Tageblatt-SerieDurch Zufall zum Para-Sport: Tischtennisspieler Philippe Hein und Matteo Scuto im Porträt

Tageblatt-Serie / Durch Zufall zum Para-Sport: Tischtennisspieler Philippe Hein und Matteo Scuto im Porträt
Matteo Scuto und Philippe Hein beim Training Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Tischtennis ist die inklusive Sportart par excellence. Das Spiel mit dem kleinen Ball ist offen für Jung und Alt, behinderte und nicht behinderte Spieler, wobei sich alle Kategorien gegenüberstehen können. Manchmal fallen kleine Handicaps nicht weiter auf, wie bei unseren beiden Gesprächspartnern. So kamen Philippe Hein und Matteo Scuto nur durch Zufall zum Para-Sport.

„Ich wurde durch einen Spieler, der eine Fortbildung beim Sportdirektor des LPC durchlief, in meinem Verein entdeckt. Der Kursus handelte über das Bewusstsein von Para-Sportlern und hatte als Aufgabe, mögliche Tischtennisspieler mit Behinderungen zum Para-Sport hinzuführen“, erklärt Philippe Hein, Master-Student in Geschichte, seinen Weg vom Vereinssport zum LPC (Luxembourg Paralympic Committee). Im August 2019 wurde Hein auf das LPC aufmerksam gemacht und kurz vor der Pandemie bestritt er seinen ersten internationalen Wettbewerb.

Matteo Scuto hat eine neuro-muskuläre Krankheit, welche die Signale von den Nerven nicht so schnell an die Muskeln sendet
Matteo Scuto hat eine neuro-muskuläre Krankheit, welche die Signale von den Nerven nicht so schnell an die Muskeln sendet Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Matteo Scuto hat eine ähnliche Geschichte. „Unsere aktuelle Trainerin hat mich im normalen Spielbetrieb bemerkt und mich auf meine leichten Probleme beim Gehen angesprochen“, so der aktuelle Schichtarbeiter in einer Wiltzer Fabrik. Scuto überbrückt damit ein Jahr, bis er seine Wirtschaftsstudien beginnen möchte. „Ich hätte nie daran gedacht, dass ich behindert genug bin, um Para-Sport zu betreiben.“ Eine Einstellung, die auch Hein bestätigt. „Wir haben Para-Sport immer mit schweren Behinderungen und Rollstuhlfahrern in Verbindung gebracht.“ In der Tat fallen die leichten Beeinträchtigungen der beiden Tischtennisspieler nicht jedem sofort auf. Scuto hat eine neuro-muskuläre Krankheit, welche die Signale von den Nerven nicht so schnell an die Muskeln sendet. Probleme mit dem Muskelaufbau und dem Gleichgewicht sind hier die Folgen. „Mein Kopf weiß, wo ich mich hinbewegen soll, aber meine Beine folgen nicht schnell genug.“ Hein hat eine linksseitige Hemiplegie, in einer geschwächten Form. Die Motorik auf der linken Körperseite ist eingeschränkt, darunter leidet dann die Mobilität und die Kraft. „Beim Spielen bemerkt man dies bei den Bewegungen von links nach rechts. Ich muss vieles mit der rechten Seite kompensieren.“

Im Para-Tischtennis treten beide Luxemburger in der Klasse 10, mit dem leichtesten Behinderungsgrad, an und müssen sich hier regelmäßig mit Top-Spielern messen. Keine einfache Angelegenheit, weil ihre Konkurrenten unter professionellen Bedingungen trainieren. Mit zwei Trainingseinheiten im Verein, drei im LPC-Kader, sowie zweimaligem Krafttraining und den Spielen am Wochenende verlangt das Tischtennis, als Nebenbeschäftigung, den beiden schon viel Zeitmanagement ab. „Manchmal ist es schon frustrierend, wenn man gegen solche Leute antreten muss“, erklärt Hein. „In unserer Klasse ist Europa der dominierende Kontinent. Es ist für also schwierig, über die Gruppenphase hinauszukommen und sich im Weltranking zu etablieren.“ So freuen sich die beiden Luxemburger schon über die seltenen Satzgewinne auf diesem Niveau. „Es reicht immer für einige Punkte“, fügt Scuto hinzu. „Manchmal für einen Satz. Uns fehlt absolut noch die Konstanz über drei Sätze auf diesem Niveau.“

Verbesserung im Weltranking angestrebt

Philippe Hein hat eine linksseitige Hemiplegie, die Motorik auf der linken Körperseite ist eingeschränkt
Philippe Hein hat eine linksseitige Hemiplegie, die Motorik auf der linken Körperseite ist eingeschränkt Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Philippe Hein spricht eine andere Vorgehensweise an: an Turnieren mit einem niedrigeren Niveau teilnehmen. „Es wäre einen Versuch wert, um es auszuprobieren, wie wir uns gegen schwächere Spieler schlagen würden.“ Nachteile gibt es auch für die beiden im Para-Sport, wenn sie auf Spieler treffen, die keine Probleme mit den Beinen haben. „Zum Beispiel ein Spieler mit einer linken Armamputation spielt dann mit rechts. Im Tischtennis zählt die Beinarbeit recht viel, da sind wir eben im Nachteil.“

Den augenblicklichen Frust im Para-Sport können beide Tischtennisspieler auf nationalem Level kompensieren, indem sie mit Spielern auf einem guten Niveau konkurrieren können. „Dies hilft uns, unsere Motivation aufrechtzuerhalten.“ Und so haben beide doch noch internationale Ziele, wie es Scuto umschreibt. „Bis zum Weltranglisten-20. haben wir keine Chancen, gegen alle anderen können wir irgendwie mitspielen, wenn sie einen schlechten und wir einen guten Tag erwischen. Oft sind das Südamerikaner, die aber nur Turniere dort bestreiten. Momentan steht die Punktejagd für Paris im Fokus. Dies hilft uns nicht unbedingt. Leider spielen wir augenblicklich nur gegen die Weltbesten.“ Der Blick ist also momentan noch nicht auf die Paralympischen Spiele und ähnliche große Meisterschaften gerichtet, wie es Hein erklärt. „Unser erstes Ziel ist es, im Weltranking nach oben zu kommen. Step by Step Plätze wettzumachen. In unserer Klasse sind 60 Spieler im Weltranking vertreten und wir befinden uns eher am Ende des Klassements.“ Gut für die Moral waren die Erfolge bei der rezenten WM in Sheffield, wo jeweils ein Gegner in der Gruppenphase erreichbar für die Luxemburger war. Daran wollen sich Hein und Scuto für die Zukunft orientieren.

Eine Trainerin mit viel Erfahrung

Mit Olga Nemes, einer gebürtigen Rumänin und eingebürgerten Deutschen, als Trainerin können Hein und Scuto aus einer enormen Erfahrung Nutzen ziehen. Nemes besitzt ein umfangreiches Palmarès mit Teilnahmen an drei Olympiaden, zehn Weltmeisterschaften und neun Europameisterschaften sowie 13 Teilnahmen beim Europa Top12. Dies mit zahlreichen Erfolgen auf allen Niveaus. Auch sie kam durch Zufall zum Para-Tischtennis. „Wie das Leben halt so spielt. Mit Chris Peters hatte ich einen Spieler im Verein, in dem ich als Trainerin tätig bin. Er hat mich gefragt, ob ich eine Zeit lang sein Training übernehmen könnte.“ Mit der Zeit kamen andere Spieler hinzu. Nemes leitet seither das Kadertraining des LPC. „Wir versuchen, das Bestmögliche herauszuholen. Leider haben meine Spieler nicht mit zehn Jahren angefangen zu spielen. Ich helfe mit meinen Tipps und meinen Verbindungen, um Lehrgänge mit guten Spielern zu organisieren.“ So gehört Konditionstraining und Krafttraining zum Alltag. „Man muss auf ihre Besonderheiten bei der Beinarbeit eingehen. Die richtige Dosierung ist hier wichtig.“ Nemes ist sich der Schwere der Klasse 10 und sogar der Klasse 9 bewusst. „Das Niveau ist hier sehr hoch, denn die meisten Spieler sind A1/A2 klassiert. Matteo und Philippe sind A3, das sind schon große Unterschiede.“ Die Trainerin bedauert, dass beide nicht im Doppel antreten können, da die Regularien des Para-Tischtennis vorsehen, dass ein Duo aus einem Spieler aus der Klasse 8 und einem Spieler aus der Klasse 10 besteht.

Steckbrief

Philippe Hein
geboren am
9. Mai 1997
wohnhaft in Luxemburg, Student an der Uni.lu
Weltranking WK10: 52
Verein: DT Bridel
Verband: FLTT und LPC

Steckbrief

Matteo Scuto
geboren am
10. Oktober 2000
wohnhaft in Wiltz, Fabrikarbeiter in Wiltz
Weltranking WK10: 46
Verein: DT Esch Abol
Verband: FLTT und LPC

Serie Para-Sportler im Fokus

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des LPC (Luxembourg Paralympic Committee) und der Paralympics 2024 in Paris stellt das Tageblatt in einer monatlichen Serie verschiedene luxemburgische Para-Sportler vor. Nach dem sehbehinderten Judoka Roberto Lomba sind heute die Tischtennisspieler Philippe Hein und Matteo Scuto an der Reihe.

fema@pt.lu
21. Mai 2024 - 10.58

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