Tennis: Müder Muller unterliegt nach Geduldsspiel

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Im Viertelfinale der US Open besiegte gestern Abend (MESZ) der Weltranglisten-Zweite Roger Federer (Schweiz) den Luxemburger Qualifikanten Gilles Muller (ATP 130) in drei Sätzen mit 7:6 (7:5), 6:4 und 7:6 (7:5)./Claude Clemens

Nach sieben Siegen in Folge wars demnach vorbei, das Muller-Märchen bei den US Open. Ein durchaus schlagbarer Roger Federer profitierte von Mullers verständlicher Müdigkeit nach 18.30 Stunden auf dem Tennisplatz. Die 2.25 Stunden gestern gegen den Schweizer waren zu viel.
Es war kein hochklassiges Spiel, sondern ein Geduldsspiel. Federer ist längst nicht mehr der Alte, und der 1,95-m-Hüne aus Schifflingen spielte nur phasenweise sein bestes Tennis. Federer war immer näher dran an den Breakchancen als Muller und musste eigentlich nur auf die Fehler des Luxemburgers warten.
Schwer tat er sich trotzdem, aber man merkte Muller an, dass es sein achtes Spiel in 16 Tagen war. Stellungsspiel, Vorrücken ans Netz: Die letzte Konsequenz fehlt manchmal, weil sich die Müdigkeit natürlich auch in der Konzentration bemerkbar macht. Die linke Patella-Sehne von Muller war übrigens vorsichtshalber getaped.
Muller gab sich dennoch nie geschlagen, versuchte alles – auch mal einen 2. Aufschlag mit vollem Risiko, nach dem 2. Aufschlag ans Netz, Stop-Versuche oder Lobs –, hatte aber nicht oft genug den gewünschten Erfolg. Oft genug auch, weil einem guten Ball wieder ein vermeidbarer Fehler folgte.
Deren produzierte Muller 32, Federer nur 19. Da halfen auch Mullers 16 Asse (Federer 7) nichts, ebenso wenig wie seine 46 (Federer 42) direkten Gewinnpunkte. Mullers stärkste Waffe, der Aufschlag, kam erneut gut, aber diesmal nicht gut genug. 60 Prozent beförderte der Junioren-Weltmeister von 2001 ins Feld, Federer 61 Prozent. In Punkte umwandeln konnte Muller dagegen „nur“ 77 Prozent seiner ersten Aufschläge, Federer dagegen sehr starke 86 Prozent.
Es war nicht viel, was den Unterschied machte – Muller konnte keine seiner zwei Breakchancen nutzen, Federer hatte deren elf, nutzte auch nur eine –, aber bei den „big points“ in den beiden Tiebreaks spielte der Schweizer seine ganze Routine aus und zog zum 18. Mal in Folge ins Halbfinale eines Grand Slams ein.

Spielverlauf

Einen einzigen Breakball hatte Muller im 1. Satz, beim Stand von 3:3, den er aber nicht verwerten konnte. Ansonsten kam er nie auch nur in die Nähe eines Breakballs. Federer hatte deren gleich fünf beim Stand von 6:5 für sich. Demnach fünf Satzbälle, die Muller allesamt abwehrte und sich in den Tiebreak rettete. Dort konnte er noch einen abwehren, dann machte Federer den Sack zum 7:5 zu. Dabei hätte es anstatt 4:6 aus Sicht von Muller 5:5 stehen müssen, wenn der Luxemburger bei einem Netzangriff konsequenter gewesen wäre.
Im zweiten Satz hatte „Mulles“ beim ersten Aufschlagspiel von Federer einen Breakball, konnte ihn jedoch wieder nicht nutzen. Dann drückte der Schweizer dem Spiel mehr und mehr seinen Stempel auf und hatte schließlich bei 4:4 und 40:0 gleich drei Breakchancen. Zwei wehrte Muller noch ab, dann musste er das 4:5 hinnehmen. Anschließend nutzte die Nr. 2 der Welt direkt den ersten Satzball, um zum 6:4 abzuschließen. Da half auch Mullers T-Shirt-Wechsel von weiß zu blau nichts mehr.
Zu Beginn des dritten Satzes hatte der Luxemburger gleich wieder einen Breakball gegen sich – abgewehrt. Auch die beiden nächsten beim Stand von 4:4 wehrte der Schifflinger ab. Muller steckte nie auf, und bei 6:5 zu seinen Gunsten warf er bei Federers Aufschlagspiel noch einmal sein bestes Tennis in die Waagschale. Er riskierte viel, aber zwei wunderschöne Passierbälle von Federer machten die Hoffnungen auf das Break zum Satzgewinn zunichte.
Der zehnte Mullersche Tiebreak bei diesen US Open stand an. Vor dem verlorenen im ersten Satz hatte er deren sechs von acht gewonnen. Diese Quote konnte er nicht mehr verbessern, auch wenn er alles gab und erneut viel riskierte. 4:1 lag Muller in Führung, es sollte sein letztes Strohfeuer sein. Federer kam zurück, hatte bei 6:5 seinen ersten Matchball, den er auch gleich nutzte.

Was bleibt

Trotz dieser Niederlage hat Gilles Muller ein fantastisches Turnier gespielt. Als erster Qualifikant seit 1999 (als Zweiter überhaupt) bis ins Viertelfinale der US Open gekommen, die Weltranglisten-39. (Haas), -18. (Almagro) und -5. (Dawydenko) besiegt: Dies alles verhilft Muller zum Sprung in die Top 70 der Weltrangliste, seine beste Platzierung seit 2005, seinem bisher besten Jahr als Tennis-Profi.
Fazit: Gilles Muller ist wieder da! Jetzt dürfte aber erst mal eine wohlverdiente Pause auf dem Programm stehen, nach acht Spielen und 20.55 Stunden teilweise hochklassigem Tennis.