SchachSieben Jahre nach dem Start: Luxemburg holt Silber bei 21. Fernschach-Olympiade 

Schach / Sieben Jahre nach dem Start: Luxemburg holt Silber bei 21. Fernschach-Olympiade 
Mannschaftskapitän Théid Klauner verhalf mit einem Sieg gegen England entscheidend zur Silbermedaille Foto: privat

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Luxemburg ist nicht gerade als Schachnation bekannt, dennoch wurde überraschend eine Silbermedaille ins Großherzogtum geholt, und zwar in der speziellen Variante des Fernschachs. Allerdings hat die Digitalisierung der früheren Fernschachromantik arg zugesetzt und stellt diese Disziplin vor eine ungewisse Zukunft.

Normalerweise duellieren sich Schachspieler an einem Brett und sitzen sich dabei gegenüber. Mit der Geschichte des digitalen Zeitalters und besonders während der Corona-Pandemie wurden diese Duelle aber immer öfter auch per Distanz ausgetragen. Allerdings fanden die ersten Partien, bei denen die Gegner ihre Züge in verschiedenen Ländern oder gar Kontinenten ausführten, schon im 19. Jahrhundert statt, als Schachspieler ihren Gegnern die Züge per Postkarte übermittelten. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der sportliche Wettbewerb „aus der Distanz“ (mit als Flaggschiff der Fernschacholympiade) – als Pendant der im Zweijahresrhythmus ausgetragenen Schacholympiade auf dem Brett.

Bei der 21. Auflage der besagten Fernschacholympiade gelang der luxemburgischen Nationalmannschaft mit Jean-Marie Weber, Nico Daubenfeld, Fränk Obertin, Jean-Claude Schuller, Théid Klauner und Marc Mertens eine große Überraschung, indem hinter Deutschland und vor den USA der zweite Platz erreicht wurde. Bis die Silbermedaille unter Dach und Fach war, dauerte es jedoch fast sieben Jahre, da die Vorrunde 2016 und das Finale Anfang 2020 starteten. Da jeder Spieler bis zu fünf Tagen Zeit hatte, auf den Zug des Gegners zu antworten, dauerte die längste Finalpartie über drei Jahre.

Digitalisierung Fluch und Segen

Durch die große Zeitspanne kam es auch schon zu kuriosen Konstellationen: So gewann die auf Erfolge getrimmte Sportnation DDR ihre allerletzte Medaille 1995 bei der Fernschacholympiade, fünf Jahre nach ihrer Auflösung.

Wo früher die Züge per Postkarte übermittelt wurden, geht dies nun praktisch über einen Server. Allerdings bedeutet die Digitalisierung im Fernschach Fluch und Segen zugleich. Da es im Gegensatz zum Normalschach erlaubt ist, die Hilfe von Computern und Schachprogrammen zur Hilfe zu nehmen, hat sich im Fernschach vieles verändert. Wo man früher nach einer kleinen Unachtsamkeit des Gegners mit einer schönen, gewinnbringenden Kombination eine Partie entscheiden konnte, ist dies nun eine absolute Ausnahme, da die Rechner die Spieler vor Fehlern bewahren.

Mit Hilfe dieser vorgefertigten Postkarten übermittelten sich die Kontrahenten früher ihre Züge – dieses Flair gehört allerdings der Vergangenheit an
Mit Hilfe dieser vorgefertigten Postkarten übermittelten sich die Kontrahenten früher ihre Züge – dieses Flair gehört allerdings der Vergangenheit an Foto: privat

Théid Klauner, der Kapitän der luxemburgischen Mannschaft, bedauert die neue Entwicklung: „Es macht weniger Spaß und mein Interesse ist auch gesunken. Es fehlt die Freude, wenn man wie früher eine Partie gewonnen hat. Damals hat man sich auch noch getroffen und die Partien gemeinsam analysiert, nun machen dies die Rechner, wodurch zudem der soziale Aspekt verloren geht. Dadurch enden 99 Prozent der Partien auf Top-Niveau mit einem Remis, da Computer halt keine Fehler machen.“ Tatsächlich endeten im Finale 70 der 72 Partien mit luxemburgischer Beteiligung unentschieden, während die zwei Gewinnpartien gegen England und Litauen zum zweiten Platz reichen sollten.

Wir waren im Finale drei Jahre lang konzentriert und diszipliniert, und wir haben weniger Fehler als die Konkurrenz gemacht.

Théid Klauner, Kapitän der luxemburgischen Mannschaft

Besonders aufgrund dieser neuen Bedingungen ist der luxemburgische Erfolg im Fernschach absolut nicht gleichzusetzen mit einem ähnlichen Ergebnis im Normalschach; dennoch ist für Klauner dieses Resultat hoch einzuordnen: „Es ist immer noch historisch und eine riesige Überraschung, da alle die gleichen Voraussetzungen hatten. Wir waren im Finale drei Jahre lang konzentriert und diszipliniert, und wir haben weniger Fehler als die Konkurrenz gemacht.“ Menschliche Fehler passieren hauptsächlich, wenn ein Spieler sich vertut und einen ungewünschten Zug abgibt, da er sich bereits in einer anderen Stellung wähnt. Am meisten Einfluss hat man hingegen in der Eröffnung, wo man den Gegner schon vor Partiebeginn analysieren muss, um dann die bestmögliche Variante auf das digitale Brett zu bekommen. Anschließend vertraut man hauptsächlich der Rechenleistung des Computers und weniger der Intuition oder eigenen Stärke.

Auf dem Scheideweg

Im Moment des größten Erfolgs sieht Théid Klauner das Fernschach daher auf dem Scheideweg: „Es muss etwas passieren, weil so wird es in zehn Jahren kein Fernschach unter dieser Form mehr geben. Aber alles hat irgendwann sein Ende.“

Sieht man sich das Durchschnittsalter der Finalteilnehmer an, so ist auch das Nachwuchsproblem des Fernschachs klar erkennbar. Für Klauner ist es für junge Spieler auch deutlich attraktiver, die Vielzahl der Online-Angebote mit deutlich kürzeren Bedenkzeiten anzunehmen. Daher wird wohl mehr oder weniger das gleiche Team die 22. Fernschacholympiade in Angriff nehmen, für die man sich dank des zweiten Platzes direkt für die Finalrunde qualifiziert hat. Anschließend wird sich zeigen, ob die Geschichte des Fernschachs bald auserzählt sein wird.