Russlands Wagner-Söldner hatten am Montagabend Fotos vom Stadtzentrum unweit des Rathauses auf einem Telegram-Kanal veröffentlicht. Laut ukrainischen Angaben sind jedoch die Regierungstruppen weiterhin in der Stadt, allerdings vor allem im Westen, wo sich auch das einst in der ganzen Sowjetunion berühmte Salzbergwerk befindet. „Um jedes Haus wird erbittert gekämpft, manchmal wechseln diese mehrmals die Hand“, twitterte der ukrainische Kriegsberichterstatter Juri Butusow.
Unversehens ist die 11.000-Einwohnerstadt Soledar in den letzten Tagen zum Hotspot des russischen Angriffskrieges in der Ukraine geworden. Viel wurde stattdessen über die viel größere, zehn Kilometer südlich an der einstigen Waffenstillstandslinie von 2015 (Minsk I und II) gelegene Industriestadt Bachmut geschrieben, um die sich bereits seit Juli ein erbitterter Stellungskrieg entfaltet hat. Doch mangels Erfolg bei der Eroberung Bachmuts, Putins Lieblingsziel, haben die Wagner-Söldner sich zum Neujahr auf Soledar gestürzt. Dessen Fall würde die ukrainische Armee um eine logistisch wichtige Versorgungsroute in der Gegend bringen. Fällt Soledar, folgt wohl bald auch Bachmut. Kremlherr Wladimir Putin wäre damit seinem Ziel der Eroberung des ganzen Donbas näher als je in den vergangenen 322 Kriegstagen.
Noch aber findet in der eisig gefrorenen Ostukraine ein erbitterter Stellungskrieg um Bachmut, Soledar und die westlichen Vorstädte der Separatisten-Hochburg Donezk statt. Bei minus 18 Grad harren Hunderte Soldaten auf beiden Seiten in Schützengräben aus – wie vor über 100 Jahren bei Verdun. Die Gebietsgewinne halten sich bisher auf beiden Seiten in Grenzen. „Wir kämpfen um jeden Zentimeter ukrainischer Erde“, hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die ukrainischen Truppen erst gerade wieder in seiner allabendlichen „Rede an die Nation“ angespornt. Vor allem Bachmut ist dabei sowohl für Selenskyj als auch für Putin zum Symbol geworden. In der Ukraine wird von einer „neuen Heldenstadt“ gesprochen, in Anlehnung an die „Heldenstadt Odessa“ im Zweiten Weltkrieg.
Strategischer Wert begrenzt
Könnten die Russen jedoch in den nächsten Tagen – unter sehr hohen Verlusten unter gerade neu mobilisierten Rekruten der regulären russischen Armee – Bachmut und Soledar erobern, ist der strategische Wert der beiden Städte in der jetzigen Kriegsphase begrenzt. Wichtiger erscheinen im Vergleich dazu die Gebietsgewinne der ukrainischen Streitkräfte rund 50 Kilometer nördlich von Soledar bei der Rückeroberung an der Linie Swatowe-Kreminna in der Oblast Luhansk. Auch hier wird allerdings seit Herbst erbittert um jeden Meter gekämpft.
Die beiden heftig umkämpften Hotspots im Donbas zeigen, dass der Impetus der ukrainischen Rückeroberungen in diesem Winterkrieg gebrochen ist. Der erwartete Angriff auf Melitopol und die Krim im Süden des Landes lässt auf sich warten. Stattdessen haben sich die Truppen im Donbas eingegraben. Und vieles sieht danach aus, dass alleine die viel gerühmte westliche und so modernere Winterkleidung der ukrainischen Soldaten nicht kriegsentscheidend ist.
Putin hat dagegen in Moskau gerade den wegen Erfolglosigkeit in der Ukraine in Russland viel kritisierten General Alexander Lapin zum Oberbefehlshaber aller russischen Bodentruppen befördert. Der einstige Herr über Bachmut und Slowjansk vom Frühsommer 2014, der russische Geheimdienstagent Igor Girkin alias Strelkow wiederum forderte am Dienstag erstmals Putins Demission.
De Maart
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