Orientierungslos im Nordatlantik

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Von unserem Korrespondenten André Anwar

Am Dienstag wählt Grönland ein neues Parlament. Die größte Insel der Welt hofft auf ihre völlige Unabhängigkeit von Dänemark. Das wird aber noch dauern. Umfangreiche Bodenschätze, mehr Tourismus und umstrittene Investitionen aus China könnten dabei helfen.

Grönland ist noch zu 80 Prozent von Eis bedeckt. Klimawandel und Eisschmelze nähren jedoch auch bei den am Dienstag stattfindenden Parlamentswahlen die Hoffnung der 56.000 Grönländer auf die Unabhängigkeit von Dänemark. Denn wenn das Eis schmilzt, sollen gigantische Mengen an Bodenschätzen, unter anderem Erdöl, Uran und seltene Erden, erstmals förderbar werden. Dann könnte die arme Insel sehr reich werden.

Unabhängigkeit steht im Fokus

Im Grunde wollen alle Parteien diese Unabhängigkeit. Nur das „wie und wann“ ist strittig. Seit 2009 hat Grönland in einem Teilautonomie-Referendum unter anderem die zentrale Hoheit über seine Bodenschätze von Kopenhagen zurückerlangt. Doch bislang ohne nennenswerte Erfolge bei der Förderung. Dementsprechend ist Grönland mit seiner hohen Arbeitslosigkeit und der Fischerei als traditioneller Haupteinnahmequelle auch knapp zehn Jahre nach der Teilautonomie noch immer weitgehend abhängig von Dänemark.

Die dänische Staatskasse unterstützt Grönland mit 3,7 Milliarden Kronen (500 Millionen Euro) im Jahr. Das ist rund die Hälfte des grönländischen Jahresbudgets. Die Kernbereiche Außen- und Sicherheitspolitik bleiben in dänischer Regie, bis die Insel dank anderer Einnahmequellen keine Zuschüsse mehr aus Kopenhagen braucht und in die völlige Unabhängigkeit entlassen werden kann, so die Vereinbarung. „Was diese Wahl ausmachen wird, ist, welche Partei die attraktivste Politik für die Selbstständigkeit auf lange Sicht versprechen kann“, so Ulrik Pram Gad, dänischer Grönland-Experte von der Universität Aalborg.

Rot-rote Koalition wird wohl bleiben

Um die 31 Plätze im grönländischen Parlament schlagen sich am Dienstag sieben Parteien. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen wird derzeit in Umfragen zwischen den beiden stärksten Parteien, der sozialdemokratischen Siumut, angeführt von Regierungschef Kim Kielsen (51), und der Linkspartei Inuit Ataqatigiit (IA) und ihrer Chefin Sara Olsvig (39) vorausgesagt. Beide Parteien haben Grönland schon zuvor angeführt. Derzeit führen sie eine Koalitionsregierung miteinander unter Führung der Sozialdemokraten. Eine Fortsetzung der rot-roten Koalition mit dem Wahlsieger in der Führung gilt als wahrscheinlich. Gestritten wird über die Fangquoten und die Frage, ob die Wirtschaft auf die Hauptstadt Nuuk konzentriert werden soll oder verstreut im ganzen Land angesiedelt werden soll.

Hoffen auf China

Zum einen will die größte Insel der Welt im Tourismus eine neue Einnahmequelle errichten. Dabei schaut das Land auf die relativ nahe gelegene Nordatlantikinsel Island, die ihre Touristenzahlen seit einem großen Finanzkollaps 2009 binnen weniger Jahre von 600.000 auf 1,8 Millionen steigern konnte. Island ist allerdings kaum vergleichbar mit dem unterentwickelten Grönland: Hier fehlt es an elementarer Infrastruktur wie internationalen Flughäfen, Hotels und Straßen.

Zum anderen hofft man weiterhin auf ausländische Investoren. Als besonders präsenter, aber umstrittener Investor gilt China. China hat bereits Interesse am Ausbau von drei Flugplätzen angekündigt, die auch den Tourismus beflügeln könnten. Im Oktober 2017 war die grönländische Regierung in Peking, um die Beziehungen zu vertiefen. Das Reich der Mitte investiert bereits in den Bergbau.

Grönland könnte für China ein wichtiger Zugang zur Arktis und ihren Bodenschätzen werden. Doch das Mutterland Dänemark ist Mitglied der NATO, und damit gehört auch Grönland zur westlichen Allianz. Sollte die Insel tatsächlich selbständig werden, könnte es einen anderen Weg wählen, befürchten westliche Sicherheitsexperten derzeit. Auch wenn das noch Zukunftsmusik ist, fordern sie ein stärkeres Engagement ihrer Länder bei der Entwicklung Grönlands, um es nicht anderen Nationen zu überlassen.

Dänische Königin ist Staatsoberhaupt

Grönlands Fläche entspricht gut dreimal der von Frankreich. Grönland ist damit die größte Insel der Welt. 80 Prozent der Landesfläche sind jedoch mit Eis bedeckt. Der Rest hat zirka die Größe von Schweden. Seit 1814 ist Grönland eine dänische Kolonie. 1953 wurde der Status in den eines dänischen Regierungsbezirks umgeändert. 1979 bekamen die Grönländer erstmals begrenzte Rechte zur Selbststeuerung ihres Landes. Sie nutzten sie, um wenige Jahre später aus der heutigen EU auszutreten.

2009 folgte die Teilautonomie von Dänemark, mit grönländischer Hoheit über die eigenen Bodenschätze. Allerdings müssen die Einnahmen zunächst in die Reduzierung der umfangreichen finanziellen Hilfeleistungen durch Dänemark gehen, so die Vereinbarung. Erst wenn Dänemark kein Geld mehr zahlt, kann die von einer großen Mehrheit gewünschte völlige Unabhängigkeit erklärt werden. Heute ist die dänische Königin Staatsoberhaupt von Grönland.