JugendsportEine Welt zwischen Schach und Turnen: Santiago Ortiz Bogdanov ist ein Multitalent auf hohem Niveau

Jugendsport / Eine Welt zwischen Schach und Turnen: Santiago Ortiz Bogdanov ist ein Multitalent auf hohem Niveau
Santiago Ortiz Bogdanov gehört in seiner Altersklasse nicht nur zu den besten Kunstturnern, sondern auch zu den besten Schachspielern in Luxemburg Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Am Mittwoch startet Santiago Ortiz Bogdanov aus Aspelt neben drei anderen Luxemburgern – seinem Bruder Pablo sowie Matthieu Zeihen und Laurent Brittner – bei den diesjährigen EU-Meisterschaften im Schach im österreichischen Mureck. Das Erstaunliche daran ist, dass der erst 12-Jährige in Luxemburg neben dem Schach ebenfalls im Turnen zu den Besten seines Jahrgangs gehört: ein Multitalent auf hohem Niveau.

Im Kunstturnen holte Santiago Ortiz Bogdanov jüngst souverän den Titel in der Altersklasse der 12-Jährigen und auch mit seinem Klub, der Aurore Oetringen, gewann er im Frühling den wohl begehrtesten Titel, die „Coupe de Luxembourg“ bei den Junioren. Im Schach endete die U12-Meisterschaft Mitte April ebenfalls mit dem Titel hinter dem deutschen Konkurrenten. Zusätzlich darf Santiago nach dem Debüt bei der Online-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr (Rang 161 unter 200 Spielern mit 3,5 von zehn möglichen Punkten) mit der Jugend-Weltmeisterschaft in Batumi (Georgien) Mitte September die große Schachbühne betreten. Umso erwartungsvoll blickt der in Differdingen lizenzierte Spieler auf die beiden Großevents: „Ich bin schon sehr gespannt, wie das wird und freue mich schon sehr, in einem anderen Land gegen interessante Gegner zu spielen.“ Nicht minder groß sind für Santiago die Ziele im Turnen: „Ich will auch hier zu Europa- und Weltmeisterschaften, mein Trainer Grigory ist eine große Inspiration, ich würde gerne so gut werden wie er“, gibt er mit einem Lachen zu. Grigory Misutin ist auf der Turnbühne bekanntlich alles andere als ein unbeschriebenes Blatt, holte 1992 u.a. Teamgold bei den Olympischen Spielen.“ 

Während der Corona-Pause machte Santiago (r.) im Schach große Fortschritte
Während der Corona-Pause machte Santiago (r.) im Schach große Fortschritte Foto: privat

Dass sich die Träume nicht von alleine erfüllen, ist dem Aspelter klar und mit fünf Tagen Turntraining die Woche, gepaart mit Schachtraining an den beiden anderen Tagen, ist das Wochenprogramm komplett gefüllt. Die hohe Trainingsbelastung, zusammen mit Turnieren in zwei Sportarten, stört den Aspelter dabei nicht: „Manchmal kann das schon stressig sein, aber auf der anderen Seite macht mir das so viel Spaß, dass ich nicht drauf verzichten will.“ Eine Lieblingssportart hat Santiago dabei nicht: „Ich mache beide gerne. Im Turnen sind es die Freunde und Trainer, die mir helfen und mich weiterbringen. Im Schach habe ich noch zusätzlich meinen Bruder Pablo.“ Auch Mutter Elena, die inzwischen das prall gefüllte Sportprogramm von drei Kindern jonglieren muss, hat nicht zuletzt in der Corona-Zeit gesehen, dass Santiago dies braucht: „Die Langeweile war in dieser Phase auf einmal schon sehr präsent.“

Vom Schwimmen zum Turnen

Dabei ging der erste Weg über das Schwimmen, eine Sportart, die sein älterer Bruder heute neben dem Schach noch erfolgreich bestreitet, bevor, wie sich Mutter Elena erinnert, ein wichtiger Tipp den Ausschlag für die Turnkarriere gegeben hat: „Mein Vater hat Santiago beobachtet und dann gemeint, ich solle ihn mal zum Turnen schicken. Als wir zum ersten Mal den Trainer sahen, gab er uns seine klare Meinung, dass Santiago auf jeden Fall die Voraussetzungen zum guten Turner hat.“ Die Idee mit dem Schachspielen ruht dabei auf eine andere klare Intention, wie Elena berichtet: „Neben den physischen Sportarten wollte ich den Jungs auf jeden Fall etwas für den Geist finden, und da ist Schach die optimale Denksportart.“ 

Eine große Inspiration ist für Santiago Ortiz Bogdanov sein Turntrainer bei der Aurore Oetringen, Grigory Misutin
Eine große Inspiration ist für Santiago Ortiz Bogdanov sein Turntrainer bei der Aurore Oetringen, Grigory Misutin Foto: privat

Nach einem ersten Meistertitel unter acht Jahren im Jahr 2018 hatte es der Differdinger Spieler schwerer, sich bei der in diesen Kategorien großen Konkurrenz durchzusetzen und landete mit den Plätzen vier und fünf 2019 und 2020 jeweils außerhalb der Medaillenränge. Einen richtigen Schub gab ausgerechnet die Coronapause, welche Santiago mit regelmäßigem Online-Spielen nutzte und so die Überholspur nahm: „Diese Zeit hat meinem Spiel enorm geholfen und ich bin im Gegensatz zur normalen Zeit extrem weitergekommen. Auch wenn ich nicht tagtäglich motiviert war auf das Spielen vor dem Computer.“ Schlimmer war die Zeit logischerweise im Turnen, da über lange Zeit der Zugang zu den Geräten in der Halle verwehrt blieb und man dementsprechend auch schnell ein gewisses Leistungslevel verlor. „Ich musste halt zu Hause mit dem Boden zurechtkommen, da fehlte dann oft die Lust zum Trainieren.“ Welche seiner mittlerweile 56 Medaillen die schönste ist, will Santiago nicht bestimmen: „Alle Medaillen sind etwas wert, da sie mit Erfolgen verbunden sind.“ Den Wettbewerb mit seinem Bruder Pablo, der schon 86 erreicht hat, spielt der 12-Jährige auch lächelnd runter: „Beim Schwimmen gewinnt man an einem Tag schon mal öfter mehrere, das geht im Turnen halt nicht so einfach.“ Bei den größten Erfolgen ist der Aspelter derweil erst am Anfang: „Im Turnen bedeutet mir die Coupe de Luxembourg schon viel, weil wir sie mit den Junioren von Oetringen verteidigen konnten. Im Schach ist es sicherlich das Erreichen der EU-Meisterschaft sowie der WM.“

Großer Ehrgeiz

Für Mutter Elena ist dabei der klare Kopf essenziell: „Die Sportarten laufen halt parallel und er darf nichts überstürzen. Nur Schritt für Schritt kann die Konzentration auf die nächste wichtige Sache, egal ob im Turnen oder Schach, gehalten werden.“ Dabei sieht Elena auch immer den unbändigen Willen ihres Sohnes: „Er will unbedingt gewinnen und tut von sich aus alles dafür. Er lässt sich nicht ablenken und erhöht noch die Trainingszeiten, um bestmöglich vorbereitet in den Wettbewerb zu gehen.“ Dabei gibt es im Turnen und Schach andere Voraussetzungen, wie Elena berichtet: „Genau wie Pablo weiß Santiago, dass in Wettkämpfen immer der Stärkere gewinnt und man auch auf Stärkere treffen kann. Im Turnen ist er oft der Favorit und geht mit der klaren Erwartung des Gewinnens an den Start. Im Schach gibt es allerdings logischerweise öfter Partien gegen ältere und stärkere Jugendspieler und ansonsten Turnierpartien, in denen Santiago auch das Verlieren lernen muss. Nur gegen Pablo ist das sehr oft schwierig“, fügt Elena lachend hinzu. 

Fünfmal pro Woche trainiert der 12-Jährige bei seinem Turnverein, der Aurore Oetringen; an den beiden anderen Wochentagen ist Schachtraining angesagt
Fünfmal pro Woche trainiert der 12-Jährige bei seinem Turnverein, der Aurore Oetringen; an den beiden anderen Wochentagen ist Schachtraining angesagt Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Und so freut sich auch die Mutter, wenn Santiago auf internationalem Level antreten darf, und sieht, dass die Konkurrenz im Ausland wesentlich größer ist. So werden im Hause Ortiz-Bogdanov auch immer wieder Urlaube mit Schachturnieren kombiniert; im Turnen ist das Messen mit der ausländischen Konkurrenz dabei wesentlich schwieriger, auch weil die Familie aus organisatorischen Gründen bisher darauf verzichtete, dass er mit dem Nationalkader trainiert „Beim Christmas Gym Cup, leider der einzige große internationale Turnwettkampf in Luxemburg, hat Santiago gesehen, was die ausländischen Turner können. Und sich direkt ein neues Ziel gesetzt“, erklärt Elena. So will Santiago nun unbedingt am Reck die Tkatschow-Grätsche lernen, ein schwieriges Element. Und er hat sich bereits fest vorgenommen, Ende 2022 bei diesem Wettbewerb deutlich besser abzuschneiden als im letzten Jahr.  Doch erst einmal ist der Fokus auf die EU-Meisterschaft im Schach gelegt – Schritt für Schritt eben.