Zumindest der unermüdliche Berufsvermittler scheint die Lust am fruchtlosen Dauerfingerhakeln mit seinen Sorgenkindern nicht verloren zu haben. Die Vorbereitungen auf die nächste Runde des sogenannten Nachbarschaftsdialogs liefen „in voller Geschwindigkeit“, erklärt der EU-Sonderbeauftragte Miroslav Lajcak vor dem am Donnerstag steigenden Gipfeltreffen von Kosovos Premier Albin Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vucic voller Tatenddrang: „Wir arbeiten an positiven Ergebnissen.“
Erneut nimmt Brüssel einen Anlauf, um die beiden EU-Anwärter 24 Jahre nach Ende des Kosovo-Kriegs endlich zu einem Ausgleich und zur Umsetzung des erst im März vereinbarten Abkommens von Ohrid zu bewegen. Doch die Erfolgsaussichten scheinen gering. Statt in neuer Beweglichkeit üben sich die Ex-Kriegsgegner gewohnt unversöhnlich im diplomatischen Grabenkrieg.
Die EU müsse Serbien mit der Wiedereinführung der Visapflicht und dem Stopp ausländischer Direktinvestitionen drohen, um Belgrad zu einer kooperativeren Haltung zu bewegen, fordert Kurti. Kosovos Premier sei selbst die „größte Bedrohung für den Frieden“, poltert der serbische Außenminister Ivica Dacic zurück: „Der Frieden in Kosovo wird nur dank Serbien bewahrt.“
Doch die Erfahrung lehrt, dass eingefrorene Konflikte auch noch nach Jahrzehnten zu bewaffneten Konflikten führen können
Freudig, aber verfrüht hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am 18. März nach seinem Treffen mit Kurti und Vucic am mazedonischen Ohridsee den Versöhnungsvollzug verkündet: „Wir haben einen Deal.“ Tatsächlich ist das Abkommen, das die unwilligen Nachbarn einander näherbringen sollte, bis heute nicht unterzeichnet: Ein halbes Jahr nach Ohrid scheinen Belgrad und Pristina von einem dauerhaften Ausgleich weiter entfernt als je zuvor.
Mit klaren Vorgaben und Fristen hatten die EU-Vermittler beim Ohrid-Abkommen die Fehler des nie vollständig umgesetzten Brüsseler Abkommens von 2013 vermeiden wollen – und ließen sich doch wieder auf der Nase herumtanzen. Bereits als Vucic sofort nach der Rückkehr aus Ohrid demonstrativ von dem Abkommen abrückte, schwiegen sich die EU-Seelenmasseure genauso diplomatisch aus wie bei den ersten offensichtlichen Vertragsverstößen beider Seiten.
„Eingefrorener Konflikt“
Entgegen der Ohrid-Vereinbarung, sich nicht länger dem Zutritt Kosovos zu internationalen Organisationen zu widersetzen, protestierte Belgrad sowohl gegen Pristinas Aufnahmegesuch in den Europarat als auch gegen die Aufhebung der Schengenvisapflicht für Kosovaren im nächsten Jahr. Umgekehrt ließ Pristina der Zusage, „unverzüglich“ die Schaffung eines Verbands der serbischen Kommunen in Angriff zu nehmen, keinerlei Taten folgen: Stattdessen scheint Kurti bei der Befriedung des serbisch besiedelten Nordkosovo vor allem auf Polizeigewalt zu setzen.
Mit verstärktem Druck wollen die EU-Partner ihre Sorgenkinder nun zurück auf die Verständigungsspur zwingen. Die Zeit drängt. Nächstes Jahr stehen Europa- und die US-Präsidentschaftswahlen an: Danach könnte sich die anvisierte Lösung des Kosovo-Konflikts erneut auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben. Doch innenpolitische Spannungen in Kosovo und sich wieder einmal abzeichnende Neuwahlen in Serbien lassen kaum auf einen baldigen Kompromiss hoffen. Denn Wahlkämpfer sind auf dem Balkan selten zu Zugeständnissen bereit.
Der Dialog sei „klinisch tot“, konstatiert der Belgrader Politologe Stefan Surlic. Als „tote Worte auf dem Papier“ bezeichnet auch der Politologe Ognjen Gogic die von der EU bisher vermittelten Vereinbarungen – und spricht von einem „eingefrorenen Konflikt“. Derzeit existiere zwar kein Risiko eines Waffengangs: „Doch die Erfahrung lehrt, dass eingefrorene Konflikte auch noch nach Jahrzehnten zu bewaffneten Konflikten führen können.“
De Maart
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