Der FLF-Verwaltungsrat hat mit seiner Entscheidung wahrscheinlich die nächste Image-Krise umschifft. In zwei bis drei Wochen wird der scheidende Fußballnationaltrainer Luc Holtz das Aufgebot für die beiden Heimspiele der WM-Qualifikation (gegen Nordirland und die Slowakei) bekanntgeben. Spätestens dann, respektive bei den zwei Auftritten im Stade de Luxembourg, wären die Diskussionen über die Personalie Gerson Rodrigues mit Sicherheit ein weiteres Mal in der breiten Öffentlichkeit entfacht. So wurde dieser Brandherd schon vor einem großen Feuer gelöscht.
Demnach überrascht der Zeitpunkt der Kommunikation nicht. Allerdings musste man schon zwischen den Zeilen lesen, um die Beweggründe zu interpretieren. Der offizielle Wortlaut: „Das Image des luxemburgischen Fußballverbands und all seiner Mitglieder wurde durch die Affäre Gerson Rodrigues beeinträchtigt. Wir möchten klarstellen, dass der Ruf des Verbands und seiner Mitglieder über jeder Individualität und sportlichen Erwägung steht. Trotz der Ratschläge und Empfehlungen, die die Verantwortlichen des Verbandes dem betroffenen Spieler gegeben haben, hat dieser keine positiven Maßnahmen ergriffen.“
Für Ruhe sorgen
Was das alles zu bedeuten hat, erklärte FLF-Präsident Paul Philipp gegenüber dem Tageblatt in deutlicheren Worten. Zunächst einmal betonte der Verbandschef, dass das Wohl der Nationalmannschaft vor der anstehenden Qualifikations-Kampagne im Vordergrund stand. „Wir wollten mit unserer Pressemitteilung im Vorfeld der Nominierungen für die nötige Ruhe sorgen, damit sich die Mannschaft ohne Störungen auf ihre Länderspiele fokussieren kann.“
Er kam uns nicht entgegen und hat keine Einsicht gezeigt
Die gesellschaftliche Debatte und der politische Druck der Juni-Wochen sind nämlich nicht spurlos an der FLF, dem Nationaltrainer und dem betroffenen Spieler vorbeigegangen. Die Gesellschaft forderte Konsequenzen für die Fehltritte vor und während der Testspiele: die problematische Nominierung des Angreifers, das von Luc Holtz ausgesprochene Teilnahme-Verbot eines Journalisten an einem „Point-presse“, verbale Ausrutscher in der Presse sowie die übergriffige Handlungsweise der Sicherheitsbeamten innerhalb des Stadions – und das Ganze binnen weniger Tage. Woraufhin sich der Fußballverband später öffentlich in einem Schreiben entschuldigte und die Schaffung einer Ethikkommission ankündigte.
Nichts Neues von der Ethikkommission
Im Zuge der Causa Rodrigues wurde am 10. Juli die Gründung einer speziellen Ethikkommission angekündigt, die über die Nominierung des Nationalspielers hätte urteilen sollen. Bislang ist allerdings nichts über die Besetzung dieses Gremiums bekannt. Zwar gab es bereits ein interministerielles Treffen mit der FLF, doch über weitere Schritte wurde – zumindest öffentlich – noch nichts mitgeteilt.
Philipp erklärte, dass zu diesem Zeitpunkt der Schutz seines Verbands die absolute Priorität sei, unabhängig von Erfolg oder Qualität des einzelnen Fußballprofis. „Was zählt, ist, dass die Institution, sprich der Fußball, nicht noch weitere Kratzer abbekommt. Der Verband muss über jedem Einzelnen stehen. Deshalb haben wir in unserer Mitteilung bewusst erwähnt, dass der Status eines Nationalspielers nicht entscheidend ist.“
Anders als die FLF ist Gerson Rodrigues in den Tagen nach der Krise nie von seinem Standpunkt gewichen. Das hat die Mitglieder des Verwaltungsrats letztlich dazu bewegt, ihn nun von der Liste möglicher Kandidaten für Holtz streichen zu lassen: „Wir hatten ihn in Folge der ganzen Dynamik im Juni darum gebeten, Stellung zu nehmen und sich zu entschuldigen. Er kam uns nicht entgegen und hat keine Einsicht gezeigt. Wir hatten ihm durch die Nominierung für die zwei Testspiele eine zweite Chance gegeben. Als wir ihn kontaktiert haben, war er nicht damit einverstanden, sich zu entschuldigen, wie wir es als FLF getan haben.“ Weshalb er am Dienstag telefonisch darüber informiert worden ist, dass er in den nächsten Monaten nicht für die „Roten Löwen“ auflaufen wird.
„Nicht mehr oder weniger schuldig“
Im April war das Urteil gegen Rodrigues vom Berufungsgericht bestätigt worden. Der 30-Jährige gilt wegen häuslicher Gewalt und Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten als verurteilt. Auf die Frage, ob sich jetzt etwas an der Interpretation und den Gefühlen eines Schuldverhältnisses gegenüber dem Sachverhalt im Juni geändert hätte, sagte Philipp: „Es geht um den Ruf des Verbands, der auf dem Spiel steht. Er ist nicht mehr oder weniger schuldig als im Juni. Er wurde von einem Richter schuldig gesprochen. Wir haben ihm diese zweite Chance angeboten. Rechtlich war das nicht falsch, allerdings war es eine ethische Debatte.“
Es ist nicht absehbar, ob es für Rodrigues noch eine Zukunft im FLF-Dress geben wird. Im Dezember endet der Vertrag von Luc Holtz, einem Coach, der sich trotz aller Fehltritte immer hinter das „enfant terrible“ stellte. Philipp wollte trotzdem kein komplettes Aus bestätigen. „Uns war es wichtig, zum jetzigen Zeitpunkt den gesamten Fußball zu schützen. Er wurde ja nicht auf ewig von uns gesperrt, sondern darf vorerst nicht nominiert werden. Wir sind als Verband nicht dafür bekannt, Türen für immer zu verschließen.“ Heißt also, dass der Holtz-Nachfolger sich vielleicht irgendwann die Rodrigues-Frage stellen muss. Bis dahin hat der selbsternannte Boss bei Kanchanaburi Power FC (Thailand), fernab von den Nachrichten in Luxemburg, sicherlich auch Zeit für Selbstreflexion.
„Sind viele gegen mich? Umso besser“
Die Reaktion von Gerson Rodrigues ließ nicht lange auf sich warten. Auf Instagram postete er ein Foto auf dem Fitnessraum mit folgender Nachricht: “Sie können mich beiseite schieben, meinen Namen beschmutzen, aber niemals meine Flamme löschen. Verletzt durch Worte, getrieben von Hass, aber geleitet von Gott und meiner Arbeit. Ich habe nur meine Anstrengungen, um zu antworten. Sind viele gegen mich? Umso besser. Ich gehe geradeaus, mit Kraft statt Tränen. Meine Gemeinschaft steht zu mir.”
De Schnautz soll elo net nach téinen. E soll de Ball ganz flâch halen oder nach besser démissionnéiren.