Die Lagerhallen der Hilfsorganisationen auf dem Balkan sind mit gespendeten Hilfsgütern und Kleidung für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien überfüllt. Ob im bulgarischen Sofia, im mazedonischen Skopje oder im bosnischen Sarajevo – die Zahl der freiwilligen Helfer ist groß. „Im Bosnienkrieg wurden für uns auch Hilfspakete gepackt“, begründet die Krankenschwester Mubera Sahinagic in Sarajevo, warum sie nach Feierabend nun Kleider sortiert und Pakete verschnürt.
Nicht nur Bosnien und Herzegowina, sondern auch Kosovo und Nordmazedonien haben der Erdbebenopfer mit einer eintägigen Staatstrauer gedacht. Schon seit Tagen sind Rettungsteams und Schlepperkonvois mit Hilfsgütern aus allen Staaten Südosteuropas in der Türkei, aber auch in Syrien unterwegs. Ebenso groß wie die Hilfsbereitschaft ist allerdings auch die Sorge um den eigenen unruhigen Grund: Die in den letzten Tagen vermehrten Erdstöße auf der Balkanhalbinsel rufen grenzüberschreitend ungute Erinnerungen an frühere Erdbebenkatastrophen auf dem Balkan wach.
Ein Beben in einer Stärke von 5,7 auf der Richterskala bei Targa Jiu im Südwesten Rumäniens ließ am Dienstag selbst in Serbiens 218 Kilometer entfernten Hauptstadt Belgrad die Wände wankeln. Von panikartigen Szenen und auf die Straße eilenden Anwohnern berichteten die serbischen Medien vor allem in den grenznahen Regionen. „Bei mir in der Wohnung wackelte alles, selbst der Kühlschrank“, so eine Hochhausbewohnerin in Pancevo: „Ich bin furchtbar erschrocken.“
Schwächere Erdstöße wurden in den letzten Tagen auch in Griechenland, Albanien, Bulgarien und Kroatien registriert. „Es wächst die Angst vor dem Beben!“, titelte am Mittwoch aufgeregt die Belgrader Boulevardzeitung Blic: „Serbien droht ein Erdbeben im Import.“
Verstärkte seismologische Aktivitäten
Nicht nur die großen Erdbebenkatastrophen im rumänischen Bukarest von 1977, das über 1.500 Menschenleben forderte, und im mazedonischen Skopje von 1963 mit über tausend Toten sind auf dem Balkan unvergessen. Ob die jüngsten Erdbebenkatastrophen im kroatischen Zagreb und Petrinje (2020) und albanischen Durrës (2019) oder die bereits länger zurückliegenden Beben im montenegrinischen Bar (1979) und im bosnischen Banja Luka (1969): Auch aus leidvoller Erfahren verfolgen die Bewohner der Region argwöhnisch jede Bewegung im rumorenden Grund.
Die jüngste Erdbebenserie in Rumänien sei sicher ein Hinweis „auf verstärkte seismologische Aktivitäten im gesamten östlichen Mittelmeerraum“, die mehrere Jahre anhalten könnten, so die serbische Seismologin Slavica Radovanovic. Ähnlich starke Erderschütterungen wie in der Türkei seien in Serbien, wo es maximal zu Erdbeben in einer Stärke von 6 auf der Richterskala kommen könnte, allerdings auszuschließen: Eher sei in den nächsten Jahren mit einem „starken“ Beben in Bulgarien zu rechnen.
„Es gibt keinen Grund zur Panik“, versichert auch Dejan Vlasic vom Seismologischen Institut in Belgrad seinen besorgten Landsleuten. Gleichzeitig wartet der Erdbeben-Experte mit einem Ratschlag für den Fall der Fälle auf. Beim Hauptbeben sollte man eben am besten unter dem Tisch oder im Türrahmen einer tragenden Wand Schutz suchen – und danach rasch das Haus verlassen, „damit man bei Nachbeben nicht von fallenden Trümmern getroffen wird“.
De Maart
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