Wenn Spitzenkoch dein Traumberuf ist

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Pit Wanderscheid hat es mit 28 Jahren schon in die Welt der Spitzengastronomie geschafft.

Pit Wanderscheid ist eine Erscheinung – als Mensch und als Koch. Mit seinen jungen 28 Jahren hat er einen beeindruckenden Aufstieg in die Welt der Spitzengastronomie hingelegt. Daisy Schengen erlebte einen ehrgeizigen und zielstrebigen Menschen, der trotz seines Erfolges sympathisch und bodenständig geblieben ist.

Von Daisy Schengen

Er habe schon immer gern gegessen, sagt Pit Wanderscheid, und ein verschmitztes Lächeln huscht über seine Lippen. Richtig „fasziniert“ sei er davon schon seit seiner Kindheit gewesen. Die Großmutter, eine gute Köchin, habe damals das Interesse am Kochen in ihm geweckt. „Ein Berufswunsch war ‚Koch‘ zunächst nicht, ich wollte lieber Polizist werden.“

Als Schlüsselerlebnis, das seinen beruflichen Weg in Richtung Gastronomie vorzeichnete, beschreibt Wanderscheid eine Porte ouverte im Lycée technique hôtelier Alexis Heck in Diekirch. „Ich war so fasziniert, dass ich entschieden habe: ‚Das musst du jetzt machen!’“

Gesagt, getan. Nach der neunten Klasse folgte eine Ausbildung zum Koch. Die theoretischen Grundlagen lernte Wanderscheid in der Schule. Am Ende jedes Schuljahres stand ein obligatorisches zweimonatiges Praktikum in einem Restaurant. Sich einen Praktikumsplatz zu besorgen, ist Aufgabe der angehenden Köche. Dadurch sind die jungen Menschen selbst prägend für ihre spätere Karriere in der Küche.

„Das kleine Luxemburg verlassen“

„Ob in Richtung Restaurant mit Michelin-Stern oder in die Pizzeria um die Ecke – wohin den Beruf einen führt, ist Charaktersache. Am entscheidenden Punkt muss sich jeder trauen, den gewählten Weg mit all seinen Konsequenzen zu beschreiten. Manche meiner ehemaligen Mitschüler, die den Sprung in die gehobene Gastronomie nicht gewagt haben, sind heute mit ihrem Beruf unzufrieden, andere haben das Handtuch geworfen und eine neue Herausforderung gesucht“, bedauert Wanderscheid.

Konsequenz, Ehrgeiz, Disziplin, Zielstrebigkeit: Der Spitzenkoch wird während des gesamten Gesprächs immer wieder davon berichten. Seine Karriere liefert die Beweise. Nach dem Schlüsselerlebnis in der Schule begann die Lehre. Neben der beruflichen Theorie lernte er Mathematik, Gesetzesgrundlagen, Französisch. Unabdingbare Grundlagen, will man später Chefkoch werden oder ein Restaurant leiten und mit der Konkurrenz mithalten, unterstreicht er.

Nach dem Abschluss verfolgte er sein Ziel, „das man sich immer vor Augen halten sollte“, konsequent weiter. „Luxemburg ist klein, hier kennt jeder jeden. Wer sich hier einen Namen als Koch machen will, darf nicht im Land bleiben. Man muss ins Ausland gehen, lernen. Immer mit dem klaren Ziel vor Augen. Ohne eine gehörige Portion Ehrgeiz klappt es nicht. Mit Mitte, Ende 20 kommt man als anerkannter Koch zurück, der bewiesen hat, dass er sein Metier meisterhaft beherrscht.“ Wanderscheid ergriff die Chance, ging ins Ausland, lernte von den Besten seines Fachs, probierte sich aus.

Herzenssache Laos

„Im ‚Faventia‘ nahe Cannes (zwei Michelin-Sterne) lernte ich die Basis bei Philippe Jourdin. In Berlin war ich in dem von Thomas Kammeier geführten Restaurant ‚Hugos‘ (ein Michelin-Stern) im Hotel InterContinental tätig. Von dort aus ging es in das belgische Reet, auf etwa halbem Weg zwischen Antwerpen und Brüssel, ins „De Pastorale“ (zwei Michelin-Sterne). Auf der Stromburg, bei Johann Lafer, arbeitete ich als Sous-Chef im Michelin-Restaurant ‚Le Val d’Or‘. Laos, in Asien, sollte meine nächste Station werden.“

Als er von seiner „Herzenssache“ inmitten von Laos erzählt, gerät Pit Wanderscheid ins Schwärmen. Es sei etwas Besonderes gewesen, dieses Projekt in Zusammenarbeit mit der Luxemburger Agentur zur Entwicklungshilfe, LuxDevelopment, zu starten. „Ich wollte schon immer nach Laos gehen, hatte aber keine Drittperson, die mich vermitteln konnte.“ Zum Gelingen der Auswanderungspläne von Wanderscheid spielte der ehemalige Direktor der Hotelschule, inzwischen ein guter Freund, eine entscheidende Rolle. Er habe etwas Spezielles im Sinn, hat er zu seinem Schüler gesagt, er solle sich das mal näher ansehen.

„Mit ‚The Balcony‘ – ein Projekt, das von LuxDevelopment initiiert wurde – bekam ich die einzigartige Chance, das erste Fine-Dining-Restaurant des Landes in der ehemaligen französischen Kolonialstadt Luang Prabang aus der Taufe zu heben.“ Daran angeschlossen ist eine Art Hotelschule. In der Hauptstadt Vang Vieng befindet sich die Zentrale mit einer Management-Schule, wo Service, Hotellerie und Sprachen unterrichtet werden.

Pit Wanderscheids Einsatzgebiet und neue Heimat sollte Vang Vieng werden, eine Kleinstadt mitten im Regenwald. Die Aufgabe des Luxemburgers bestand darin, den Schülern zu helfen, ihre Kenntnisse aus den Kursen in die Praxis umzusetzen.

Mit der Freundin auf den Balkon

Die Reise nach Asien trat der Koch mit seiner Lebensgefährtin an. Sie kümmerte sich nicht nur um das Management im neuen Restaurant. „Ich brauchte jemanden, dem ich hundertprozentig vertrauen konnte“, erinnert sich der Luxemburger.

„The Balcony“ wurde eröffnet. Seinen Namen bekam das „Restaurant gastronomique“ durch seine besondere Lage in der Natur. „Das Lokal erstreckte sich über die gesamte Terrasse. Dunkle Stühle und Tische auf der Innenseite, der Dschungel auf der anderen Seite des Geländers.“

Die Mitarbeiter in Service und Küche hatten es aufgrund eines ‚Defizits‘ dennoch nicht einfach im Berufsleben. „Eine unserer Küchenmitarbeiterinnen war Analphabetin und hat auf einem Markt kleine Pfannkuchen mit Kokosnuss gebacken.“ Niemand habe mit ihr zusammenarbeiten wollen, sagt Wanderscheid. Er gab ihr eine zweite Chance. Ein anderer seiner Mitarbeiter unterrichtete angehende Köche. Durch die Korruption vor Ort schwanden aber die Gelder so schnell, dass ein Unterricht mangels Lebensmitteln quasi unmöglich wurde. „Wir schaffen das gemeinsam“, ermutigte der Luxemburger seinen Kollegen und nahm ihn in sein Team auf. So wuchs die Mannschaft von „The Balcony“ auf rund ein Dutzend Mitarbeiter, jeder von ihnen mit seiner besonderen Lebensgeschichte.

Je nachdem, ob gerade High Season – in der die Touristen in Scharen kommen – oder Low Season, wenn die Einheimischen unter sich sind, herrschte, änderte sich die Arbeitsweise im Restaurant.

In der High Season wurde für die Gäste à la carte gekocht. Der Gewinn floss sofort wieder in das Restaurant zurück, sodass sich das Projekt nach kurzer Zeit selbst finanzierte. „Wir waren das erste Projekt weltweit, das sich selbst trug“, erzählt Wanderscheid gewohnt sachlich, nicht aber ohne ein Quäntchen Stolz.

Während der Nebensaisons wurde das Restaurant zur Ausbildungsstätte von Köchen aus einheimischen Restaurants. Im Rahmen des sogenannten „Passport to Success“-Projekts erwarben die Kursteilnehmer in verschiedenen Kursen Fähigkeiten aus Gastronomie und Service. Die Kosten für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter trugen die Restaurantchefs. Die Einnahmen aus den Kursen flossen ebenso ins Projekt „The Balcony“ zurück.

Dem Metier treu geblieben

„Für ’niedrige‘ Berufe wie den des Kochs gibt es in Laos keine Diplome. An eine Karriere ohne aussagekräftige Zeugnisse war demnach gar nicht zu denken“, so Wanderscheid. Im kleinen Pass wurden die verschiedenen Kurse vermerkt, die der Teilnehmer mit einer kleinen Prüfung in Theorie und Praxis abschloss. Ob Suppe-, Salat- oder Steak-Kurs: In jeder Einheit erlernten die Schüler die Basics der europäischen Küche.

„Dies erforderte von den einheimischen Köchen eine gehörige Portion Disziplin. Rezepte notieren, auswendig lernen. Im Gegensatz zu ihnen sind wir Europäer von Beginn an auf Leistung getrimmt. Bei den Asiaten herrscht in Sachen Arbeitsmoral eine gewisse Nonchalance“, beschreibt Pit Wanderscheid diplomatisch.

Das Projekt „The Balcony“ existiert bis heute. Allerdings ist der Vertrag mit der Luxemburger Agentur für Entwicklungshilfe ausgelaufen. Die von Wanderscheid ausgebildeten Gastronomen sind ihrem Metier treu geblieben. Der ehemalige Lehrer für angehende Köche hat sich zum Sous-Chef im „The Balcony“ hochgearbeitet.

Es dauerte nicht lange, bis auch die Juroren vom „Global Tourism Award“ auf die Truppe und ihre Arbeit in Laos aufmerksam wurden. Im Rahmen dieser Kategorie werden Tausende Projekte weltweit ausgewählt und in den Top 100, 50, 20 bis schließlich Top fünf platziert. „Irgendwann standen wir in den Top fünf. Eine Jury besuchte unser Restaurant und das angeschlossene Hotel mit fünf Zimmern, wo wir die Grundlagen des Hotelierberufs mit all seinen Facetten unterrichteten.“

Die Mühe hat sich offenbar gelohnt. Nach der strengen Prüfung der Juroren erhielt „The Balcony“ den „Preis für das beste Projekt weltweit“. Später kam die Auszeichnung als eines der Top-100-Restaurants in Asien. Hohe Gäste wie der US-Gesandte für Südostasien erwiesen der Fusionsküche Wanderscheids die Ehre und flogen für ein Essen zum Restaurant der Luxemburger.

Nach mehr als einem Jahr in Laos war für Pit Wanderscheid und seine Lebensgefährtin die Stunde der Rückkehr gekommen. „Ich hatte meine Karriere immer fest im Blick. In Asien war ich weit weg vom Geschehen und arbeitete nicht in einem Sterne-Haus. Das Projekt in Laos war eine Herzenssache, die ich sehr gerne gemacht habe.“