesetzt werden.“

Ähnlich kann dies auch im Rahmen von Dopingkontrollen erfolgen, sagte der Leiter des Doping-Kontrolllabors in Köln, Mario Thevis, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Vorteile seien, dass die Entnahme eines Blutstropfens per Video überwacht werden könne, der Eingriff minimal sei und die Proben nicht gekühlt werden müssten. Allerdings könnten laut Thevis nur etwa 60 Prozent der Substanzen überprüft werden wie bei einer regulären Blutkontrolle.

Anti-Doping-Agenturen pausieren nicht 

Auch wenn es eine geeignete Zeit für Doper ist, seien abweichende Werte über Langzeitkontrollen sichtbar und somit könne man auch „über einen längeren Zeitraum herausfinden, wer momentan verbotene Substanzen“ zu sich nehme, so Dr. Sax. Doch für die Generalsekretärin der ALAD ist auch klar: „Die aktuelle Situation lässt die Tür für Doper natürlich weit offen.“ 2019 hat die ALAD einen biologischen Pass bei einer Handvoll luxemburgischen Sportlern eingeführt, um Blutwerte auf langfristige Weise zu beobachten. „Es werden Parameter im Labor analysiert, die auch bei einer herkömmlichen Blutprobe analysiert werden“, erklärt Sax. Dazu zählen unter anderem der Hämatokrit- und der Hämoglobinwert oder eben der Prozentsatz an Retikulozyten. Da die Auswertung dieser Tests aber sehr komplex ist, arbeiten die Luxemburger eng mit dem Institut für Biochemie der Sporthochschule Köln zusammen. 

Aber auch die Sporthochschule hat mit der Corona-Pandemie zu kämpfen. Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Zahl der Proben auf ein Minimum zurückgegangen. Derzeit testen wir circa 95 Prozent weniger Dopingkontrollproben als zuvor, sagte Thevis. Dass Sportler aber wegen eines Wegfalls vieler Tests mehr dopen würden, sieht Inado-CEO (Institute of National Anti-Doping Organisations) Jorge Leyva anders. In einem Presseschreiben teilt Leyva mit: „Es wird nicht vorgeschlagen, dass die Anti-Doping-Organisationen sich zurücklehnen und warten können, bis die Krise vorüber ist. Es scheint nur notwendig zu sein, daran zu erinnern, dass das Anti-Doping in dieser Situation nicht pausiert. Viele NADOs nutzen bereits andere Quellen für Informationen zur Unterstützung ihrer Anti-Doping-Programme: Leistungsdaten, Blutpass, Geheimdienstinformationen, die es ihnen ermöglichen werden, die Tests wieder aufzunehmen, wenn dies wieder möglich ist.“ Einen Stillstand gibt es auch bei der ALAD momentan nicht. Die Nationale Anti-Doping-Agentur bereitet sich auf den Fall vor, dass es wieder losgehen kann. Sax sieht in der Corona-Zwangspause auch Chancen. „Es ist nicht alles schlecht. Man kann die Zeit nutzen, um Systeme zu überdenken.“

Dr. Anik Sax hält von den virtuellen Dopingtests nicht viel. In Luxemburg sei dieses Verfahren „keine Alternative“. 
Dr. Anik Sax hält von den virtuellen Dopingtests nicht viel. In Luxemburg sei dieses Verfahren „keine Alternative“.  Archivbild: Editpress