Charlie Rose stand für den amerikanischen Qualitätsjournalismus und war eine wichtige moralische Stimme. Nun wurde er von mehreren Frauen beschuldigt wurde, sie sexuell belästigt zu haben. Der Sender CBS hat seine Sendung abgesetzt. Rose spielt die Vorwürfe runter.
Von unserem Korrespondenten Sebastian Moll
Charlie Rose war eine gewichtige moralische Stimme in Amerika. Es gab kein großes Thema der Zeit, zu dem sich der Journalist nicht mit Profundem zu Wort gemeldet hätte. So auch zu der Welle an Enthüllungen über sexuelle Gewalt und Belästigung im amerikanischen Arbeitsleben, die seit der Affäre um Harvey Weinstein losgetreten wurde. „Das wird unser gesamtes Zusammenleben verändern“, ließ der geachtete Fernsehjournalist noch in der vergangenen Woche bedeutungsschwanger vernehmen.
Nun wurde Rose selbst von der Enthüllungswelle über Männer eingeholt, die ihre Macht missbrauchen, um Frauen sexuell zu demütigen. Zu Beginn dieser Woche veröffentlichte die Washington Post ein umfassendes Exposé, in dem acht Frauen berichten, wie Rose ihnen zu Leibe gerückt ist.
Mehrere Frauen erheben Vorwürfe
Da ist etwa die Geschichte einer 29 Jahre alten Praktikantin, die neben ihrem Politikstudium versuchte, in Roses renommierter Interviewsendung „Charlie Rose“ Fuß zu fassen. Rose bot ihr an, in seinem Wochenendhaus auf Long Island für 2.500 Dollar (2.100 Euro) pro Woche die Bibliothek zu organisieren. In der Folge drängte sich der 73 Jahre alte Rose mehrfach unerwünscht der Praktikantin auf. Er lud sie zu einem Mondscheinspaziergang ein und begann, sie ungefragt zu umarmen und zu küssen. Er lief nackt in ihrem Zimmer herum, während sie arbeitete. Und als sie auf all das nicht reagierte, versuchte er während eines gemeinsamen geschäftlichen Fluges, sie zu vergewaltigen.
Die Geschichten der anderen Frauen gleichen dieser. Eine Frau, die sich für einen verantwortungsvolleren Posten in Roses Produktionsfirma bewarb, erzählt von einem bizarren Erlebnis auf seinem Landsitz, bei dem Rose sich spätabends am Schwimmbecken an sie heranmachte und später, in ihrem Schlafzimmer, versuchte, sie zu vergewaltigen. Ihr Widerstand resultierte in der Ablehnung ihrer Bewerbung.
Nach den Enthüllungen über Weinstein, den Komiker Louis C.K. und den demokratischen Senator Al Franken verliert das linksliberale Amerika mit Rose nun ein weiteres Idol. Sein Fall unterstreicht, dass die Epidemie des sexuellen Machtmissbrauchs vor politischen Gesinnungsgrenzen nicht Halt macht.
Sendung wurde abgesetzt
Rose gilt seit Beginn seiner Karriere beim Nachrichtennetzwerk CBS in der Mitte der 80er-Jahre als Inbegriff des seriösen Qualitätsjournalismus in den USA. In jener Zeit entstand das Format, das ihn bekannt gemacht hat – das tiefschürfende, einstündige Interview mit wichtigen Personen über die großen Themen der Zeit.
Rose etablierte sich im Laufe der Jahre als Institution. Zu ihm eingeladen zu werden, war eine Ehre. Barack Obama besuchte ihn noch als amtierender Präsident, Bill Gates, Warren Buffett und Wladimir Putin waren bei ihm. Rose interviewte Henry Kissinger, den Regisseur Quentin Tarantino, Leonardo DiCaprio und auch Donald Trump. Seine Sendung wurde mit Ehrungen und Preisen überhäuft und galt als Fels in der Brandung eines immer seichter werdenden Fernsehjournalismus. Nun ist sie vorerst ersatzlos gestrichen worden.
Rose spielt Vorfälle runter
Rose selbst bemühte sich in seiner Reaktion um Schadensbegrenzung. Rose stritt die Vorkommnisse zwar nicht ab, bemühte sich jedoch, sie herunterzuspielen. Er sei zu der Zeit dem Irrtum unterlegen, schrieb er in einer Erklärung, dass die sexuellen Kontakte von den Frauen gewünscht waren.
Die Zerstörung seiner Karriere wird er damit nicht abwenden können. Die amerikanische Öffentlichkeit ist mittlerweile gegenüber dem Machtmissbrauch, der in diesen Situationen am Werk ist, allzu gut sensibilisiert. So bleibt nur die Fassungslosigkeit über den Sturz einer weiteren geachteten Figur des öffentlichen Lebens.
Zum Autor
Sebastian Moll lebt seit 2002 als Korrespondent in New York und beobachtet dort für deutschsprachige Medien das gesellschaftliche und kulturelle Geschehen. Seine Themen reichen von den US-Medien über das Entertainment-Geschäft und den Kulturbetrieb bis zu politischen und gesellschaftlichen Hintergründen. Und natürlich interessiert ihn alles, was mit der Stadt New York zu tun hat, wo er seit nunmehr insgesamt 14 Jahren lebt. Im Jahr 2013 erschien seine Reportagesammlung „Uptown Blues in der funkelnden Stadt“ im Picus Verlag, Wien.
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