Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ahnte es bereits: Das Sondervermögen des Bundes von 200 Milliarden Euro, der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „Doppel-Wumms“ bezeichnete staatliche Fonds zur Dämpfung der hohen Energiepreise, wird sehr wahrscheinlich nicht voll ausgeschöpft. „Meine Erwartung ist, dass wir nicht den kompletten Schutzschirm brauchen werden“, hatte Lindner schon Mitte Januar beim Weltwirtschaftsforum in Davos erklärt. Denn die Energiepreise seien heute nicht mehr so hoch wie noch im September erwartet, als die Bundesregierung den „Doppel-Wumms“ aus der Taufe gehoben hatte. Bisher hat die Regierung erst knapp 30 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) ausgegeben, in dem Lindner die vom Kapitalmarkt geliehenen 200 Milliarden Euro geparkt hat.
Die Summe hat die Bundesregierung für die Rettung der kriselnden Gasimporteure eingesetzt. Am teuersten war mit 14 Milliarden Euro bisher die Verstaatlichung des größten Gasversorgers Uniper, wie das Handelsblatt unter Berufung auf eine Auflistung des Bundeswirtschaftsministeriums berichtete. 170 Milliarden Euro sind mithin noch ungenutzt.
Ab März wird die Gaspreisbremse scharfgestellt, mit der der Staat die Verbraucherinnen und Verbraucher stützen wird. Sie sollen maximal zwölf Cent pro Kilowattstunde für 80 Prozent ihres früheren Gasverbrauchs bezahlen müssen. Die Differenz zum eigentlichen Marktpreis erstattet der Staat den Versorgern. Je geringer dieser ausfällt, desto weniger muss der Staat ausgeben. In den meisten Endkundenverträgen spiegelt sich der mittlerweile stark gesunkene Gas-Marktpreis noch nicht wider, doch die ersten Versorger geben die geringeren Preise bereits an ihre Kunden weiter. Die Erlanger Ökonomin Veronika Grimm, Vorsitzende der Expertenkommission, die die Gaspreisbremse im Herbst konzipiert hatte, schätzte die möglichen Einsparungen für den WSF unlängst bereits auf einen hohen einstelligen Milliardenbetrag.
Große Summen wecken Begehrlichkeiten
Ungenutzte große Summen wecken in der Politik stets Begehrlichkeiten. Noch wollen sich Vertreter von Grünen und SPD dazu öffentlich nicht äußern. Doch klar ist, dass beide Fraktionen hohen zusätzlichen Finanzierungsbedarf bei Klimaschutz, Verkehrsinfrastruktur, Flüchtlingsversorgung, Sozialausgaben und Bundeswehr sehen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat bereits die Aufstockung seines Etats um jährlich zehn Milliarden Euro gefordert. Auch nach FDP-Meinung muss Deutschland mehr tun, um die NATO-Quote der Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen und auf dem Niveau zu halten. Hinzu kommt, dass es für Ampel-Reformprojekte wie der bezahlten Bildungszeit für Arbeitnehmer oder die soziale Kindergrundsicherung bislang keine Finanzierung im Haushalt gibt.
Lindner hatte allerdings gesetzlich dafür gesorgt, dass die 200 WSF-Milliarden nur zweckgebunden zur Finanzierung der Gaspreisbremse, zur Anschubfinanzierung der geplanten Strompreisbremse, zur Stützung von Unternehmen, die wegen der hohen Energiepreise zusätzliche Hilfen benötigen sowie zur Rettung von Gasimporteuren verwendet werden dürfen. „Ich habe bewusst die Krisenhilfe in den Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds und nicht in den allgemeinen Bundeshaushalt gebucht, damit die Mittel zweckgebunden bleiben. Das heißt in der Konsequenz, dass nicht benötigte Kredite für die Krisenmaßnahmen zu einer insgesamt reduzierten Verschuldung des Staates führen werden – und eben nicht umgewidmet werden können“, sagte Lindner unlängst dem Westfalen-Blatt. Dennoch könnte die Ampel diskutieren, wie weit die Preisbremsen zu verstehen sind und Kniffe finden, auch andere energiepolitische Projekte mit WSF-Geld zu finanzieren.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können