Samstag, 14. Etappe:
Die Zahl des Tages:
41 – so viele Etappen in Folge blieb das Team Ineos bei der Tour de France ohne Sieg. Es war die längste Durststrecke in der Geschichte der britischen Mannschaft. Am Samstag in Superbagnères fand sie endlich ein Ende: Thymen Arensman feierte einen beeindruckenden Solosieg. Der letzte Ineos-Erfolg lag fast genau ein Jahr zurück: Am 15. Juli 2023 gewann Carlos Rodríguez die ebenfalls 14. Etappe – damals in Morzine. Für die Niederlande war es zugleich der 169. Etappensieg bei der Tour – der zweite in diesem Jahr nach Mathieu van der Poels Erfolg in Boulogne-sur-Mer.
Der Unfall des Tages:
Schreckmoment am Anstieg zum Col de Peyresourde: Ein Begleitfahrzeug des Teams Ineos erfasste eine Person am Streckenrand. Glück im Unglück – sie konnte wieder aufstehen. Die Jury der Rennkommissäre verhängte dennoch eine empfindliche Strafe: 5.000 Schweizer Franken Bußgeld und eine Gelbe Karte für Sportdirektor Oliver Cookson – wegen „gefährlichen Verhaltens gegenüber Zuschauern“.
„Wir haben versucht, uns einen Weg zu bahnen, aber die Menschen stellen sich einfach mitten auf die Straße. Es ist wirklich beängstigend, in einem Auto bei der Tour de France zu sitzen“, kommentierte Ineos-Sportdirektor Zak Dempster.
Die Ausstiege des Tages:
Schock fürs Gesamtklassement: Remco Evenepoel, Dritter der Gesamtwertung und Träger des Weißen Trikots, stieg bereits am Tourmalet – dem ersten Anstieg des Tages – aus.
„Meine Vorbereitung war nicht ideal, und ich war nicht bei 110 %, was man braucht, wenn man bei der Tour vorne mitfahren will“, erklärte der Belgier. „Seit drei Tagen fühle ich mich nicht gut, und heute Morgen war ich völlig kraftlos. In den Anstiegen hatte ich einfach keine Beine mehr.“ Neben Evenepoel gaben auch der Däne Mattias Skjelmose (nach einem Sturz) und der belgische TotalEnergies-Kapitän Steff Cras (krank) das Rennen auf.

Der Kletterkönig des Tages:
Lenny Martinez setzte schon am Tourmalet zur Solo-Attacke an, wurde erst in der Abfahrt vom Col d’Aspin eingeholt und erreichte den Gipfel des Peyresourde als Zweiter hinter Arensman. Insgesamt sammelte der französische Kletterer 33 Punkte für die Bergwertung und rollte das letzte Stück der Etappe locker zu Ende – mit mehr als 18 Minuten Rückstand auf den Tagessieger. Da er das Gepunktete Trikot als Stellvertreter für Tadej Pogacar trug (der auch Gelb trägt), übernahm Martinez nun offiziell die Spitze der Bergwertung – mit acht Punkten Vorsprung auf Pogacar. „Der perfekte Plan war es, über die ersten drei Berge jeweils als Erster zu fahren – fast hat’s geklappt“, sagte der 22-Jährige. Er ist nun der zweitjüngste Fahrer der Tour-Geschichte, der den Tourmalet als Erster überquert – nur René Vietto war 1934 jünger.
Der Einfallsreiche des Tages:
Kurz vor dem Gipfel des Tourmalet und dem Beginn einer neblig-nassen Abfahrt kam Julian Alaphilippe auf eine kreative Idee: Keine Wärmejacke, keine Zeitungen aus dem Begleitwagen? Kein Problem. Als er an einer Zuschauerin vorbeifuhr, die ein Plakat zu Ehren von Wout van Aert hochhielt, griff sich Alaphilippe kurzerhand das Schild, riss ein Stück davon ab, faltete es und schob es sich unter das Trikot – als zusätzlichen Windschutz für die Abfahrt. Am nächsten Berg, dem Aspin, bekam er schließlich seine Regenjacke zurück. Doch vorher ließ er der Kamera auf dem Motorrad noch eine Nachricht zukommen: „Ich entschuldige mich bei der Dame wegen des Plakats.“
Sonntag, 15. Etappe:
Das Unverstädnis des Tages:
Tadej Pogacar konnte die Taktik des Teams Visma nicht nachvollziehen: Mehrere ihrer Fahrer fuhren an der Spitze des Rennens ein hohes Tempo, obwohl ihr Kapitän Jonas Vingegaard nach einem Sturz zurücklag. „Es waren einige Spitzenfahrer zurückgefallen, also wollten Tim (Wellens) und ich das Tempo drosseln. Aber plötzlich begannen Wout (Van Aert), Victor (Campenaerts) und Matteo (Jorgenson) zu fahren, und ich habe mich sogar dazwischengesetzt, damit sie nicht zu dritt davonziehen. Vielleicht habe ich Jonas damit sogar geholfen – es war eine merkwürdige Situation“, erzählte der Weltmeister. „Ich habe Mühe, das zu verstehen. Wäre ich Jonas, wäre ich heute Abend beim Abendessen nicht besonders gut gelaunt. Ich verstehe, dass sie auch Etappen gewinnen wollen. Aber sie haben immer noch die Chance, die Tour zu gewinnen.“
Die Flaute des Tages:
Wieder nichts … Julian Alaphilippe riss jubelnd die Arme hoch, als er die Ziellinie in Carcassonne überquerte – doch er kämpfte nur um Platz drei. Der französische Etappensieg lässt weiterhin auf sich warten. Nach 15 Etappen ist Alaphilippes dritter Platz sogar das erste Podium für Frankreich bei dieser 112. Ausgabe der Tour de France. Trotz zahlreicher ehrenvoller Platzierungen (am Sonntag erneut vier Fahrer in den Top 10) rückt ein französisches Null-Ergebnis immer näher – zumal die kommenden Etappen, ob in den Bergen oder im Sprint, wenig Hoffnung machen. Eine Tour ohne französischen Etappensieg hat es in der über hundertjährigen Geschichte des Rennens erst zweimal gegeben: 1926 und 1999.
Die Aufholjagd des Tages:
Es gibt auch Lichtblicke für den französischen Radsport bei dieser Tour de France: Kevin Vauquelin liegt weiterhin auf Rang fünf der Gesamtwertung, und ein weiterer Fahrer konnte am Sonntag deutlich aufholen. Jordan Jegat schaffte es in die Ausreißergruppe und belegte in Carcassonne einen starken achten Platz. Damit nahm er dem Hauptfeld mit dem Gelben Trikot 4:31 Minuten ab. Der bretonische Kletterer rangiert zwar immer noch auf Platz 11 der Gesamtwertung, liegt nun aber nur noch 54 Sekunden hinter dem zehntplatzierten Iren Ben Healy.
Die Glücklichste des Tages:
Mit einem humorvollen Schild – „Wout weiß es noch nicht, aber wir werden heiraten“ – stand eine Zuschauerin am Samstag am Tourmalet. Doch Wout van Aert bekam die Botschaft nicht zu sehen: Julian Alaphilippe hatte sich ein Stück des Plakats abgerissen und in sein Trikot gesteckt, um sich auf der Abfahrt vor der Kälte zu schützen. „Ich habe nach einer Zeitung gesucht, aber je näher ich dem Gipfel kam, desto dringender brauchte ich irgendwas“, erklärte der Franzose reumütig. Doch am Sonntagmorgen in Muret konnte die Anhängerin das Ganze mit einem Lächeln abschließen: Sie wurde von Alaphilippe und Van Aert empfangen. „Sie kam zum Bus, ich habe ihr eine Startnummer geschenkt. Sie konnte ein Foto mit Wout machen – also ist alles gut ausgegangen“, meinte „Alaf“ zufrieden. (AFP)

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