Samstag1. November 2025

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ItalienEx-EZB-Chef Mario Draghi soll mit Expertenregierung politisches Chaos beenden

Italien / Ex-EZB-Chef Mario Draghi soll mit Expertenregierung politisches Chaos beenden
Super-Mario wird es nun in Italien richten müssen Foto: Alessandra Tarantino/Pool/AFP

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Nach dem Scheitern der Sondierungsverhandlungen für eine politische Regierung setzt Staatspräsident Sergio Mattarella auf eine Regierung der nationalen Einheit. Deren Vorsitz soll der frühere EZB-Chef Mario Draghi führen. Bereits am Wochenende sollte ein neues Kabinett stehen.

Zwei Tage lang hatten die Vertreter der Mehrheitsparteien im Parlament verhandelt, um eine Lösung der Krise zu erlangen und eine neue Regierung installieren zu können. Umsonst. Der Chef der Kleinstpartei Italia Viva (IV), Matteo Renzi, hatte nicht nur den Rücktritt des Kabinetts Giuseppe Contes herbeigeführt, sondern mit seinem Veto auch die Sondierungsgespräche auf der Suche nach einer „politischen“ Regierung platzen lassen.

Am Dienstagabend zog Staatspräsident Sergio Mattarella die Notbremse. Schon für den nächsten Tag bestellte er den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, in den Quirinalpalast, um ihm die Leitung einer Regierung der „nationalen Einheit“ anzutragen. In einer Erklärung sagte das Staatsoberhaupt, es bedürfe nun „einer hochqualifizierten Regierung“, die in der Lage sei, die jetzige „gesundheitliche, wirtschaftliche und soziale Krise“ des Landes zu bewältigen, „ohne irgendeiner politischen Ausrichtung verpflichtet zu sein“. Mattarella appellierte an „alle im Parlament vertretenen politischen Kräfte, diese Regierung zu unterstützen“.

Pünktlich zu Mittag erschien der frühere EZB-Chef im Präsidialbüro. Nach gut einer Stunde trat Mario Draghi vor die Presse: „Ich danke dem Präsidenten der Republik für das mir ausgesprochene Vertrauen. Wir befinden uns in einer schwierigen Lage und müssen dieser auf höchstem Niveau gewachsen sein. Es gilt, die Pandemie zu besiegen, den Impfplan umzusetzen, die täglichen wirtschaftlichen Probleme zu meistern.“ Draghi betonte, dass dem Land gewaltige Mittel der EU zur Verfügung stünden, die es nun gelte, für das „Wohl künftiger Generationen, dem Zusammenhalt der Gesellschaft und dem Wiedererwachsen des Landes“ einzusetzen.

Draghi betonte, er wolle sich mit allen politischen und sozialen Gruppen verständigen und mit den im Parlament vertretenen politischen Kräften zusammenarbeiten. Bereits am Nachmittag wolle der designierte Premier die ersten Sondierungsgespräche aufnehmen.

Gemischte Gefühle im Parlament

Die Mailänder Börse feierte die Bestallung Draghis zum neuen Ministerpräsidenten mit Euphorie. Die Kurse stiegen und der Spread – der Zinsunterschied zwischen bundesdeutschen und italienischen Anleihen, stets ein gutes Barometer für den politischen Zustand des Landes – sank auf etwa 100 Punkte ab. Zur Erinnerung: Auf dem Höhepunkt der Berlusconi-Krise 2011, kurz vor dem Staatsbankrott, lag der Spread bei über 350 Punkten. Bereits damals – nach dem Niedergang des Berlusconi-Kabinetts – wurde der Name Draghis als Chef einer möglichen technischen Regierung genannt. Doch der damalige Präsident der Italienischen Nationalbank lehnte wegen der Berufung zum Chef der EZB seinerzeit ab. 2011 nominierte Staatspräsident Giorgio Napolitano schließlich den Wirtschaftsprofessor und EU-Kommissar Mario Monti zum Chef einer „technischen Regierung“.

Draghis frühere Ablehnung, den Chefsessel im Palazzo Chigi einzunehmen, hat heute noch bei einigen Politikern einen faden Nachgeschmack. Daher waren nicht alle Parlamentarier von der Wahl Mattarellas begeistert. Vor allem aus den Reihen der Fünf-Sterne-Bewegung kam Ablehnung. Der politische Chef des M5S, Vito Crimi, erklärte, Draghi nicht unterstützen zu wollen. Ähnlich äußerte sich Bewegungsgründer Beppe Grillo: Man sei loyal zu Conte, jedoch nicht gegenüber Draghi. Andere Stimmen aus den Reihen der Grillini äußerten sich zurückhaltender: Um Draghi abzulehnen, müsse man aber eine Alternative haben, hieß es aus den Reihen der M5S-Abgeordneten. Diese sei jedoch durch das Wirken Matteo Renzis in den vergangenen Tagen zerstört worden.

Mitte-rechts schwankend, Linke zustimmend

Kurz nach der Bestallung Draghis versammelten sich die Vertreter der Mitte-rechts-Parteien. Während sich Silvio Berlusconis Forza Italia durchaus ein Kabinett Mario Draghis vorstellen und dieses auch unterstützen könne, beharrten Lega und die postfaschistischen Fratelli d’Italia auf ihren Forderungen nach Neuwahlen. Diese hatte Staatspräsident Mattarella jedoch wegen der anhaltenden Krise im Lande definitiv ausgeschlossen.

Die beiden in der bisherigen Koalition vertretenen Parteien Partito Democratico und LeU kündigten nach den ersten Worten Draghis, in denen er dem Parlament vollen Respekt zollte, Zustimmung an. Gleichsam äußerte sich der Chef der größten italienischen Gewerkschaft CGIL, Maurizo Landini: Die Entscheidung des Präsidenten, Mario Draghi zum Chef einer neuen Regierung zu etablieren, sei „ein intelligenter Schachzug“.

Bereits am kommenden Wochenende, so Draghis Plan, könne er sein neues Kabinett vorstellen, um dann zügig mit der Arbeit zu beginnen. Seine vorrangigste Aufgabe wird es jedenfalls sein, die Vertreter der bisherigen Parlamentsmehrheit – M5S, PD, LeU – für seine Regierungspläne zu überzeugen. Denn nur so hat er eine Chance, Gesetzesvorlagen zu Wirtschaft, Sozialem und Gesundheit durchzubringen. Angesichts der fortschreitenden Krise im Lande ein schwieriges Unterfangen, das jedoch bewältigt werden muss, soll es nicht doch noch zu Neuwahlen kommen.