Hitlers geplante Waffenschmiede wird Touristenmagnet

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Von unserem Korrespondenten Jens Mattern

Einst hat hier die Nazi-Führung hier eine geheime Waffenschmiede errichten wollen. Doch zunehmend wird das von Verschwörungstheorien umwitterte Stollensystem Riese im Eulengebirge zu einer touristischen Großbaustelle – mitfinanziert von der EU.

„Geheimnis der militärischen Unterwelt“ nennt sich ein von EU-Regionalfonds gestütztes Projekt, das gerade Kontur annimmt. Im polnisch-tschechischen Grenzgebiet soll mittels 1,8 Millionen Euro Fördergeldern das unterirdische „Projekt Riese“ bis 2020 touristisch weiter erschlossen werden.

Das Stollensystem im Eulenberge gehört zu den großen Geheimnissen des Dritten Reiches. Vermutlich sollten hier Waffen produziert werden, darunter die V2-Rakete oder ein Düsenjäger. Aber auch Thesen von einer Wunderwaffe halten sich heute noch, immerhin gibt es im Eulengebirge Uranfunde. Geplant war vermutlich auch ein Umzug des Führungsstabs um Adolf Hitler von der oberirdischen Bunkeranlage Wolfschanze in den Masuren in die Stollenwelt des niederschlesischen Gebirges.

Fest steht, dass NS-Rüstungsminister Albert Speer die Baumaßnahmen im Herbst 1943 besprach. Damals wurde eine Niederlage der deutschen Heere gegen die Rote Armee immer augenscheinlicher, die alliierten Bomber erreichten immer mehr deutsche Städte. Als verbürgt gilt auch, dass beim Bau und kurz danach etwa 5.000 Zwangsarbeiter eines Außenlagers des nahen Konzentrationslagers Groß Rosen unter den unmenschlichen Bedingungen ums Leben kamen.

Region hofft auf Touristen

Insgesamt sind neun Anlagen erhalten, keine wurde fertiggestellt. Durch Sprengungen vieler Stollen kurz vor Einmarsch der Roten Armee ist auch bis heute unklar, wie groß „Projekt Riese“ geraten ist. Die entsprechenden Dokumente seien von den deutschen Bauleitern vernichtet worden, die bis zum 6. Mai 1945 graben ließen.

Vor drei Jahren wurde die Gegend durch den „Goldzug“ berühmt. Ein Deutscher und ein Polen gruben unter internationalem Medienrummel nach einem Zug, der kurz vor Kriegsende gefüllt mit Waffen und Goldvorräten in einen Stollen gefahren sein soll. Das Suchen blieb ergebnislos. Die ehemalige Bergarbeiterstadt Walbrzych erlebte aber durch das Gerücht einen lukrativen Tourismusboom.

Darauf bauen wohl nun auch die umliegenden Gemeinden, bei denen Zugänge zu den unterirdischen Räumen und Stollen liegen. Einige der Stollen, so in Rzeczka, sind heute touristisch teils erschlossen. Nun soll auch die Anlage in Gluszyca folgen, die noch unter Wasser steht. Dort wird dann ein Teil der Stollen begehbar sein. Eine Multimedia-Ausstellung ist geplant sowie eine Form des Gedenkens an die Zwangsarbeiter der „unterirdischen Stadt unter den Säuferhöhen“. Es wird spekuliert, dass es sich hier um das geplante Führerhauptquartier handeln könne.

Restaurant schon vorhanden

„Wir werden das sehr modern und leicht zugänglich präsentieren, wie das heute in vielen Museen in Polen gemacht wird“, so Roman Glod, der Bürgermeister Gluszyca in einem Videointerview der Regionalzeitung Dziennik Walbrzych. Ein Restaurant am Eingang des Stollens sei schon erstellt.

Inwieweit man Sensationstourismus und den gebührenden Respekt für die Todesstätte der Zwangsarbeiter miteinander vereinbaren kann, bleibt offen. Zu hoffen bleibt, dass das Projekt, an dem auch tschechische Nachbargemeinden beteiligt sind, nicht so aussieht wie um den ehemaligen Führerbunker „Wolfsschanze“. Dort toben sich Militariafans in Schießständen aus, es wird mit Kitsch rund um den Zweiten Weltkrieg gehandelt.