SexismusLuxemburger Schach-Kommentatorin Fiona Steil-Antoni über den jüngsten Eklat bei Spitzenturnier

Sexismus / Luxemburger Schach-Kommentatorin Fiona Steil-Antoni über den jüngsten Eklat bei Spitzenturnier
Die Luxemburgerin Fiona Steil-Antoni ist seit 2014 als Kommentatorin bei Schachturnieren der Weltelite tätig Foto: Jurriaan Hoefsmit

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Durch die von Weltmeister Magnus Carlsen geäußerten Betrugsvorwürfe gegen Hans Niemann ist die Schachwelt derzeit schon in heller Aufregung. Nun ereignete sich bei einem Spitzenturnier ein hässlicher Sexismus-Vorfall, bei dem ungewollt eine Luxemburgerin mittendrin stand.

Seit 2014 ist die Niederkornerin Fiona Steil-Antoni als Kommentatorin bei Schachturnieren der Weltelite tätig und hat schon viel erlebt. Die Vorkommnisse von diesem Dienstag wird die 33-Jährige aber nicht so schnell vergessen. Beim FIDE Women’s Grand Prix, der prestigeträchtigsten Turnierserie für Frauen, kommentierte Steil-Antoni in Astana (Kasachstan) im FIDE-eigenen Kanal die Partien der neunten Runde, allerdings wie abgesprochen mit einem anderen Partner als in den Vortagen.

Aber genau jener sollte im Laufe der mehrstündigen Live-Übertragung mit wiederholt sexistischen Sprüchen und Aussagen für einen riesigen Skandal sorgen. Der israelische Großmeister Ilia Smirin, früher selbst in den Top 15 der Weltrangliste, wiederholte gar mehrfach, dass Schach eigentlich nichts für Frauen sei. Zudem amüsierte er sich darüber, dass auch Frauen den Großmeister-Titel erlangen können und stellte süffisant die Frage, ob es diskriminierend sei, dass Männer nicht an Frauenturnieren teilnehmen dürfen, Frauen aber an „Männerturnieren“. Neben einer Menge weiterer Entgleisungen lobte er eine Spielerin aus dem laufenden Turnier, da sie „wie ein Mann spiele“. Erste Leidtragende war eben Fiona Steil-Antoni, die etliche Stunden zusammen mit dem 54-Jährigen kommentieren und die unzähligen Attacken ertragen musste, Smirin jedoch immer wieder scharfsinnig mit seinen Aussagen konfrontierte. „Ich habe viel Erfahrung, aber eine solche Situation hatte ich noch nie. Es war nicht einfach und ich war froh, äußerlich ruhig geblieben zu sein, aber innen drin habe ich gekocht“, so die Luxemburgerin, die im Netz von allen Seiten für ihre Coolness gelobt wurde, allerdings wenig Lust verspürte, auch die beiden letzten Tage mit Smirin an ihrer Seite zu kommentieren: „Ich habe mich eh gefragt, wieso er ein Frauenturnier kommentiert, wenn er eine solche Einstellung hat.“

Plötzlich im Zentrum des medialen Echos

In der Schachwelt herrscht derzeit auf mehreren Ebenen helle Aufregung
In der Schachwelt herrscht derzeit auf mehreren Ebenen helle Aufregung Foto: Editpress/Hervé Montaigu

FIDE-Generaldirektor Emil Sutovsky ließ noch abends verlauten, dass sein Landsmann einsichtig sei und sich am Folgetag in der Übertragung entschuldigen würde. Die versuchte Schadensbegrenzung, es auf einen misslungenen Altherrenwitz zu schieben, scheiterte aber aufgrund des Sturmlaufs in den sozialen Medien. Auch der Generalsekretär des europäischen Schachverbandes erboste sich: „Dieses Verhalten darf im Sport nicht toleriert werden und muss bestraft werden. Meine volle Unterstützung an Fiona und an alle, die so behandelt werden.“ Am Mittwoch reagierte dann aber auch der Weltschachverband mit einem Statement, um sich von den Aussagen Smirins zu distanzieren und ihn umgehend von seinen Aufgaben zu entbinden. „Der Befehl kam von ganz oben, da es einen solchen Vorfall noch nie gegeben hat“, so Fiona Steil-Antoni, die aber auch darüber schmunzeln musste, plötzlich selbst im Zentrum des medialen Echos zu stehen: „Ich lese jeden Tag die BBC-Website, hatte aber nie gedacht, mich selbst mal dort auf der Titelseite zu sehen.“

Selbst wurde die Internationale Meisterin vor diesem Eklat noch nicht mit einer solchen Situation konfrontiert, weiß jedoch, dass viele Männer eine solche Einstellung teilen. Einen ähnlich großen Aufschrei gab es 2015, als der frühere Vize-Weltmeister Nigel Short in einem Artikel beschrieb, dass Frauen aufgrund ihrer Anatomie den männlichen Schachspielern in ihrer Denkweise unterlegen seien. Der aktuelle Skandal kommt nicht nur wegen der Carlsen-Debatte für den Weltverband zur Unzeit, da die FIDE das Jahr 2022 als „The Year of the Woman in Chess“ ausgerufen hat und mit zahlreichen Aktionen versucht, das Schachspiel für Mädchen und Frauen zugänglich zu machen und zu fördern. In diesem Rahmen erreichte man auch eine Rekordzahl von 162 Frauenteams bei der Schacholympiade in Indien. Luxemburg war erstmals seit 2010 wegen diverser Absagen nicht mit einer Damenmannschaft vertreten, allerdings komplettierten zwei Frauen das Team in der „Open Section“, nämlich Großmeisterin Elvira Berend und eben Fiona Steil-Antoni.

Fiona Steil-Antoni mit Ilia Smirin (links oben) beim Kommentieren einer Partie des FIDE Women’s Grand Prix auf dem offiziellen Kanal der FIDE
Fiona Steil-Antoni mit Ilia Smirin (links oben) beim Kommentieren einer Partie des FIDE Women’s Grand Prix auf dem offiziellen Kanal der FIDE Foto: Screenshot/FIDE Grand Prix