OmnisportTransgender-Debatte erhitzt den Sport: „Es geht um Menschenleben“

Omnisport / Transgender-Debatte erhitzt den Sport: „Es geht um Menschenleben“
Lia Thomas hat auf dem College Medaillen in Serie gesammelt, doch olympisches Gold wird die US-Schwimmerin niemals holen Foto: John Bazemore/dpa

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Der Umgang mit dem Thema Transgender im Sport erhitzt die Gemüter. Dürfen Athletinnen, die als Mann geboren wurden, gegen Frauen um Gold kämpfen?

Lia Thomas hat auf dem College Medaillen in Serie gesammelt, doch olympisches Gold wird die US-Schwimmerin niemals holen. Weil sie es nicht darf. Denn Thomas durchlief die männliche Pubertät, und das sorgt für Diskussionen, die inzwischen weit über das Schwimmen hinausgehen. Auch im Fußball, Rugby, Rudern und vielen anderen Sportarten stellt sich zunehmend die Frage nach dem bestmöglichen Umgang mit dem Thema Transgender.

Thomas hat erlebt, wie hart diese Diskussion werden kann. Im März schrieb sie Geschichte, als sie College-Meisterin wurde – Floridas Gouverneur Ron DeSantis erklärte danach, die zweitplatzierte Emma Wyant sei die eigentliche Siegerin. Der Weltverband FINA kündigte daraufhin am Rande der WM in Budapest eine entsprechende Regelung an. Demnach dürfen Transfrauen nur noch bei den Frauen antreten, wenn sie geschlechtsangleichende Maßnahmen bis zum Alter von zwölf Jahren abgeschlossen haben.

Seither ist das Thema ein viel diskutiertes, auch im Fußball. Ein FIFA-Sprecher bestätigte der Sportschau, dass der Weltverband eine neue Richtlinie überdenke. „Die FIFA prüft derzeit ihre geschlechtsspezifischen Zulassungsbestimmungen in Absprache mit sachverständigen Interessengruppen“, hieß es.

Am Dienstag beschloss dann die International Rugby League, Transathletinnen bis auf Weiteres von internationalen Frauenwettbewerben auszuschließen. Möglich ist das: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) überlässt es jeder Sportart und ihrem Dachverband, „zu bestimmen, inwiefern ein Athlet im Vergleich zu seinen Mitstreitern einen unverhältnismäßigen Vorteil hat“.

Sorge um Psyche

Caitlyn Jenner, die 1976 als Bruce Jenner Olympiagold im Zehnkampf gewann und 2015 bekannt gab, transsexuell zu sein, begrüßte die Entscheidung der Schwimmer. „Was fair ist, ist fair. Wenn man durch eine männliche Pubertät geht, sollte man nicht die Möglichkeit bekommen, den Frauen Medaillen wegzunehmen“, schrieb Jenner bei Twitter.
Doch ist es wirklich so einfach? In jeder Sportart gibt es schließlich körperliche Unterschiede, die einen Vor- oder Nachteil bedeuten. Wo ist die Grenze zur Unfairness erreicht? Ist – wie etwa in der Leichtathletik – der Testosteron-Spiegel der letztlich entscheidende Faktor? Und was passiert eigentlich im Kopf des Menschen, der oft genug ganz andere Probleme hat?

Der letzte Punkt bereitet auch dem Bundesverband Trans* e.V. Sorgen. Die neue Regelung baue großen Druck auf junge Transmädchen auf, sagte Kalle Hümpfner, zuständig für die gesellschaftspolitische Arbeit, dem Tagesspiegel: „Sie müssen schon früh Entscheidungen treffen, wenn sie in den professionellen Leistungssport einsteigen möchten.“ Wer könne das schon mit zehn, elf Jahren?

Auch US-Fußballerin Megan Rapinoe sorgt sich vor allem um die Psyche junger Menschen. „Es geht um Menschenleben. Das Leben von Kindern ist in Gefahr angesichts der Zahlen von Selbstmorden, Depressionen und schlechter mentaler Gesundheit“, schrieb sie bei Twitter. Für eine Lösung brauche es Zeit, fest stehe aber: „Wir müssen mit Inklusion beginnen, nicht mit dem Gegenteil. Das ist grausam und, ehrlich gesagt, abstoßend.“

Lia Thomas hilft diese Fürsprache nicht, und doch könnte sie eine Art Pionierin werden. Denn Schwimmen soll die erste Sportart werden, in der es künftig eine „offene Kategorie“ bei internationalen Wettbewerben geben wird. Ob das die richtige Antwort auf eine schwierige Frage ist, dürfte aber wohl weiter hitzig diskutiert werden. (SID)