FUSSBALL: „Barça hat schöner gespielt, Inter aber intelligenter“

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Jeunesse-Präsident Jean Cazzaro nach dem Gewinn des 28. Meistertitels

Seit sechs Jahren steht Jean Cazzaro an der  Spitze von Jeunesse Esch. Sechs Jahre, in denen sich auf der „Grenz“ viel verändert hat. Im „Tageblatt“-Interview spricht der Unternehmer u.a. über den Titelgewinn, Trainer Jacques Muller und dessen Vertrag, den Europapokal und die Attraktivität der BGL Ligue. / Christophe Junker

Tageblatt: Herr Cazzaro, wie verlief ihr Wochenende?
Jean Cazzaro: „’Ganz relax an ouni Fussball.‘ Ich saß mit der Familie und Nachbarn zusammen. Einer ist ein früherer Spieler von Jeunesse …“

„T“: … also doch Fußball?
J.C.: „Ein klein wenig. Hauptsächlich Dinge, die man sich untereinander erzählt, nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind.“

„T“: Was bedeutet Ihnen dieser Titel?
J.C.: „Es ist eine große Genugtuung, den Titel gewonnen zu haben. Es ist das Höchste, was man in Luxemburg erreichen kann.“
Macht Jean Cazzaro weiter? 

Ob Jean Cazzaro nach dem kommenden 4. Juli, wenn Jeunesse Esch seine alljährliche Generalversammlung abhält, weiter an der Spitze des Rekordmeisters stehen wird, ist ungewiss. „Ich muss noch ein paar Nächte darüber schlafen, ob ich weitermache oder nicht. Eine Entscheidung habe ich noch nicht getroffen. Als ich vor sechs Jahren Präsident wurde, wollte ich den Verein dorthin führen, wo er sich jetzt befindet. Mein Ziel habe ich demnach erreicht. Selbst wenn ich weitermache, ist es nicht sicher, dass ich überhaupt weitermachen darf. Schließlich sind dieses Jahr Wahlen. Werde ich gewählt, oder nicht? Kandidiert jemand anders? Es bleiben viele Fragen zu beantworten.“
CJ 

„T“: Weshalb eine Genugtuung?
J.C.: „Ich bin vor sechs Jahren Jeunesse-Präsident geworden. Gerade nachdem Jeunesse das letzte Mal Meister geworden war. Ich musste in der Zwischenzeit einige unpopuläre Maßnahmen treffen. Es war im Sinne der Sache. Es gab viele kritische Stimmen gegen mich.“

„T“: Blicken wir ein Jahr zurück. Wie sehr schmerzt noch der Verlust des Europapokalplatzes am letzten Spieltag?
J.C.: „Momentan ist das vergessen. Das jetzige Resultat überwiegt die Enttäuschung vom letzten Jahr.“

„T“: Welche Lehren wurden aus diesem Rückschlag gezogen?
J.C.: „Wir verloren zu viele Heimspiele. Und wir hatten viele Verletzte, der Kader war in der Breite nicht stark genug, um diese Ausfälle kompensieren zu können. Nach diesem Misserfolg saßen Vorstand und Trainer zusammen; was aus diesen Gesprächen rausgekommen ist, hat man letztes Wochenende gesehen …“

„T“: Wie wird die Analyse dieser Saison aussehen?
J.C.: „Man kann immer Dinge verbessern. Wir haben aber noch ein paar Tage Zeit, ehe wir uns zusammensetzen werden. ‚Elo heescht et emol décompresséieren.‘ Die letzten Wochen waren schließlich sehr hektisch. Wir hatten nur einen Punkt Vorsprung auf den F91, und Düdelingen ist schließlich nicht irgendein Klub.“

„T“: Der F91 hat Jeunesse bis zuletzt hart gefordert. Wie groß ist Düdelingens Anteil am Jeunesse-Erfolg?
J.C.: „Ich will ihnen keinen Anteil an unserem Erfolg zuschreiben. Sie haben alles versucht und die beste Rückrunde gespielt, wir die beste Hinrunde. Es ist wichtig zu erwähnen, dass sie eine sehr erfahrene Mannschaft haben, wir dagegen eine sehr unerfahrene hatten. Unser Nervenkostüm war sehr angespannt, damit umzugehen, war sehr schwer. Es war sehr wichtig für uns, das alles erfolgreich zu meistern.“

„T“: Jeunesse wurde unattraktiver Fußball vorgeworfen.
J.C.: „Wir haben mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste herausgeholt. Barcelona hat wohl den besten Fußball in Europa gespielt, Inter Mailand aber den intelligentesten. Was zählt, ist, ob man am Ende erfolgreich ist oder nicht. Einige Beispiele: Wir haben nur 20 Gegentreffer kassiert, davon vier in Düdelingen und fünf in Differdingen. Bleiben elf Gegentore in 24 Spielen. Wir standen während 18 oder 19 Spieltagen auf Platz 1, also ist der Meistertitel auch verdient.“

„T“: Vor der Saison war nicht klar, ob Jacques Muller Trainer von Jeunesse bleiben würde. Was war vor einem Jahr los?
J.C.: „Dass es nach so einem Misserfolg zu Diskussionen kommt, ist normal. Ein Trainer muss Erfolg haben, das ist überall so. Diese Saison wurde bestimmt auch in anderen Vereinen über den Trainer diskutiert. Letzte Saison war es bei uns. Letztendlich trifft immer der Trainer die Entscheidungen, für die muss er geradestehen.“

„T“: Trotz einer erfolgversprechenden Saison zögerte sich die Vertragsverlängerung von Jacques Muller lange hinaus. Warum?
J.C.: „Das war so abgemacht. Wir haben immer betont, Ende März abwarten zu wollen. Ein mörderisch harter Monat März. So hielten wir die Anspannung hoch. Ob Vertragsverlängerung oder nicht, hatte nichts mit dem 0:4 in Düdelingen zu tun. Das habe ich gleich nach dieser Niederlage betont.“

„T“: Die Saison war auch geprägt vom Fall Sabotic …
J.C.: „Mir ist es schwergefallen, ihn, das Jeunesse-Eigengewächs, ziehen zu lassen. Ich kann aber nicht den Trainer rauswerfen, nur weil ein Spieler nicht mit dem Trainer kann. Jacques hätte wohl noch mit Ernad gekonnt.“

„T“: Es wird oft moniert, dass keine Escher Jungs mehr im Team sind.
J.C.: „Wir haben gute Junioren, zwei, drei Jahre müssen wir und diese Spieler noch Geduld und Ausdauer haben. Es setzt sich nicht gleich jedes Talent auf Anhieb durch. Vor einem Jungen wie Ben Payal habe ich z.B. großen Respekt. Der hat sich in Düdelingen durchgebissen. Spieler mit seiner Mentalität braucht man. Cédric Bastos, der aus Rümelingen zu uns stößt, nimmt die Herausforderung Jeunesse an. Er will sich bei uns durchbeißen.“

„T“: Wie schwer wird es, den Titel zu verteidigen?
J.C.: „Sehr schwer. Der F91 ist sehr stark, auch Fola darf man nicht vergessen. Beide verfügen über ein sehr viel größeres Budget als wir, auch wenn wir nicht das Armenhaus der BGL Ligue sind. Hinter uns drängen Déifferdeng 03, Hamm, Grevenmacher. Nächste Saison wird wohl alles noch näher zusammenrücken. Um das zu schaffen, was wir geschafft haben, gehört neben Können auch eine Portion Glück dazu.“

„T“: Was passiert mit dem Geld aus dem Europapokal?
J.C.: „’Dat ass eisen Apel fir den Duscht.‘ Ein Großteil wird für schlechtere Tage beiseitegelegt. Die Champions League wird ein großes Challenge; mit diesen Geldern ist unser Budget für nächste Saison jedenfalls bereits ausgeglichen.“

„T“: Wird auf der „Grenz“ gespielt?
J.C.: „Geht es nach mir, bleiben wir in Esch. Kommen 2.000 Leute zum Spiel, hat man eine andere Atmosphäre als im Josy Barthel.“

„T“: Wie lange spielt Jeunesse noch auf der „Grenz“? Wie sieht es mit dem Projekt „Lentilles“ aus, wo Sie in Zukunft zusammen mit Fola – die sich vehement gegen diese Pläne wehrt – spielen sollen resp. wollen?
J.C.: „Bis es dazu kommt, falls es denn dazu kommt, wird noch viel Zeit vergehen. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist nicht meine Entscheidung oder die von Jeunesse. Ob Jeunesse und Fola eines Tages dort spielen werden, entscheidet ganz allein die Politik, die Escher Gemeindeverantwortlichen. Ich betone, dass ich z.B. voll und ganz hinter einem neuen Nationalstadion stehe. Ich habe aber Angst, dass es auch dort zu baulichen Verzögerungen kommen könnte wie momentan beim Velodrom. Die Handballer und Basketballer haben die Coque. Für den Fußball gibt es momentan nichts auf hohem Niveau. Jede kleine Gemeinde, ich nenne nur Berburg oder Münsbach, hat bessere Sportstätten als die Vereine aus der BGL Ligue, Hesperingen ausgeschlossen.“

„T“: Wie sieht es mit weiteren Neuzugängen aus, wie Aurélien Joachim?
J.C.: „So lange Déifferdeng 03 seine Saison nicht beendet hat, gibt es keine Diskussionen.“

„T“: Haben Sie Verbesserungsvorschläge, wie man die Meisterschaft attraktiver gestalten könnte?
J.C.: „Ich plädiere dafür, ein Spiel freitags auszutragen, zwei samstags und vier am Sonntag. Drei wären besser, dazu eines am Montag. Da wird aber die Sendung ‚Goal‘ ausgestrahlt, deshalb wird daraus wohl nichts. Auch im Ausland wird es so gehandhabt. Spieler und Vereinsverantwortliche hätten auch die Chance, sich andere Spiele anzuschauen. Bestes Beispiel ist unsere Partie montags in Petingen.“