„Ich bin entsetzt, wütend und besorgt über unsere Sicherheit und Demokratie“, postete Berivan Aslan auf Facebook. Dabei scheint der Staat gerade alles zu tun, um die Sicherheit der Wiener Landtagsabgeordneten zu gewährleisten. Seit September wird das Haus, in dem sie wohnt, rund um die Uhr bewacht. Auf Spaziergängen wird sie von einem Beamten begleitet. Sie selbst trägt eine Schutzweste.
Die kurdischstämmige Juristin und Menschenrechtsaktivistin ist seit Jahren engagierte Kritikerin des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dessen islamisch-nationalistischer Gefolgschaft in Österreich. Kein Wunder also, dass sie für Ankara und Organisationen wie die Grauen Wölfe ein rotes Tuch ist. Die Bedrohung war ihr durchaus bewusst. Wie konkret diese war, erfuhr sie im vergangenen September, nachdem der italienische Staatsbürger Feyyaz Ö. beim Wiener Landesamt für Verfassungsschutz ein spektakuläres Geständnis abgelegt hatte: Er sei im Auftrag des türkischen Geheimdienstes MIT nach Wien geschickt worden, um Aslan „umzubringen oder wenigstens zu verletzen“. Der gebürtige Türke, der zu dem Mordkommando erpresst worden sein will, gibt Informationen über weitere MIT-Agenten in Österreich preis. Seither lebt Aslan unter Polizeischutz.
Reuiger Agent abgeschoben
Dennoch findet sie kein gutes Wort über die Vorgangsweise der zuständigen Behörden und vor allem des Innenministeriums. Denn nichts deutet darauf hin, dass Österreich ein besonderes Interesse hat, diesen mysteriösen Fall restlos aufzuklären. Zwar lässt gerade die ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz keine Gelegenheit aus, mutmaßliche Geheimdienstaktivitäten der Türkei in Österreich anzuprangern, doch diese günstige Gelegenheit wollte man sich aus unerfindlichen Gründen entgehen lassen. Vorigen Donnerstag hätte in Wien der Prozess gegen den türkisch-italienischen Ex-Agenten wegen Spionageaktivitäten zum Nachteil Österreichs beginnen sollen. Doch das war nicht möglich, weil der Angeklagte untergetaucht ist. Dafür musste der sich selbst als „Whistleblower“ bezeichnende Feyyaz Ö. freilich nicht aus dem Gefängnis ausbrechen. Er wurde vielmehr ganz offiziell aus der U-Haft entlassen und nach Italien abgeschoben, von wo er sich nach Nordafrika abgesetzt haben soll. Die Chance, mehr über die vermuteten Aktivitäten des Erdogan-Regimes auf österreichischem Boden zu erfahren, wurde also offensichtlich bewusst vertan.
Dass die Behörden auch nach dem Verschwinden des bekehrten Auftragskillers eine akute Bedrohungslage sehen, lässt sich am Fortdauern des Polizeischutzes für Aslan ermessen. Die Unannehmlichkeit der 24-Stunden-Bewachung nimmt die Abgeordnete hin. Für ihre Prinzipien nehme sie „viel in Kauf – sogar den Tod“, postete sie dieser Tage. Was sie aber „entsetzt, wütend und besorgt“ macht, ist dieses: „Eine ausländische Macht versucht eine Repräsentantin dieses Landes und eine Frau mit Migrationsbiografie mitten in Europa auszulöschen, die politische Lösung ist, dass der Geständige vor dem Prozesstermin abgeschoben wird.“
Die Erklärung des Innenministeriums, man habe vor der Abschiebung von Fayyez Ö. nicht gewusst, dass ein Prozess ansteht, findet nicht nur Aslan „unfassbar“. Immerhin war sie selbst vom Verfassungsschutz, der Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) untersteht, schon im Dezember von dem Prozesstermin in Kenntnis gesetzt worden.
Der SPÖ-Europaabgeordnete Peter Schieder, den Feyyaz Ö. ebenfalls als Zielobjekt türkischer Häscher erwähnt hatte, will den Fall nun auch im zuständigen Ausschuss des Europaparlamentes aufs Tapet bringen.
 
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