Herausforderer Zucker

Herausforderer Zucker

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 Er ist weiß, schmeckt süß und soll süchtig machen. Und obwohl wir wissen, dass er uns nicht guttut, essen wir immer mehr davon. Schon seit geraumer Zeit steht das Süßungsmittel im Kreuzfeuer der Kritik. Warum die Debatte gerade jetzt hochkocht, welche Alternativen es dazu gibt und wo sich Zucker überall versteckt – Desislava Schengen berichtet.

Obwohl die meisten Menschen über die Schattenseiten des Zuckerkonsums Bescheid wissen, lassen sie sich immer wieder von dessen süßer Versuchung verführen. Aber ist es tatsächlich so gesundheitsschädigend, ein Stück Schokolade zwischen den Lippen verschwinden zu lassen und den samtweichen Geschmack am Gaumen genüsslich auszukosten?

Gegen das eine Stück Lieblingsschoki ist natürlich nichts einzuwenden, das Problem sind die vielen kleinen Versuchungen über den Tag verteilt, die, wenn man sie addiert, eine Unmenge an Zucker ergeben, die wir zu uns nehmen.

Warum mögen wir eigentlich so gern Süßes?

Faustregel für den täglichen Zuckerkonsum

1 Zuckerwürfel = 3 Gramm
1 g Zucker = 4 Kalorien

Zum einen schmeckt Muttermilch süßlich, zum anderen stehen Süßigkeiten als erprobtes Mittel zur Belohnung von Kindern immer griffbereit, wartend auf den nächsten Sturm im Wasserglas. Manche Experten sprechen außerdem von einem evolutionsbedingten Verlangen: Unsere Vorfahren verbanden bitteren Geschmack mit einer potenziellen Gefahr, während Süßes für sie als unbedenklich galt und zusätzliche Energie lieferte.

Schoko-Aufstrich aufs Brot: Lecker, aber zucker- und kalorienreich (Fotos: dpa).

Nun, die „Süßigkeiten“ und (gezuckerten) Getränke von früher unterscheiden sich diametral von unserem Überangebot heute – genauso wie die Art des Konsums. Während die Quelle des süßen Geschmacks in der Vergangenheit vorwiegend Obst war und kaum zusätzlich Zucker konsumiert wurde, ist heute industriell hergestellter Weißzucker für wenig Geld und überall verfügbar. Außerdem wird er vielen Produkten – von Wurst über Ketchup bis hin zu Getränken – zugesetzt.

So viel Zucker ist drin (im Durchschnitt, Menge variiert je nach Hersteller)

Cola, Eistee, Apfelsaft: 7 Würfel Zucker/0,5 Liter
Snack-Nüsse: 3 Würfel/100 g
Fertigsalat: 5,5 Stück/100 g
Eiskaffee: 29,5 Würfel/100 ml

Im Laufe der Jahrhunderte wuchs das Verlangen der Menschen nach Zucker stetig – genauso wie die Erkrankungen, die damit einhergehen. Aus diesem Grund korrigierte die Weltgesundheitsorganisation 2015 ihre bisherige Empfehlungen für den Zuckerkonsum nach unten: Die Tagesdosis von Zucker – einschließlich jede Art des „Süßstoffs“ in Nahrungsmitteln, Honig, Sirup und Süßungsmittel in Säften – sollte nicht mehr als 25 Gramm oder sechs Esslöffel betragen.

Ist zu viel Zucker gesundheitsschädlich?

Wie für alle anderen Dinge gilt auch bei Zucker – die Menge macht’s. Zucker gehört zu den Kohlenhydraten und liefert Energie für den Körper. Er enthält viele Kalorien, gelangt schnell in den Blutkreislauf und lässt dabei den Insulinspiegel nach oben klettern. In Verbindung mit Fett haben die weißen Kristalle das Zeug zur Kalorienbombe.

Ein übermäßiger Zuckerkonsum kann auf Dauer zu Übergewicht führen. Das wiederum gilt als bedeutender Risikofaktor für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Letztere sind in Luxemburg, noch vor Krebs, die Todesursache Nummer eins.

Einfach-, Zweifach- und Mehrfachzucker

Je nach Anzahl der Zuckerbausteine unterscheidet man zwischen Einfach-, Mehrfach- und Vielfachzucker. Trauben- (Glukose) und Fruchtzucker (Fructose) gehören zur Gruppe des Einfachzuckers und sind in Obst und Gemüse zu finden.

Zur Gruppe der Zweifachzucker gehören der weiße Haushaltszucker, Rohr- und Rübenzucker (Saccharose) sowie Milchzucker (Laktose). Zweifachzucker lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen, da der Körper etwas länger braucht, um ihn zu verdauen. Mehrfachzucker wie Maltodextrin findet man fast immer in Fertiggerichten. Vielfachzucker ist Stärke, die in Kartoffeln enthalten ist.

2015 empfahl die Weltgesundheitsorganisation neben einer Reduktion des täglichen Zuckerkonsums auch eine zusätzliche Besteuerung von süßen Getränken als Gegeninstrument gegen den erhöhten Zuckerkonsum weltweit. Im vergangenen Sommer bestätigte Gesundheitsministerin Lydia Mutsch Überlegungen, solche Dickmacher mit einer zusätzlichen Steuer zu belegen. Damit wollte die Behörde dem wachsenden Konsum gesüßter Getränke insbesondere durch Kinder und Jugendliche entgegenwirken. Denn die Zahlen sind erschreckend: 16 Prozent der Mädchen und 20 Prozent der Jungen im Alter von unter elf Jahren konsumieren täglich stark zuckerhaltige Getränke. Bei den 13-Jährigen sind es rund 26 Prozent bei den Mädchen und 35 Prozent bei den Jungen. In der Altersgruppe der 15-Jährigen ist mehr als jedes dritte Mädchen (34 Prozent) und beinahe jeder zweite Junge (47 Prozent) den leeren Kalorien in Limo und Co. verfallen.
Gibt es eine Verbindung zwischen Zucker und Sucht?

Manche Experten vergleichen die Wirkung von Zucker im Gehirn mit der Wirkung von Kokain. In diesem Zusammenhang wird insbesondere die Studie des Teams um den Neurowissenschaftler Bart Hoebel von der Princeton University zitiert. Die Forscher wollten die Auswirkungen von Zucker auf das Gehirn und auf das Verhalten von Ratten testen.

Zunächst bekamen die Nager zwölf Stunden lang nichts zu fressen, im Anschluss gab es unbegrenzt Zucker. Nach einem Monat zeigten die Ratten regelrechte Entzugserscheinungen – wie das auch bei harten Drogen wie Morphin und Kokain der Fall ist –, als man ihnen kein zuckerhaltiges Fressen gab. Außerdem veränderte sich das Gehirn der Ratten. Für manche Experten lieferte die Studie den eindeutigen Beweis, dass Zucker süchtig macht.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Die Ergebnisse von Hoebels Studie würden sich nur begrenzt auf Menschen übertragen lassen und könnten nicht mit Heroin oder Kokain verglichen werden, sagen Sucht- und Adipositasforscher. Unbestreitbar ist hingegen, dass sich das weiße Süßungsmittel hervorragend zur Belohnung eignet und zu einem quasi suchtähnlichen Verhalten führen könnte. Das bedeutet aber nicht, dass der bloße Gedanke an Schokolade Suchverhalten darstellt. Deutliche Warnsignale sind der unbewusste Griff zu Süßem, das Streben danach, damit aufzuhören, weil es einem nicht guttut, sowie der stete Rückfall in die Zuckerfalle. Besonders übergewichtige Menschen sind mit diesem Teufelskreis konfrontiert.

„Verantwortlichen Konsum“ unterstützen 

Zu viel Zucker schadet der Gesundheit. Anfang des Jahres haben die größten Lebensmittelhändler in Deutschland auf diese Erkenntnisse reagiert und angekündigt, den Zuckergehalt in ihren Eigenmarken progressiv nach unten zu korrigieren. Inzwischen finden sich die ersten Produkte mit weniger zugesetzten Süßungsmitteln in den Regalen.

Und wie positionieren sich die Lebensmittelhändler in Luxemburg? Von der Supermarktkette Cactus heißt es auf Nachfrage, dass der Trend „zu mehr Natürlichkeit“ seit längerem zu beobachten sei. Mit seiner Kampagne „Bewosst genéissen“, die im Januar 2018 startete, will das Unternehmen einen dauerhaften Wandel schaffen, der ein Bewusstsein für einen „verantwortlichen“ Konsum fördern soll. „Wir möchten den Verbraucher dazu ermuntern, bewusst auf Herkunft und Herstellung der Produkte bei seinem Einkauf zu setzen. Außerdem möchten wir unseren Kunden unterstützen, sich für einen ausgewogenen, bewussten Konsum ohne schlechtes Gewissen zu entscheiden.“

Was die sogenannten Eigenmarken betrifft, so schreibt die Supermarktkette, dass sogenannte „private labels“ nicht zur Unternehmensphilosophie gehören. Auf diesem Gebiet arbeite man mit Partnern wie der Biomarke Alnatura zusammen. Deren Sortiment umfasse in den Cactus-Regalen mehr als 600 Produkte, heißt es. Die Marke folge dem Trend und habe inzwischen ihre Produkte auf Alternativen zum Weißzucker wie Honig, Agavendicksaft und Ahornsirup ausgerichtet.

„Von den Erzeugnissen, die in den hauseigenen Produktionsstätten (Rösterei, Feinkost, Fleischerei und Konditorei) hergestellt werden, verwenden wir Zucker nur in der Konditorei.“ Auch in dieser Sparte sei der Trend zu mehr Frische, gepaart mit hoher Handwerkskunst und hochwertigen Zutaten, deutlich zu erkennen.

2.048 Tonnen Zucker eingespart

Schon immer habe sich die belgische Supermarktkette Delhaize für einen gesunden Lebensstil ihrer Kunden eingesetzt, heißt es auf Nachfrage. „Wir wollen sie in diesem Zusammenhang inspirieren, nicht bevormunden. Weniger Zusätze von Salz oder Zucker stehen bei uns auf der Tagesordnung.“

Daher habe Delhaize folgende konkrete Schritte unternommen: 2017 wurde beispielsweise der Zuckergehalt in den Cerealien der Marke „Delhaize“ reduziert. 2.048 Tonnen Zucker konnten so in neun Jahren eingespart werden. Als Zuckerersatz werden Früchte, Trockenfrüchte, Fasern, Samen und Stevia verwendet.

Darüber hinaus bringen Rezeptveränderungen zwangsläufig auch eine Preisänderung mit sich. „Wir möchten unsere Produkte für alle bezahlbar lassen“, so Delhaize.

Mit den unternommenen Schritten reagiert der Lebensmittelhändler auf die steigende Nachfrage. Mehr als die Hälfte der Kunden wünsche sich gesündere Lebensmittel, heißt es. Seit neun Jahren trage die belgische Kette dieser Entwicklung Rechnung. Da eine Vielfalt an Eigenmarken in den Geschäften angeboten wird, würden sich diese Maßnahmen mit Sicherheit auf das Kaufverhalten der Kunden auswirken.

Die Zuckeralternativen

Kokosblütenzucker: Aus dem Saft aufgeschnittener Kokosblüten gewonnen, zum Sirup eingekocht, kristallisiert und gemahlen, hat diese Variante beinahe so viel Kalorien wie Haushaltzucker. Sie lässt aber den Blutzuckerspiegel nur halb so schnell in die Höhe schnellen, sodass der Heißhunger in Zaum gehalten wird.

Birkenzucker: Wie der Name es erahnen lässt, wird dieses Süßungsmittel vorwiegend aus Holz, Obst- und Gemüsesorten gewonnen. Äußerlich ist Birkenzucker, auch Xylit genannt, mit seiner weißen Kristallstruktur der Zwilling des Zuckers. Er schmeckt leicht nach Minze, ist kalorienarm und nur bedingt zum Backen geeignet. Die Bakterien in der Hefe können sich nicht davon ernähren. Daher ist bei Hefegebäck der Griff zum Haushaltszucker ausnahmsweise notwendig.

Agavendicksaft: Früher ein absolutes Nischenprodukt, heute wie Birken- oder Kokosblütenzucker ein Standardprodukt im  Supermarkt. Mit einem hohen Gehalt an Mineralstoffen und weniger Kalorien als Zucker ist Agavendicksaft eine echte Alternative.

Stevia: Er punktet mit sehr hoher Süßungskraft und ist figurfreundlich, da er keine Kalorien enthält. Allerdings ist der leichte Lakritz-Geschmack der südamerikanischen Pflanze nicht jedermanns Sache. Stevia ist auch für Diabetiker geeignet.

Rohrzucker: Ob braun oder weiß, Zucker bleibt Zucker. Wie sein Verwandter in Weiß hat Rohrzucker genauso viele Kalorien und lässt den Blutzucker nach oben klettern. Einziger Pluspunkt: Er ist naturbelassener und enthält etwas mehr Mineralstoffe als üblicher Haushaltszucker.

Vorsicht, Zucker(zusatz)

Um zugesetzten Zucker zu verstecken, tricksen die Hersteller bei den Angaben in den Zutatenlisten. Merke: Wenn Zutaten auf -ose, -sirup, -zucker und -dicksaft enden, ist mit Sicherheit das Süßungsmittel im Produkt enthalten.

Hier einige Beispiele: Fructosesirup, Dextrose, Saccharose, Maltodextrin, Malzextrakt, Ahornsirup, Weizendextrin, Glukosesirup, Invertzucker, Gukose, Stärkesirup.

Stellungnahmen der anderen beiden Supermarktketten in Luxemburg zum Thema „Zuckergehalt in Eigenmarken“ lagen bis zum Redaktionsschluss noch nicht vor.