Angela Merkel hole die Menschen mit ihren Äußerungen nicht mehr ab, sagt FDP-Chef Christian Lindner, und da ist was dran. Der Lockdown quält, die Ungeduld wächst, doch die Impferei geht kaum voran. Und die Terminvergabe ist – das liegt allerdings nicht in der Verantwortung der Kanzlerin – in einigen Ländern schlecht organisiert. Aber was sollte die Regierungschefin anders sagen als ein „hier stehe ich, ich kann nicht anders“. In ihren Worten: „Im Großen und Ganzen ist nichts schiefgelaufen“. Die Bundesregierung stellt die Impfstoffe nicht her, und egal, wie viel sie bei den Firmen auf dem Papier hätte bestellen können, jetzt wären die Ampullen nicht in der ersehnten Zahl da.
Kein Impfstoffkrieg
Angel Merkel und die Koalition haben zwei Grundentscheidungen getroffen, für die sie von einigen nun kritisiert werden: Erstens kein Gegeneinander in Europa, sondern eine gemeinsame Bestellung. Und zweitens keine Notzulassungen, sondern eine ordentlich Prüfung aller Vakzine. Wer nur eine Minute nachdenkt, was die Wirkung wäre, hätte man das anders entschieden, wird in beiden Punkten zustimmen. Jetzt ein Impfstoffkrieg in Europa wäre das Letzte, ebenso, wenn es Misstrauen in die Qualität der Vakzine gäbe. Mögen andere, England und die USA, das anders machen – dieser Kurs ist richtig.
Was bleibt, ist der berechtigte Vorwurf, nicht genug Druck auf die behäbige EU-Bürokratie ausgeübt zu haben. Das aber rechtfertigt nicht die zum Teil maßlosen persönlichen Angriffe gegen die Kanzlerin. Geführt werden sie außer von der AfD und Corona-Leugnern besonders von einer Boulevardzeitung, die neuerdings großen Spaß daran zu haben scheint, jedwede Politik zu zerschießen, auch jeden Virologen, der nicht von ihr zum einzig wirklichen „Experten“ ernannt wurde. „Alles falsch“, das ist ein einfacher Standpunkt, wenn man selbst keine schwierigen Entscheidungen treffen muss. Und da es viele Lockdown-Geschädigte gibt, stößt so etwas durchaus auf Widerhall. Aber was steht am Ende, wenn man alle demokratischen Entscheidungen und ihre Träger kaputt geschrieben hat? Eine Krisenregierung aus Attila Hildmann und Bild-Chef Julian Reichelt? Lieber nicht.
Pro: Die Kanzlerin zerstört Vertrauen
Das kennt man von Spitzenpolitikern, die ewig lange im Amt sind und die sich selbst vermutlich nicht mehr vorstellen können, ohne ihre Funktion zu sein. Auch wenn sie anderes beteuern. Der Glaube an die eigene Vollkommenheit wird größer und größer. Fehler? Welche Fehler?
Angela Merkel hat das Land einigermaßen gut durch die Pandemie geführt, ebenso durch andere Krisen in ihrer bald 16 Jahre andauernden Amtszeit. Doch nun drängt sich der Eindruck auf, dass Merkel ihren Realitätssinn hinter den dicken Mauern des Kanzleramtes verloren hat. Wie einst Helmut Kohl.
Es sei bei den Impf-Bestellungen „im Großen und Ganzen nichts schiefgelaufen“, so die Regierungschefin im Interview; eigene Fehler hatte sie schon wenige Wochen zuvor vor den Hauptstadtjournalisten nicht sehen wollen. Dass Merkel sich bei den Corona-Impfungen freilich zu sehr auf andere, sprich auf die EU, verlassen hat, ist inzwischen aktenkundig. Das Nachsehen haben nun die, deren Schutz gegen Corona keine zeitliche Verzögerung erlaubt – Alte, Kranke, medizinisches Personal. Es geht zu langsam voran mit den Impfungen.
Verschwurbelte Einschätzung
Den Finger muss man in die Wunde legen. Gewiss, mit Maß und Mitte. Impfstoffherstellung und die Beschaffung ist kein Einkauf bei Amazon. Das Problem ist allerdings, dass Merkels verschwurbelte Einschätzung, vor allem ihre mangelnde Selbstkritik Vertrauen zerstört und nicht befördert. Die Bürger sind doch nicht blöd, jeder weiß um die massiven Impfpannen, die es anderswo in der Form eben nicht gibt. Merkels Ausweichen ist zudem für die politische Entwicklung des Landes gefährlich, denn es stärkt jene, die wie die AfD die ganze Corona-Krisenpolitik in Bausch und Bogen verdammen. Das kann die Kanzlerin nicht wollen. Auch wenn sie bei der Bundestagswahl nicht mehr antritt. Vielleicht muss es ihr nur mal jemand sagen.
 
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