Der Streit um den richtigen King geht weiter

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Von unserem Korrespondenten Sebastian Moll

Heute vor 50 Jahren wurde Martin Luther King ermordet. Noch heute berufen sich Politiker aus sämtlichen Richtungen auf den schwarzen Bürgerrechtler. Doch sie nutzen eine verzerrte Version seiner Botschaft, meinen Historiker.

Heute jährt sich die Ermordung Martin Luther Kings zum 50. Mal. Wahrscheinlich wird Präsident Donald Trump Ähnliches sagen wie am 15. Januar, dem Nationalfeiertag zu Ehren Kings. „Wir feiern heute, dass King sein Leben der in unserer Verfassung verankerten Wahrheit gewidmet hat, dass alle Menschen gleich erschaffen sind“, hatte er damals gesagt. Kurz zuvor hatte Trump noch Länder wie Haiti und Somalia als „Dreckslöcher“ beschimpft.

Man ist derlei schon seit seinem Wahlkampf gewohnt – Trump wechselt seine politischen und weltanschaulichen Farben, je nachdem, welchem Publikum er zu gefallen trachtet. Im Falle von King ist dieses Manöver weitestgehend risikolos. King ist heute eine jener wenigen Figuren, auf die sich praktisch die gesamte amerikanische Nation einigen kann.

Für viele in der amerikanischen Linken und in der Bürgerrechtsbewegung der heutigen Zeit beruht diese Aneignung Kings durch den bürgerlichen Mainstream jedoch auf einer extremen Verzerrung dessen, was King und die Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre tatsächlich darstellten. So sagt Jeanne Theoharis, Autorin des Buches „A More Beautiful and Terrible History: The Uses and Misuses of Civil Rights History“: „Wir haben eine nationale Fabel darüber gesponnen, was die Bürgerrechtsbewegung war. Wir benutzen diese Fabel bei Gedenkfeiern und Festtagsreden dazu, uns als Amerikaner gut zu fühlen.“

Verzerrung der eigentlichen Botschaft

Diese Fabel geht in etwa so: King mobilisierte schwarze wie weiße Menschen guten Willens, um mit friedlichen Mitteln gegen die Ungerechtigkeit und Gewalt gegen Minderheiten im Süden anzukämpfen. Der Ruf, so geht die Fabel weiter, wurde erhört. Washington verabschiedete in kurzer Folge zwei Gesetze, welche die Diskriminierung von Schwarzen im Süden ein für alle Mal beendeten. Seither ist Rassismus in den USA praktisch kein Thema mehr. Leute wie Trump können sich mit Lippenbekenntnissen, mit Händeschütteln und der Besetzung von Alibipositionen durch Afroamerikaner einreden, dass sie keine Rassisten sind.

Gegen diese Art von Vereinnahmung wehren sich die amerikanische Linke und die neue Bürgerrechtsbewegung jedoch mit Händen und Füßen. Es ist ein Kampf um die amerikanische Geschichtsschreibung, der zum Jahrestag von Martin Luther Kings Ermordung nun wieder besonders stark aufflackert.

So schreibt Vann R. Newkirk in der King-Sonderausgabe des Magazins The Atlantic in dieser Woche, dass „in der offiziellen Geschichte, die unseren Kindern erzählt wird, Kings Tod die transformationale Tragödie in einem letztlich siegreichen Kampf ist“. In Wirklichkeit, so Newkirk, sei die Ermordung Kings jedoch nur eine von zahllosen reaktionären Attacken gegen Kings Bewegung gewesen, einer Reaktion, die erstaunlich erfolgreich war.

Offener Hass

Laut Historikern wie Newkirk und Theoharis begann die Reaktion gegen King bereits zeit seines Lebens. Die Nation hatte gehofft, dass mit den Gesetzen von 1964 und 1965 das Thema der Rassendiskriminierung vom Tisch sei. Doch King machte keinerlei Anstalten, Ruhe zu geben.

Im letzten Jahr seines Lebens nimmt seine politische Philosophie dann volle Gestalt an. Er startet seine Kampagne gegen Armut und kämpft gegen soziale Ungleichheit, ungeachtet der Hautfarbe. Und nach langem Ringen spricht er sich öffentlich und in aller Deutlichkeit gegen den Vietnamkrieg aus. Der Kampf gegen Rassismus ist für King nicht ohne den Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und gegen Militarismus zu denken.
In dieser Zeit schlägt dem Bürgerrechtler immer stärker offener Hass entgegen. Am 4. April 1968 trifft ihn in Memphis dann die tödliche Kugel eines Attentäters. King hatte das seit langer Zeit erwartet.