Der König musste verärgert seinen Thron räumen, sein Kronprinz ist der neue Herrscher in der alpinen „Königsdisziplin“: Mit einem verwegenen Ritt holte sich der Schweizer Franjo von Allmen bei der spektakulären Abfahrt am Zwölferkogel WM-Gold. Auch sein Landsmann und Titelverteidiger Marco Odermatt konnte da nur hochachtungsvoll den Hut ziehen. „Unglaublich“, sagte der große eidgenössische Dominator, „was Franjo geleistet hat“.
Der favorisierte Odermatt, zwei Tage zuvor überragender Weltmeister im Super-G, belegte Rang fünf (+0,66 Sekunden), er schlug sich daher auch frustriert auf den Helm, sagte aber schon bald danach mit einem Grinsen: „Wir sind ein tolles Team, wir pushen uns gegenseitig. Und mir ist es auch lieber, es gewinnt ein Schweizer als ein Österreicher.“ Von Allmen, als Draufgänger bekannt, kündigte an: „Heute Abend werden wir zu Boden gehen, wir werden feiern bis zum Umkippen.“
In Odermatts Spuren
Hinter Von Allmen holte in Alexis Monney (+0,31 Sekunden) ein weiterer Schweizer Bronze. Dazwischen drängte sich Vincent Kriechmayr (+0,24). Der Österreicher war vor vier Wochen in Wengen noch schwer im Ziel-S gestürzt, musste anschließend auf Kitzbühel verzichten, und brachte jetzt zwischenzeitlich die Tribüne im Zielraum zum Beben, als er Monneys Bestzeit unterbot. Zwei Startnummern später jubelten die Schweizer. Er sei nach seinem neunten Platz im Super-G „volles Risiko gegangen“, betonte Von Allmen, „und es ist aufgegangen.“
Von Allmen ist der jüngste „König“ in der Abfahrt seit 1989, als dem damals 21 Jahre alte Hansjörg Tauscher aus Deutschland ein Coup gelang. Von Allmen hat derweil noch lange nicht fertig. Dabei hatte, als er 18 Jahre alt war, seine Karriere schon auf der Kippe gestanden: Sein Vater verstarb, er schlug sich daher eine Weile in seinem erlernten Beruf als Zimmermann durch. In diesem Winter aber startete der Simmentaler durch, gewann im Weltcup den Super-G in Wengen. Auf der großen Bühne trat er nun gleich mal in Odermatts Spuren: Auch dem Titelverteidiger war 2023 der erste Sieg in einer Abfahrt bei der WM gelungen.
Feiern müssen die Schweizer erneut an einem kuriosen Ort. Ihr „Haus“ in Saalbach-Hinterglemm ist tatsächlich nur eine kleine Ecke – im Erdgeschoss des Event-Tempels „Home of Snow“ der Österreicher.
Breezy lässt Konkurrenz stehen
Auch bei den Damen gab es in der Abfahrt eine Überraschungssiegerin. Die US-Amerikanerin Breezy Johnson hat die namhafte Konkurrenz stehen lassen und ihren ersten Sieg als Profi gefeiert. Hinter Johnson, die zuvor auch schon in den Trainings überzeugt hatte, sicherten sich Mirjam Puchner (Österreich) und Ester Ledecka (Tschechien) Silber und Bronze.
Für Johnson, erste US-Weltmeisterin in der Abfahrt seit Lindsey Vonn 2009, war es ein Tag der großen Glücksgefühle – nur allzu verständlich nach ihrer Vorgeschichte. Weil sie innerhalb von zwölf Monaten drei Dopingkontrollen verpasst hatte, war die 29-Jährige im Oktober 2023 gesperrt worden. Der US-Kontrollagentur Usada hatte sie ihren Aufenthaltsort nicht mitgeteilt. Erst seit Dezember fährt Johnson wieder im Weltcup, wo sie noch nie ein Rennen gewonnen hat.
„Es war sehr herausfordernd“, berichtete Johnson im Dezember über ihre Rennpause. Sie war auf sich alleine gestellt, ehe sie wieder starten durfte, auch finanziell: „Ich musste rund 200.000 Dollar aufbringen.“ Für Gold erhält Johnson nun immerhin ein Preisgeld von umgerechnet rund 63.000 Dollar.
Probleme offenbarten etwas überraschend sämtliche Mitfavoritinnen, die allesamt deutlich an den Medaillenrängen vorbeisausten. Federica Brignone (10.), Sofia Goggia (beide Italien/16.), Lara Gut-Behrami (Schweiz/nicht im Ziel) und auch die frisch gekürte Super-G-Weltmeisterin Stephanie Venier (Österreich/9.) erlebten allesamt einen Tag zum Vergessen. Altstar Vonn verpasste einen Coup und wurde 15. (SID)
De Maart
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