Schock und Trauer in Misano: In der Motorrad-Weltmeisterschaft gibt es erstmals seit 2003 wieder einen Todesfall. Beim Grand Prix von San Marino in Misano an der italienischen Adria-Küste verlor am Sonntag der erst 19 Jahre alte Japaner Shoya Tomizawa sein Leben. In der 12. Runde des Moto2-Rennens rutschte er über sein Vorderrad weg. Die hinter ihm fahrenden Scott Redding (Großbritannien) und Alex de Angelis (San Marino) konnten nicht mehr ausweichen und überrollten Tomizawa.
De Angelis war danach fassungslos. „Das war der schlimmste Sturz meiner Karriere. Zu diesem Zeitpunkt sind wir beide mit Vollgas gefahren. Als Tomizawa stürzte, habe ich alles versucht, sein Motorrad zu erwischen und nicht ihn. Ich bin unverletzt, das ist unfassbar.“
Bei den sofort eingeleiteten Rettungsmaßnahmen wurden bei Tomizawa schwere Verletzungen im Kopf-, Brust- und Unterleibs-Bereich diagnostiziert. Er wurde daraufhin mit einem Helikopter zunächst ins Krankenhaus nach Cesena und dann weiter nach Riccione geflogen, wo er nach Aussagen von Rennarzt Claudio Costa um 14.19 Uhr seinen Verletzungen aber erlag.
Es ist der erste Todesfall in der Motorrad-WM seit sieben Jahren. Damals war der Japaner Daijiro Kato im Heim-Rennen der MotoGP in Suzuka verunglückt und 13 Tage später seinen Verletzungen erlegen. Die Rennstrecke wurde seitdem nicht mehr im WM-Kalender berücksichtigt. Vor einer Woche war im Rahmenprogramm des WM-Laufes von Indianapolis der erst 13 Jahre alte US-Teenager Peter Lenz auf ähnliche Weise wie Tomizawa ums Leben gekommen.
Die WM-Piloten reagierten geschockt auf die Todesnachricht. Der neunmalige Weltmeister Valentino Rossi, der Misano als sein Wohnzimmer bezeichnet und am Sonntag Dritter geworden war, sagte: „Shoya war ein Super-Fahrer. Als ich die Bilder gesehen habe, hoffte ich, dass nichts Schlimmes passiert ist. Es gibt solche Tage, da möchte man nicht viel sagen.“ Der Spanier Daniel Pedrosa, der das Rennen der „Königsklasse“ MotoGP gewonnen hatte, meinte: „Es geht mir nicht so gut“, meinte der Honda-Pilot und tippte mit seiner Hand Richtung Herz: „Ich habe irgendwo ein Loch in meiner Rennkombi.“
Auch die deutschen Protagonisten ordneten nach der schlimmen Nachricht ihre Ergebnisse neu. „Mir fehlen dazu die Worte. Ich bin in tiefer Trauer. Leider kann man dies nicht mehr rückgängig machen“, sagte der in sich gekehrte Stefan Bradl. Das Rennen, das der spanische WM-Spitzenreiter Toni Elias für sich entschieden hatte, hatte Bradl mit Platz fünf das beste Resultat in der Moto2 gebracht.
Sandro Cortese, der im Rennen der 125-ccm-Klasse ebenfalls Platz fünf erreicht hatte, sagte: „Es geht mir schlecht. Shoya war ein guter Freund. Es wird lange dauern, bis ich das verdaut habe.“ Cortese grübelte an diesem Nachmittag vor sich hin: „In so einem Moment wird mir klar, welchen Risiken man ausgesetzt ist. Aber man verdrängt das, muss es verdrängen. Und so muss es auch jetzt wieder sein. In zwei Wochen gibt es das nächste Rennen.“ Der Sieg ging an seinen Teamkollegen und WM-Spitzenreiter Marc Marquez aus Spanien.
DPA
Der SID hat einige prominente Fälle zusammengestellt:
Juli 1967: Bei der Tour de France kollabiert der englische Radsportler Tom Simpson kurz vor dem Gipfel des Mont Ventoux. Er steigt noch einmal aufs Rad, verliert aber erneut das Bewusstsein und stirbt noch am Straßenrand. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass er Amphetamine und Alkohol konsumiert hatte.
Januar 1991: Der österreichische Ski-Rennläufer Gernot Reinstadler verstirbt nach einem Trainingssturz bei der Lauberhorn-Abfahrt in Wengen.
Februar 1993: Der rumänische Profi Michael Klein stirbt bei einem Dauerlauf mit dem Bundesligisten Bayer Uerdingen an Herz- und Kreislaufversagen.
Januar 1994: Skirennläuferin Ulrike Maier verliert auf der Kandahar-Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen die Kontrolle, schlägt mit 104 km/h auf einen mit einem Strohsack abgepolsterten Schneekeil auf und erleidet einen Genickbruch.
April 1994: Der österreichische Formel-1-Pilot Roland Ratzenberger verunglückt im Training zum Großen Preis von San Marino im Imola tödlich.
Mai 1994: Der dreimalige Formel-1-Weltmeister Ayrton Senna verunglückt beim Großen Preis von San Marino in Imola tödlich. In der Tamburello-Kurve schießt der Brasilianer geradeaus und knallt in die Streckenbegrenzungsmauer, eine Strebe der Radaufhängung bohrt sich durchs einen Helm.
April 1998: Axel Jüptner bricht beim Training mit dem Fußball-Zweitligisten Carl Zeiss Jena bewusstlos zusammen und verstirbt an den Folgen eines Herzinfarktes.
Oktober 1998: Eishockey-Profi Stephane Morin von den Berlin Capitals bricht während eines Spiels mit Herzversagen zusammen, Wiederbelebungsversuche sind vergeblich.
Oktober 2001: Super-G-Weltmeisterin Regine Cavagnoud aus Frankreich stirbt nach einem Zusammenprall mit dem deutschen Nachwuchstrainer Markus Anwander auf dem Pitztaler Gletscher.
Juni 2003: Kameruns Fußball-Nationalspieler Marc-Vivien Foe bricht im Halbfinale des Konföderationen-Cups gegen Kolumbien in Lyon zusammen und stirbt kurz darauf. Offizielle Diagnose: Herzfehler.
Januar 2004: Der ungarische Fußball-Nationalspieler Miklos Feher von Benfica Lissabon erleidet in einem Ligaspiel einen Herzinfarkt und verstirbt wenig später.
August 2007: Der Spanier Antonio Puerta vom FC Sevilla erleidet in einem Liga-Spiel gegen den FC Getafe einen Herzstillstand. Er verstirbt drei Tage später.
März 2009: Handballer Sebastian Faißt von Bundesligist TSV Dormagen bricht während eines Junioren-Länderspiels zusammen und stirbt wenig später.
Februar 2010: Wenige Stunden vor der Eröffnungsfeier der Winterspiele von Vancouver stirbt der georgische Rodler Nodar Kumaritaschwili. Der 21-Jährige aus Georgien erliegt schweren Verletzungen, die er bei einem Sturz im Abschlusstraining am erlitten hatte.
5. September 2010: Der japanische Pilot Shoya Tomizawa stürzt mit Tempo 200 beim Großen Preis von San Marino in Misano schwer und wird von zwei folgenden Motorrädern überrollt. Der 19-Jährige erliegt wenig später im Krankenhaus seinen schweren inneren Verletzungen.
De Maart
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