In den drei bisherigen Spielzeiten sammelte der ehemalige Davis-Cup-Spieler in elf Begegnungen acht Siege, drei Niederlagen und zwei Aufstiege. Das Tageblatt unterhielt sich eine Woche vor der Begegnung gegen Irland mit dem Kapitän, der sich wie gewohnt sehr direkt gab.
Jacques Radoux Steckbrief
o Geboren am 23. Mai 1969
o Bestes ATP-Ranking:
458 (13. Mai 1991)o Davis Cup:
Spieler (1987-1995): im Einzel 7 Siege, 4 Niederlagen, im Doppel 1 Sieg, 1 Niederlage
Kapitän (seit 2008): 8 Siege, 4 Niederlageno Beruf: Referent am Europäischen Gerichtshof
Tageblatt: Du sprichst oft von Kommunikation. Wie stellst du dir die perfekte Zusammenarbeit auf dem Platz vor?
Jacques Radoux: „Zwischen Spieler und Kapitän muss Vertrauen herrschen. Die Spieler sind in ihrem Film und haben nicht unbedingt den Reflex, einen Schritt nach hinten zu tun und zu überlegen‚ ’was kann ich, was kann der Gegner?’. Der Kapitän kann eine andere Sicht vermitteln. Er muss die richtigen Worte, den richtigen Moment und die richtige Art und Weise finden, um einzuschreiten. Dieses Gefühl muss man entwickeln. Die älteren Spieler kenne ich. Bei den jüngeren muss ich schauen, wie ich sie anspreche. Zusammen mit dem Sportpsychologen Marc Delpierre (der Belgier hat bereits Justine Henin betreut, d. Red.) haben wir ein Bewusstsein bei der Mannschaft entwickelt. Wir wollen bereits vor dem Match einen Dialog herstellen. So habe ich das im Vorjahr gehandhabt. Da waren viele erstaunt, dass ich bereits am Vortag des Spiels damit angefangen habe. Beim Einschlafen kann man den Film des Matches bereits ablaufen lassen.“
„T“: Der Kapitän lernt durch den Mentaltrainer also auch noch dazu?
J.R.: „Mit Delpierre lerne ich einiges. Ich gehöre zum Team wie die Spieler auch. Ich wurde nicht eingestellt, um den Spielern eine Lektion zu erteilen, sondern auch, um mich selbst in Frage stellen. Ich hatte die Chance, verschiedene Spieler bereits gekannt zu haben: Sie kennen und akzeptieren meinen Stil. Bei den anderen ist das schwieriger. Mit den Damen hätte ich wohl Schwierigkeiten, da man eine andere Tonart wählen muss, die ich normalerweise nicht habe. Das heißt nicht, dass ich nicht in einem anderen Ton reden kann, sondern dass ich nicht immer Lust dazu habe. Die Spieler müssen sich auch manchmal Sachen gefallen lassen, die sie nicht hören wollen. Das gilt übrigens auch für mich. Als Mitglied des Teams habe ich ein Ziel: Wie stelle ich mich in den Dienst der Mannschaft? Dass ich selbst einiges anders machen würde, mit Schiedsrichtern, Gegner, Offiziellen, ist so. Ich mache keinen Hehl daraus, immer direkt zu sein. Ich habe meine Meinung und kann diese mit Argumenten belegen. Jetzt ist die Frage, wie drücke ich mich aus: Ist es notwendig, dieses oder jenes so rüberzubringen? In dieser Hinsicht halte ich mich sicherlich etwas zurück. Im Allgemeinen versuche ich stets, eine überlegte Antwort auf ein Problem zu geben.“
„T“: Warum ist Jacques Radoux so direkt?
J.R.: „So verstehen es die Leute am schnellsten. Wenn ich jedes Mal zehn Paare seidene Handschuhe anziehen muss, habe ich vielleicht meine Idee übermittelt, aber mein Gegenüber versteht sie nicht unbedingt. Im Tennis sind wir harte Fakten gewohnt: Du gehst auf den Platz, du verlierst oder gewinnst. Die meisten sind daran gewöhnt. Wenn ein Tennisspieler gut ausgebildet ist, übernimmt er früh Verantwortung. Du stehst alleine auf dem Platz und musst für deine Entscheidungen geradestehen. Im Tennis ist das offensichtlicher als z.B. in einer Mannschaftssportart, wo man ausgetauscht werden kann oder sich verstecken kann auf dem Feld.“
„T“: Welchen Einfluss kann der Kapitän von der Bank aus auf seine Spieler nehmen?
J.R.: „Ich hatte Spieler, wo ich die Richtung nicht geändert bekam. Bei anderen Spielern gelang es nach einem oder mehreren Seitenwechseln, bis die Ruhe wieder da war. Mit Marc Delpierre versuchen wir dieses Problem anzugehen: Es kann nicht sein, dass es drei Seitenwechsel, also quasi einen ganzen Satz braucht, ehe wir zum Stehen kommen und die Maschine wieder am Laufen ist. Ich merke einem Spieler an, ob er das annimmt: An den Augen, an seinem Verhalten, an der Kommunikation, ob er lacht.“
„T“: Wie war Jacques Radoux als Spieler?
J.R.: „Ich muss sagen, dass meine Kapitäne nicht den größten Einfluss auf mich hatten. Ich hatte eine enge Beziehung mit den Leuten außerhalb der Bank, Johny Goudenbour oder Serge Brück. Wir haben uns vertraut und taktisch geholfen, wenn wir mal nicht weiterwussten auf dem Platz. So wurde die Verantwortung verteilt.“
„T“: Vertrauen ist also sehr wichtig?
J.R.: „Ich habe kein eigenes Interesse. Das Interesse liegt in der Mannschaft. Und das langfristig. Da muss man eben Entscheidungen treffen. 2010 habe ich Laurent und Gilles ein Doppel spielen lassen. Auch wenn Gilles vielleicht lieber ausgesetzt hätte. Ich habe ihm gesagt, ich verstehe dich, aber mach einen ’effort’, um langfristig die Mannschaft weiterzubringen. Die Spieler müssen das Vertrauen haben, mir sofort zu sagen ’ich bin nicht einverstanden mit dieser Entscheidung’. Das muss man sofort ausdiskutieren, weil sie es sonst in sich reinfressen und deswegen eine ’contre-performance’ auf dem Platz zeigen. Dann muss man sich den Spieler zur Seite nehmen und ihm mitteilen, ’sag mir, dass du wütend mit mir bist, sag mir, dass ich ein A… bin’. Das Vertrauen muss so sein, dass sie mir das sagen können. Ich mache das ja auch. Ich habe Kremer in Istanbul (2009) viel schlimmere Sachen gesagt und ich bin überzeugt, dass er sie gehört hat.“
De Maart
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