DeutschlandDie Koalition streitet über ihr Vorgehen bei Kindesmissbrauch – nun geht es auch ums Geld

Deutschland / Die Koalition streitet über ihr Vorgehen bei Kindesmissbrauch – nun geht es auch ums Geld
Für NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist „sexueller Missbrauch wie Mord“ Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

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Es war im Sommer 2001, als nach dem Sexualmord an einer Achtjährigen der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder befand, Triebtäter seien nicht therapierbar, man müsse sie „für immer“ wegsperren. Ähnlich wie damals ist nach den schlimmen Missbrauchsfällen von Lügde, Bergisch-Gladbach und Münster erneut eine heftige Debatte über das Strafmaß für Kindesmissbrauch entbrannt. Im Zentrum des Streits steht diesmal Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD).

2001 wollte selbst die Union nicht so weit gehen wie Schröder mit seiner plakativen Ansage. Jetzt ist das anders. Die CDU ruft nach massiven Strafverschärfungen, in Berlin hat Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer nun auch ihren Generalsekretär Paul Ziemiak in Stellung gebracht. Und aus Nordrhein-Westfalen macht der dortige Innenminister Herbert Reul (CDU) mit klaren Worten Druck. Innere Sicherheit gehört zu den Kernthemen der Union und der Schutz von Kindern ist oberstes Gebot sowie mit vielen Emotionen verbunden. Der Koalitionsstreit ist da, denn die SPD tritt auf die Bremse.

Allen voran Justizministerin Lambrecht. Sie gilt als versiert, in heiklen Rechtsfragen macht ihr kaum einer etwas vor. Die bald 55-Jährige ist kein Lautsprecher, sie neigt nicht zu vorschnellen Forderungen. Zwar kündigte sie gestern an, über Verschärfungen mit sich reden lassen zu wollen, beispielsweise für Fälle, die nicht mit körperlicher Gewalt und Misshandlungen einhergingen. Aber zugleich betonte Lambrecht: „Unsere Strafgesetze geben den Gerichten die Mittel an die Hand, diese abscheulichen Taten sehr hart zu bestrafen.“ 15 Jahre Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung seien möglich. Im Fall Lügde, dem systematischen Missbrauch auf einem Campingplatz, sei „dieser Strafrahmen fast ausgeschöpft“ worden.

Lambrecht ergänzte, der „pauschale Ruf“ nach Verschärfungen führe nicht weiter. Die Ermittlungsmöglichkeiten gegen Kinderpornografie würden bereits verbessert. Ein entsprechender Gesetzentwurf aus ihrem Hause sieht vor, dass die sozialen Netzwerke Kinderpornografie nicht nur wie bisher löschen, sondern künftig auch dem Bundeskriminalamt melden. Darüber hinaus plant Lambrecht einen gesellschaftlichen Dialog über Kindesmissbrauch, „der alle wichtigen Akteure an einen Tisch bringt“.

Der Union reicht das alles aber nicht. Das CDU-Präsidium hatte schon am Montag Verschärfungen gefordert. Dem Koalitionspartner ist insbesondere ein Dorn im Auge, dass die Justizministerin das Herstellen und Verbreiten von Kinderpornografie nicht als Verbrechen, sondern weiterhin als Vergehen einstufen will. Lambrechts Begründung: Wenn man einmaliges Verhalten wie das Posten eines kinderpornografischen Comics als Verbrechen einstufe, was ein Jahr Mindestfreiheitsstrafe bedeute, „gäbe es keine Möglichkeit, hierauf angemessen zu reagieren“.

SPD steht Verschärfung des Strafrechts nicht im Weg

Diese Haltung mache ihn „ratlos und sprachlos“, kommentierte CDU-Generalsekretär Ziemiak. Nur mit drastischen Strafen funktioniere auch die Abschreckung. Lambrechts Hauptgegenspieler ist freilich NRW-Innenminister Reul, in dessen Bundesland zuletzt die Missbrauchsfälle aufgedeckt wurden. In seinem Amt hat Reul sich stark profiliert und bundesweit Beachtung gefunden, etwa im Kampf gegen arabische Clans. Der 67-Jährige frühere Europapolitiker gibt den schwarzen Sheriff. „Ich erwarte von der Bundesregierung, dass da etwas passiert. Und Frau Lambrecht ist zuständig“, forderte er. Bereits vor einem Jahr habe die Innenministerkonferenz beschlossen, Kinderpornografie als Verbrechen einzustufen. „Wenn die Herstellung und Verbreitung von Missbrauchsbildern immer noch genauso bestraft wird wie Ladendiebstahl, dann fehlt mir dafür jedes Verständnis.“ Für ihn sei „sexueller Missbrauch wie Mord“, erklärte Reul in Schröder-Manier.

In der SPD weist man die Kritik allerdings zurück. „Einer Verschärfung des Strafrechts, die sinnvoll ist, stehen wir nicht im Wege. Aber das muss in ein Gesamtkonzept passen“, so Fraktionsvize Dirk Wiese gegenüber dem Tageblatt. Genauso müsse die Präventionsarbeit gestärkt werden, „damit es gar nicht erst zu solchen Taten kommt“. Pikant: Der Innenexperte verwies darauf, dass speziell in Nordrhein-Westfalen viele Beratungsstellen unterfinanziert seien. In Mülheim müsse deshalb die erste Anlaufstelle aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Statt Justizministerin Lambrecht zu attackieren, „sollte NRW-Innenminister Reul lieber dafür sorgen, dass die Landesregierung die Mittel endlich erhöht“, forderte Wiese. Damit geht der Streit schon in die nächste Runde.

HTK
12. Juni 2020 - 8.40

Nur dass sich ein Toter nicht mehr mit den Folgen seiner Erfahrungen plagen muss. Solange sexueller Missbrauch als Kavaliersdelikt behandelt wird ändert sich wenig. Man denke nur an den Sextourismus nach Fernost,wo fettleibige Hirnkranke über Kinder herfallen dürfen :ohne Folgen