Keine „europäische Lösung“ bei der Flüchtlingspolitik in Sicht

Keine „europäische Lösung“ bei der Flüchtlingspolitik in Sicht

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Von unserem Korrespondenten Eric Bonse, Brüssel

Auch nach dem Krisentreffen zur Flüchtlingspolitik am gestrigen Sonntag in Brüssel zeichnet sich keine „europäische Lösung“ ab, wie sie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel fordert. Italien stellt sich quer, Malta warnt vor einer Eskalation.

Bei einem eigens einberufenen Minigipfel in Brüssel ist es Angela Merkel nicht gelungen, die teilnehmenden 16 EU-Länder auf einen gemeinsamen Kurs in der Flüchtlingspolitik zu verpflichten. Merkel sagte nach dem Treffen, es gebe „viel guten Willen“. Doch eine „europäische Lösung“ zeichnet sich auch nach dem gut vierstündigen Treffen nicht ab.

Italien stellte sich quer und präsentierte einen eigenen, radikalen Zehn-Punkte-Plan. Auch die von Merkel angestrebten Absprachen mit einzelnen EU-Ländern zur Rücknahme von Aslybewerbern kamen bei dem Treffen kaum voran. Man werde „in den nächsten Tagen bis zum Europäischen Rat, aber natürlich auch danach weiter an einer Lösung“ arbeiten, sagte Merkel.

EU droht ein Debakel

Damit droht nun eine weitere Zuspitzung der Krise um die Flüchtlingspolitik. Merkel steht innenpolitisch unter hohem Druck, weil der deutsche Innenminister Horst Seehofer mit einem asylpolitischen Alleingang droht und andernorts registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen will. Aber auch der EU droht ein Debakel – eigentlich wollte sie beim regulären Gipfeltreffen Ende dieser Woche eine Lösung präsentieren.
Conte will mit Dublin Schluss machen

Doch die ist nun in weite Ferne gerückt. Bis zum EU-Gipfel, der am Donnerstag beginnt, werde noch keine Gesamtlösung möglich sein, sagte Merkel. Deshalb gehe es in den nächsten Tagen um bi- oder trilaterale Absprachen, wie man fair miteinander umgehen und einen Ausgleich schaffen könnte. Dazu will Merkel in den nächsten Tagen weitere Gespräche führen. Sie setzt vor allem auf die neue Regierung in Spanien, aber auch auf Griechenland.

Italien stellt sich quer

Mit Italien, wo derzeit die meisten Flüchtlinge ankommen, zeichnet sich hingegen keine Verständigung ab – im Gegenteil. Der neue Ministerpräsident Giuseppe Conte präsentierte einen Zehn-Punkte-Plan, in dem er die Überwindung des sogenannten Dublin-Systems fordert. Dieses System bindet vor allem jene EU-Länder, in denen Flüchtlinge ankommen, wie Griechenland und Italien, und entlastet andere Länder wie Deutschland oder Frankreich.

Damit will Conte Schluss machen. Er fordert ein neues System „sicherer Häfen“, zu denen nicht nur Italien zählen dürfe. Das Hauptziel müsse es sein, die illegale Migration nach Europa weiter drastisch zu reduzieren, unter anderem über Abkommen mit den Herkunftsländern und sogenannten Schutzzentren in Transitländern. Unter diesen Bedingungen würden Bewegungen innerhalb der EU dann „zur Nebensache“, heißt es in dem italienischen Papier.

Doch genau um diese „sekundären Bewegungen“ – etwa von Italien nach Österreich und dann von Österreich nach Deutschland – geht es Merkel. Um Innenminister Seehofer zufriedenzustellen und ihre Macht zu sichern, will sie die Weiterwanderung einschränken und Rückführungsabkommen schließen – auch mit Italien. Doch Conte zeigte in Brüssel kaum Neigung, auf diesen dringenden Wunsch der Kanzlerin einzugehen. Auch die anderen Staats- und Regierungschefs wollten sich nicht einspannen lassen.

Kein Land will Asylzentren

„Es geht nicht darum, ob Frau Merkel nächste Woche noch Kanzlerin bleibt oder nicht“, meinte Xavier Bettel. „Es geht nicht um den innerdeutschen Streit“, betonte auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, der am 1. Juli die halbjährlich wechselnde EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Kurz hatte den auf Merkels Wunsch kurzfristig einberufenen Sondergipfel vorab heftig kritisiert, bot sich nun aber als „Brückenbauer“ vor allem mit Osteuropa an.

Um einen Kompromiss will sich auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bemühen, der formal als Gastgeber firmierte und sogar ein fertiges Gipfelpapier präsentiert hatte, das auf Druck Italiens aber wieder zurückgezogen wurde. Im Mittelpunkt steht dabei die Abschottung der EU-Außengrenzen und die Errichtung von Auffanglagern für Bootsflüchtlinge inner- oder außerhalb der EU. Damit soll offenbar der Druck von Italien genommen werden.

Doch bisher hat sich kein Land bereit erklärt, solche Asylzentren zu beherbergen. Zusätzlich angeheizt wird der Streit durch Spannungen zwischen Frankreich und Italien. Beide Länder werfen sich gegenseitig vor, zu wenig für den Schutz von Flüchtlingen zu tun. Der Regierungschef Maltas, Joseph Muscat, warnte nach dem Treffen vor einer Eskalation der Krise. Nun müsse schnellstmöglich an „operativen Lösungen gearbeitet werden. Beschlüsse seien nicht gefallen und auch vom nächsten Gipfeltreffen, an dem dann alle 28 EU-Chefs teilnehmen, nicht zu erwarten.

BillieTH
25. Juni 2018 - 17.14

weil die EU Politiker an die Genfer Abkommen festhalten... gibt es dafur noch ein Trageflach in der EU, dass heisst, bei der Bevoelkerung, nicht nur bei die Politiker und NGOs ?

CESHA
25. Juni 2018 - 9.08

Da fällt mir nur das Zitat "Same procedure as every year" ein. Es wird geredet, und nichts passiert. Ausser, dass die illegale Einwanderung munter weitergeht, natürlich :-(